Nauen, das ist doch der ruhige Ort im Schatten von Berlin, die coole Ackerbürgerstadt, der aktuelle Hotspot im Wachstumsgürtel, der Rückzugsort für alle Havelländer, die im Grünen gern ihre Ruhe haben wollen. Ausgerechnet hier hat nun die Zollfahndung ein riesiges Drogenlabor ausgehoben. Über 400 Kilo synthetischer Drogen und 200.000 Bargeld wurden in einer Lagerhalle sichergestellt.
Wo kommen eigentlich die Partydrogen her, die in Berlin in schummrigen Ecken und in kleinen Portionen an Konsumenten aller Couleur verkauft werden?
Eins ist sicher: Die Quelle muss nicht zwingend in Übersee liegen. Ein Drogenlabor, wie man es aus der Fernsehserie “Breaking Bad” kennt, kann direkt in der Nachbarschaft versteckt sein. Ein solches Labor konnte nun in einer großen Lagerhalle mitten in der Havelländer Kleinstadt Nauen ausgehoben werden.
In einer gemeinsamen Presseerklärung vom Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg und der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) heißt es: “Im Auftrag der Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Frankfurt (Oder) konnte durch Einsatzkräfte des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg am Mittwoch, dem 29. Oktober 2025, ein illegales Labor zur Herstellung synthetischer Drogen in Nauen ausgehoben werden.”


Das Zollfahndungsamt hatte bereits im Mai 2025 die Spur der verantwortlichen Täter aufgenommen. Sie führte letztendlich zu einer großen Lagerhalle in Nauen. Der Zugriff erfolgte hier durch die kombinierten Kräfte der Landespolizeien Berlin und Brandenburg mit Unterstützung der Bundespolizei.
Die Beamten staunten nicht schlecht: Auf einer Fläche von 500 Quadratmetern konnten “große Mengen an Kanistern aller Größen und mit bislang noch unbekannten Chemikalien gefüllte offene Wannen festgestellt werden.”
Drei Beamte erlitten bei der ersten Sichtung durch intensiv austretende Dämpfe leichte Verätzungen und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Aus diesem Grund konnte die Halle nicht sofort untersucht werden. Sie wurde zunächst einmal “gesichert”.
Mit “Unterstützung des Katastrophenschutzes der freiwilligen Feuerwehren Havelland und Märkisch-Oderland, von Chemikern des Bildungs- und Wissenschaftszentrums sowie Kräften des Technischen Hilfswerks” wurde die Halle anschließend in der gebotenen Schutzkleidung gesichtet und professionell beräumt.
Zwölf Container waren nötig, um alle Stoffe, Chemikalien und Gerätschaften aus der Lagerhalle abzutransportieren und zur weiteren Untersuchung in ein Zwischenlager zu bringen. In der Pressemeldung heißt es: “Teilweise mussten Chemikalien durch eine spezialisierte Firma entsorgt werden.”


Im Zuge der Maßnahmen wurden zwei mutmaßliche Täter festgenommen – ein 41-jähriger Pole und ein 50-jähriger Ukrainer. Sie “wurden am 30. Oktober 2025 der Haftrichterin des Amtsgerichts Nauen vorgeführt, die antragsgemäß Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachtes der gemeinschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Herstellung und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge anordnete.”
Ob die Beamten bereits auf der Spur weiterer Personen aus dem Umkreis des Drogenlabores sind, dazu hat die Presse bislang noch keine Informationen erhalten.
Eine völlig verdreckte Lagerhalle voller Chemikalien und Wannen voller obskurer Flüssigkeiten haben schon echten Nachrichtenwert. Aber es kommt noch extremer. Vor Ort “wurden über 200.000 Euro Bargeld beschlagnahmt.” Das ist schon eine sehr erhebliche Summe.
Hinzu kommt, dass insgesamt etwa 400 Kilogramm einer synthetisch hergestellten Partydroge gesichert wurden. Dabei soll es sich laut Pressemeldung um die psychoaktiven Rauschmittel 3-CMC und 4-CMC handeln.
Beide Wirkstoffe gehören zur Klasse der synthetischen Cathinone und werden zu den NPS gezählt. Das sind “New Psychoactive Substances”, also neue Party-Designer-Drogen, die zurzeit an den Hotspots der Großstädte aufschlagen. Chemisch gesehen handelt es sich bei den Substanzen um Derivate von Methcathinon mit einer Chlor-Substitution am Phenylring (bei 3-CMC die 3-Position, bei 4-CMC die 4-Position).
Sowohl 3-CMC als auch 4-CMC wirken stimulierend – auf eine ähnliche Art wie Amphetamine, MDMA oder Kokain. 4-CMC soll länger wirken als die Dreier-Variante. Die “World Health Organisation” schreibt, dass die Substanzen die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin erhöhen. Das sorgt für einen euphorischen Kick, erhöht die Selbstsicherheit und verstärkt die Sozialisierung in Gruppen.
Zu den unmittelbaren Wirkungen zählen aber auch ein erhöhter Herzschlag, ein erhöhter Blutdruck, Überhitzung, erweiterte Pupillen und mögliche psychische Effekte wie Unruhe, Angst, Panik, Schlaflosigkeit, Halluzinationen oder Psychosen. Durch die Herstellung in illegalen Laboren besteht immer die Möglichkeit von Verunreinigungen aller Art. Berichte über Intoxikationen sind im Internet zu finden, auch über Todesfälle nach dem Konsum wird im Netz berichtet.

Die Partydrogen sind noch relativ neu, was dazu führt, dass Partygänger, die gern Pillen schmeißen, oft nicht abschätzen können, wie die neuen Drogen bei ihnen wirken. Die “World Health Organisation” empfiehlt, die neuen Substanzen in die Liste der “1971 Convention on Psychotropic Substances” aufzunehmen. In Deutschland sind Cathinone bereits im Betäubungsmittelgesetz (BtMG, www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/) erfasst. Hier heißt es etwa, dass 4-CMC “seit 2015 in Deutschland als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel eingestuft” wird. Herstellung, Einfuhr, Erwerb, Besitz und Weitergabe/Handel sind damit strafbar!
Im vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geförderten Drogenlexikon von mindzone aus München (www.infoboerse-neue-drogen.de) steht: “Bei 4-CMC handelt es sich um eine unerforschte Substanz, die im Verdacht steht, stark neurotoxisch zu sein. Je höher die Dosis, umso größer das neurotoxische Potential (Gefahr für Hirnschäden!). Zu möglichen Langzeitfolgen gibt es derzeit keine gesicherten und zuverlässigen Informationen.”
Einsatzleiter Henner Grote vom Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg sagt über das Drogenlabor in Nauen: “Das ist das größte Labor, das ich in meiner über 30-jährigen Zeit bei der Drogenfahndung gesehen habe.”
Die Ermittlungen dauern weiter an. (Text: CS / Fotos: Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 237 (12/2025).


