Die “Old Texas Town” ist sicherlich eine der urigsten Locations in ganz Spandau. Mitten auf dem weitläufigen Shopping-Gelände vom “Siemensstadt Park” gibt es eine authentische Westernstadt im Maßstab 1:1 – mit Saloon, Kirche, Sheriff-Büro, Bank und Zeitungsredaktion. Hier treffen sich die Mitglieder vom “Cowboy Club Old Texas Berlin 1950 e.V.” und lassen den amerikanischen Wilden Westen wieder auferstehen. Nun musste Bürgermeister Jack Hunter melden: Bald könnte Schluss sein mit der Westernstadt. Dem Verein wurde der Mietvertrag gekündigt.
Wie war das eigentlich damals in Amerika zur Zeit des Wilden Westens? Wir sprechen von der Zeit nach 1870, die Karl May in seinen Büchern beschrieben hat. Der amerikanische Bürgerkrieg ist vorbei und vor allem arme Einwanderer aus Europa drängen mit der Eisenbahn nach Westen, um sich das weitläufige Land langsam zu Eigen zu machen. Überall entstehen kleine Ansiedlungen, die oft nur aus einigen windschiefen Häusern und einem Saloon, einem Handelsposten, einer Schmiede, einem Sheriff-Büro samt Arrestzelle und einer Station der Postkutsche bestehen.
1870, das ist lange vorbei. Nicht aber in Spandau. Hier haben Mitglieder des 1950 gegründeten Vereins “Cowboy Club Old Texas Berlin 1950 e.V.” die Zeit eingefroren. Sie haben mitten in der Großstadt ein Stück Wilder Westen aufgebaut – und zwar im Maßstab 1:1. Das ist ein begehbarer Traum nicht nur für Kinder, sondern auch für viele Erwachsene, die nur allzu gern in kompletter Montur in die Rolle von Süd- und Nordstaatlern, Cowboys, bösen Buben und natürlich auch schönen Ladys in farbenfrohen Kostümen schlüpfen.


Ralf Keber (67) ist Rentner. Er war früher Vermessungsingenieur. Heute lebt er in Falkensee. Regelmäßig schlüpft er in seine Blaurock-Uniform der Union, um sich auf diese Weise in Jack Hunter zu verwandeln. Seit 2008 ist Jack Hunter der Vereinsvorsitzende in “Old Texas Town”. Im Western-Ort ist er außerdem auch der Bürgermeister. Er erzählt: “Unsere Westernstadt befand sich erst auf den Spreewiesen gleich gegenüber vom Kraftwerk Reuter. Dort mussten wir 1968 weichen, weil das Kraftwerk erweitert wurde. Siemens hat uns das aktuelle Gelände zugewiesen, auf dem wir nun seit 57 Jahren unsere Westernstadt aufgebaut haben. Als 2009 der ‘Siemensstadt Park’ gebaut wurde, mussten wir etwa 5.000 Quadratmeter abgeben. Aber wir haben noch immer 11.000 Quadratmeter übrig, das reicht uns.”
Ein großes Holztor sichert den Zugang zur “Old Texas Town”. Dahinter stehen massive Häuser, die bis ins allerkleinste Detail mit Erinnerungsstücken aus dem Wilden Westen ausgestattet sind. In der kleinen Westernkirche fanden schon zahlreiche Hochzeiten statt, im Saloon darf gefeiert werden, dass sich die Balken biegen, sicherlich könnte die Druckerei auch noch neue WANTED-Flugblätter drucken und in der Zelle des Sheriffs dürfen alle Gäste ihren Rausch ausschlafen, die es mit dem Whisky maßlos übertrieben haben. Es gibt ein tolles Wilder-Westen-Museum mit vielen Vitrinen und Schaukästen, eine mexikanische Taverne, ein typisches Familienhaus und eine Alamo-Gedenkstätte.
Jack Hunter: “Wir sind die älteste Westernstadt Deutschlands. Unter der Woche werden bei uns oft Filme gedreht, an den Wochenenden finden regelmäßig Firmenfeste, Hochzeiten und Geburtstagsfeiern statt. Einmal im Monat gibt es bei uns einen Tag der offenen Tür, da kommen bis zu 500 Besucher zu uns, um von 18:30 Uhr bis zwei Uhr morgens bleihaltige Westernluft zu schnuppern. Wir haben 43 Mitglieder in unserem Verein. Viele von ihnen zeigen sich an diesem Tag zur Freude der Besucher in voller Montur und lassen so den Wilden Westen noch einmal neu aufleben. Um 20 Uhr kommen alle Besucher auf der Main Street vor dem Saloon zusammen – da führen wir immer unsere Flaggenparade mit lauten Salutschüssen durch.”



Am 7. Juni gab es wieder einen solchen Tag der offenen Tür. Wird es der letzte sein? Jack Hunter erklärte den Gästen nach der Flaggenparade: “Unsere Old Texas Town steht kurz vor dem Aus. Uns wurde der Vertrag des Geländes zum 31. August 2025 gekündigt.”
Das Bezirksamt Spandau ist bereits informiert und auch involviert. In einer Pressemitteilung heißt es: “Im Februar 2025 eröffnete der Eigentümer dem Bezirksamt, auf dem Gelände ein Rechenzentrum errichten zu wollen. Dies ist jedoch auch planungsrechtlich nicht zulässig. 2012 wurde hier ein Bebauungsplan festgesetzt, der eine Westernstadt als Sondergebiet sichert.”
Der Eigentümer der Fläche hatte 2008 einen Pachtvertrag mit dem Verein unterschrieben, der 15 Jahre Gültigkeit besaß. Nach Ablauf des Vertrags wurde dieser bislang von Jahr zu Jahr verlängert. Nun kam die Kündigung ausgerechnet in dem Jahr, in dem der Cowboy-Verein sein 75-jähriges Bestehen feiert.
Bezirksstadtrat Thorsten Schatz ergreift Partei für die Westernfreunde: “Wir wollen als Bezirk an der Westernstadt festhalten Deshalb hatte ich mit Zustimmung von Bezirksbürgermeister Frank Bewig dem Eigentümer klar signalisiert, dass wir eine solche Entwicklung politisch nicht mittragen werden. Von unserer Seite wird es keine Änderung am Bebauungsplan geben. Für uns ist klar: Old Texas Town muss erhalten bleiben. Ich fordere die Eigentümer auf, die Kündigung zurückzunehmen und den Fortbestand dieses gewachsenen Kulturstandorts in Spandau zu ermöglichen.”
Ein Umzug der Westernstadt an einen anderen Standort scheint unmöglich: Wie sollten die massiven Häuser bewegt werden? Rückendeckung bekommt Bürgermeister Jack Hunter von Wilhelm Garn, Bürgermeister a.D aus Brieselang, der auch noch Jürgen Hemberger, Bürgermeister a.D. aus Dallgow-Döberitz zur Verstärkung mitgebracht hatte: “Die Westernstadt muss erhalten bleiben, das ist ein Stück Berliner Geschichte. Das ganze Holz, das hier verbaut wurde, stammt noch vom Munitionsplatz vom Flughafen Tegel. Sogar die Band ‘Truck Stop’ hat die ‘Old Texas Town’ schon in einem Lied erwähnt.”



Wilhelm Garn und Jürgen Hemberger waren am 7. Juni mit einer großen Entourage angereist, um ihre Unterstützung deutlich zu machen: “Wenn Jack uns braucht, sind wir da.”
Vereinsmitglieder haben eine Online-Petition für den Erhalt der Westernstadt aufgesetzt, die nach wenigen Tagen bereits 3.500 Unterschriften sammeln konnte.
Trotzdem herrscht zurzeit viel Ratlosigkeit bei den Western-Freunden. Wie soll sich der kleine Verein gegen einen großen Investor behaupten, der mit dem Gelände Geld verdienen möchte? Jack Hunter: “Wir führen gerade viele Gespräche und hoffen auf ein Wunder.”
Jochen Ehlers ist Geschäftsführer der Berliner Firma “Dr. Aldinger & Fischer”, die sich im Immobiliensektor bewegt: “Wir sind seit 16 Jahren Eigentümer des Grundstücks. Wir haben Old Texas das Grundstück damals fest für 15 Jahre verpachtet. Diese Laufzeit war sowohl Old Texas als auch dem Bezirk von Anfang an bekannt. Für das Grundstück haben wir lediglich eine symbolische Pacht von einem Euro pro Jahr vereinbart.”
Eine Einigung mit dem Inhaber scheint zurzeit nicht möglich. Jochen Ehlers: “Wir möchten unser Grundstück zukünftig gern gewerblich nutzen, beispielsweise durch den Bau eines Rechenzentrums.” (Text/Fotos: CS)
Info: Old Texas Town, Cowboy Club Old Texas Berlin 1950 e.V., Paulsternstraße 18, 13629 Berlin, Tel.: 030-20255910, https://wp.old-texas-town.de
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 232 (7/2025).



















































