Altes Waschhaus in Ribbeck: Marina Wesche serviert Birnentorte und schreibt Bücher!
Nanu, hat da etwa jemand seine Wäsche zum Trocknen im Vorgarten aufgehängt? Gleich neben der Ribbecker Kirche und nur einen Steinwurf vom Schloss Ribbeck entfernt flattern Hemden, lange Unterhosen und andere Wäscheteile im Wind. Das ist kein Wunder, denn hier wartet das “Alte Waschhaus Ribbeck” auf Besucher, die von Donnerstag bis Sonntag zwischen 11 und 17 Uhr vorbeischauen möchten. Marina Wesche (58) betreibt das urige Café bereits seit 13 Jahren. (ANZEIGE)
Sie erinnert sich: “Um die Jahrhundertwende war dies wirklich das Waschhaus von Ribbeck. Hier wurde die Wäsche der Knechte und Mägde und auch die der hohen Herrschaften gewaschen. Damals hat man nur zwei, drei Mal im Jahr gewaschen und war meist eine ganze Woche lang nur damit beschäftigt. Die Frauen hatten während dieser Zeit oft richtig schlechte Laune.”
Das alte Waschhaus wurde über die Jahre immer wieder einmal für andere Zwecke eingesetzt. So wurden hier die Automobile der Herren von Ribbeck untergebracht. 36 Jahre lang wohnten Mieter in dem Haus. Zu den DDR-Zeiten war hier ein Büro der LPG untergebracht. 2001 wurde das Haus saniert und wieder in Schuss gebracht. Ein kleiner Shop der ländlichen Erwachsenenbildung nutzte das Haus für sich, konnte sich aber nicht halten.
Marina Wesche: “Ich hatte gehört, dass die Betreiber der Erwachsenenbildung den Mietvertrag gekündigt hatten – und mich gleich beworben. Ich bin seit 26 Jahren selbstständig und war in meinem früheren Leben u.a. Floraldekorateur und Kassenverwalter in Nauen. In Nauen habe ich auch den Verein ‘Nauener Stadtgeflüster’ gegründet und das Ackerbürgerfest mit ins Leben gerufen. Ich wollte mich damals verändern und das Waschhaus hat mir sehr zugesagt. Am 1. November 2008 bin ich hier eingezogen – und habe für das Café alle meine Hobbies und Berufe zusammengeführt.”
Das Waschhaus ist ein Café, das urgemütlich eingerichtet ist und dabei irgendwie ein bisschen aus der Zeit gefallen scheint. Gern kann man im Haus Platz nehmen. Noch viel schöner ist es aber auf der Terrasse mitten in der Sonne.
Das ganze Café ist immer auch ein bisschen Museum, denn überall gibt es historische Utensilien zu bestaunen, die etwas mit dem Thema Waschen zu tun haben. Da gibt es eiserne Bügeleisen, Wäscheleinen mit zum Teil hundert Jahre alter Wäsche, Seife aus lange vergangener Zeit – und tausend anderer Exponate.
Marina Wesche: “Einige der historischen Ausstellungsstücke habe ich selbst mit eingebracht, einiges habe ich gekauft. Die meisten Originale stammen aber von meinen Gästen, die sie mir bei einem Besuch schenken. Eine alte Frau hat mir so etwa ihr Kleidchen vermacht, das sie selbst als Baby getragen hat. Eine andere Frau brachte uralte Fotografien von ihren Großeltern mit. Die mussten in Schwarz heiraten, weil ihr Kind bereits vor der Heirat auf die Welt gekommen war. Jedes Ausstellungsstück erzählt seine ganz eigene Geschichte.”
Marina Wesche fühlt sich sehr wohl vor Ort: “Trotz des ganzen Trubels und vieler Besucher aus aller Herren Länder ist Ribbeck doch ein Dorf geblieben. Nach 17 Uhr werden hier die Bürgersteige hochgeklappt. Das wundert viele Touristen, die gern auch noch später etwas essen oder trinken möchten. Wir sind hier aber kein Krongut, sondern ein Dorf, in dem auch Menschen wohnen. Und die wollen eben irgendwann auch ihre Ruhe haben. Auch so habe ich im Café einen 10- bis 12-Stunden-Tag. Die vielen Torten müssen ja auch gebacken werden.”
Tatsächlich sind die Kuppel-Birnentorten die besondere Leckerei vor Ort. Diese Torten gibt es jeden Tag immer mit Birne, aber in vielen zusätzlichen Geschmacksrichtungen, so etwa mit Schoko, mit Pfirsich, mit roten Johannisbeeren oder mit Eierlikör. Die Gäste können sich gern ihre Geschmacksrichtung aussuchen und bekommen ihr Stück direkt an den Tisch gebracht. Marina Wesche: “Ich kann auf über 200 eigene Birnenkuchenrezepte zurückgreifen. Am Anfang habe ich die Torten komplett selbst gebacken. Inzwischen bekomme ich die Bisquitböden von der Bäckerei Nickel aus Nauen.”
Dazu gibt es gern auch einen Birnenkaffee, einen Birnenpunsch, einen Birnentee, einen Birnensaft oder eine Birnenbowle. Wer etwa nach einer langen Fahrradtour richtig Schmacht mitbringt, bekommt sogar einen Birnen-Kesselgulasch, der wirklich delikat herzhaft schmeckt. Eins ist klar: Ohne die Birne geht in Ribbeck gar nichts. Und so findet sich auf der birnenförmigen Speisekarte natürlich auch das vollständige Theodor-Fontane-Gedicht “Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland” wieder.
Marina Wesche: “Wer sich über das ungewöhnliche Deutsch im Gedicht wundert: Zu Zeiten von Fontane, da hat man vor Ort noch ein mitteldeutsches Plattdeutsch gesprochen. Das wurde irgendwann vom Berliner Jargon verdrängt, sodass es heute nicht mehr in der Region zu hören ist.”
Die Café-Betreiberin ist übrigens auch als Buchautorin tätig. Ihr erstes Buch “Greta und die Birnentiere” ist vor knapp zwei Jahren erschienen. Es erzählt die Geschichte der tatsächlich im Waschhaus zugelaufenen Katze Greta, in deren Fell sich keine Flöhe tummeln, sondern magische Birnentiere. Der kleine Max reist in seinen Träumen in die Welt der Birnentiere, um ihnen beizustehen.
Anfang August ist der Nachfolger “Die Tiefsten Wasser der Welt” im Eigenverlag erschienen. Das Birnentierchen Bernd Sieben-ins-Maul ist verschwunden. Es scheint sich absichtlich in der Handtasche eines Gastes im Alten Waschhaus versteckt zu haben, um so das Havelland zu bereisen. Die Birnentiere bitten einmal mehr Max um Hilfe.
Marina Wesche sagt: “Das zweite Buch endet sehr abrupt. Deswegen schreibe ich bereits an Band 3, damit die Pause nicht wieder so lang wird. Die Kinder lieben die Bücher, ich habe einen großen Stapel an Bildern, die sie mir mit den Birnentierchen gemalt und dann geschenkt haben. Das erste Buch haben übrigens viele Schulen auch im Unterricht behandelt. Auch eine Nauener Schule war mit dabei. Da gab es ein Projekt ‘Etwas in der Birne haben’.”
Zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Liedermacher Ralf Ligmann (53), der ebenfalls mit im Café arbeitet, ist auch die Lieder-CD “Birnbaumgeschichten aus Ribbeck im Havelland” erschienen. Die Bücher, die CD und viele Birnen-Spezialitäten aus der Region sind ebenfalls im Alten Waschhaus zu erstehen. (Text/Fotos: CS)
Info: Altes Waschhaus Ribbeck, Am Birnbaum 6, 14641 Nauen OT Ribbeck, Tel.: 033237-85106, www.waschhaus-ribbeck.de
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 173 (8/2020).
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige