Kino-Filmkritik: Wonka

Wenn man an Willy Wonka denkt, hat man sofort den erwachsenen Schokoladenmann aus der Verfilmung von Tim Burton vor seinem inneren Auge. Johnny Depp spielte den Erfinder unendlicher Schokoladenträume in einer absurd-bunten Kostümierung und mit unheimlich-unerklärlichen Charakterausbrüchen. Kurzum: Johnny Depps Willy Wonka war dem Zuschauer in der Verfilmung von Roald Dahls Buch “Charlie und die Schokoladenfabrik” immer ein wenig unheimlich und fremd.
Nun kommt aber Regisseur Paul King und erzählt in “Wonka” die Vorgeschichte. Hier geht es darum, wie der mittellose Wonka nach sieben Jahren auf hoher See mit zahllosen unterwegs eingesammelten Ingredienzen und einem zusammenfaltbaren Minilabor im Koffer in der westlichen Welt anlandet, um die Menschheit mit seinen Schokoladenerfindungen zu überraschen.
Die erste Überraschung: Der junge Wonka (Timothée Chalamet) ist ein liebenswert-verträumter Zauberer, der voller Naivität seinem Traum nachjagt und jedes Unglück ganz optimistisch wieder in einen neuen Plan ummünzt.
Denn im Film trifft es ihn gleich doppelt schwer. Dort, wo er sein erstes Geschäft eröffnen möchte, haben die minderbegabten Schokoladenfabrikanten Slugworth (Paterson Joseph), Fickelgruber (Mathew Baynton) und Prodnose (Matt Lucas) ein fieses Schokoladenkartell gegründet, das sie mit allen nur erdenklichen Mitteln gegen Außenstehende verteidigen werden.
Und die Absteige, in der Wonka ein Bett zum Übernachten sucht, ist ein ganz übler Schuppen. Da Wonka nicht lesen kann, unterschreibt er bei der fiesen Mrs. Scrubbit (Olivia Colman) und ihrem vierschrötigen Helfer Bleacher (Tom Davis) einen wahren Knebelvertrag. Der zwingt ihn dazu, 10.000 Tage lang in der Waschküche der Herberge zu schuften. Hier lernt er aber das Waisenkind Noodle (Calah Lane) kennen – und entwickelt einen Plan, wie er als Willy Wonka doch noch seine ganz besondere Schokolade verkaufen kann.
Der Film “Wonka” weiß auf ganzer Linie zu überzeugen. Das Drehbuch ist fantastisch. Jede Figur im Film bekommt seine ganz eigene Geschichte, sodass der Zuschauer gleich auf mehreren Ebenen mitfiebert und viel Spaß an den kuriosen Ideen des Kinofilms hat.
Dann ist “Wonka” ein reiner Farben- und Ausstattungs-Porno für die Augen. Die Kulissen sind mit unfassbar viel Liebe in Szene gesetzt. Es gibt tatsächlich in jedem Bild so vieles zu entdecken, dass man den Film “Wonka” sicherlich zwei oder drei Mal schauen muss, um alles wahrzunehmen.
Und – oh Graus – sie singen im Film. “Wonka” entpuppt sich als Musical, das munter-verspielt einen Song nach dem anderen anstimmt. Diese Szenen sind aber alle sehr gelungen. Und so mancher Song hat Ohrwurmcharakter.
Sollte man noch immer nicht ganz und gar verzaubert von “Wonka” und seiner magischen Schokolade sein, dann kommt von irgendwo ein Oompa Loompa her. Hugh Grant als kleines Männchen mit Diebesgelüsten ist ein echter Szenendieb mit grünen Haaren und orangefarbener Haut, der “Wonka” perfekt abrundet.
Am Ende stört nur die Kluft zwischen den beiden Filmen. Wie konnte aus dem verträumten und megasymphatischen Wonka der spätere unterkühlt-verhaltensgestörte Willy Wonka werden? (CS / Bilder: Warner Brothers)
Fazit: 4,5 von 5 Sternen (FSK 0)
Spieldauer: 110 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=pY4_nE-Za-I
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 214 (1/2024).
Seitenabrufe seit 1.01.2024:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige
