Stadtjägerin in Nauen: Waschbären-Alarm

In Nauen treibt zunehmend der Waschbär sein Unwesen – und nistet sich nur zu gern in den Dächern der Häuser ein. In diesem Fall hilft Linda Bottez als ehrenamtliche Stadtjägerin. Sie stellt, wenn es denn angebracht ist, Lebendfallen auf, um die invasive Tierart zu fangen. Die Stadtjägerin kümmert sich auch um Steinmarder und um aufdringliche Wildschweine. Auch angefahrene Rehe gehören zu ihrem Aufgabengebiet.
Linda Bottez (39) ist Beamtin in Berlin. 2020 ist sie aus Spandau ins nahe Havelland gezogen – und wohnt nun in der Stadt Nauen.
Sie freut sich, dass sie ihr Hobby gezielt mit dem Beruf verbinden konnte: “2016 habe ich meinen Jagdschein gemacht. 2017 durfte ich beim Deutschen Jagdverband in Berlin-Mitte als freie Mitarbeiterin in der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mitwirken. 2018 bin ich zum Landesverband Berlin in Zehlendorf gewechselt, um dort die Geschäftsstelle zu leiten. Seit der Corona-Zeit arbeite ich in Vollzeit für das Land Berlin. Im Ehrenamt bin ich aber seit 2022 zusätzlich auch als offiziell bestellte Stadtjägerin für Nauen tätig. Drei bis 12 Stunden in der Woche bin ich in dieser Funktion unterwegs, das muss man wirklich wollen.”
Wie kommt es, dass sie sich so sehr für das Ehrenamt engagiert? Linda Bottez: “Mein Hauptantrieb ist der Naturschutz. Ich bin Hobbyornithologin, ich hatte schon immer ein Herz für heimische Singvögel. Aus diesem Grund spreche ich auch viel mit unseren Bürgerinnen und Bürgern und bitte sie, ihre Freigängerkatzen wenigstens in den Monaten April bis August im Haus zu behalten, weil in dieser Zeit die meisten Vögel brüten. Es würde auch ausreichen, die Katzen nur nachts herauszulassen, weil es in der Zeit keine Bewegung am Vogelnest gibt. Waschbären sind ebenfalls eine große Gefahr für junge Vögel. Waschbären können sehr gut klettern und kommen so leicht an jedes Nest heran. Die invasive Raubwildart hat in Deutschland keine natürlichen Feinde. Sie richtet in der Natur einen großen Schaden an und geht auch an die Hühner der Nauener. Die Kröteneimer an den Straßen, in denen im Frühling wieder am Straßenrand die Frösche und Lurche gesammelt werden, damit sie nicht überfahren werden, sind für die Waschbären eine echte Snackbar. Das ist für sie wie ein McDonald’s-Drive-in.”
Für die Nauener ist der Waschbär nicht nur eine Bedrohung, wenn es um die Sicherheit der Haustiere geht (auch eine Katze ist dem Waschbär unterlegen). Die Waschbären nisten sich auch gern in den Häusern der Menschen ein. Hier rupfen sie das Styropor aus der Dämmung, richten sich vor allem im September und Oktober vor der Winterruhe häuslich ein und verursachen einen großen Schaden. Auch in so manchem Garten sorgen die gefräßigen Tiere für leere Büsche und Obstbäume: Sie fressen ganze Grünanlagen leer.
Linda Bottez: “Offiziell kann ich als Stadtjägerin unter der Nummer 0157-78311948 oder der Mail-Adresse stadtjagd.nauen@web.de kontaktiert werden. Auch im Ordnungsamt oder im Bürgerbüro kann man sich melden. Anschließend komme ich vorbei und schaue mir die Situation vor Ort an. Mitunter reicht es ja bereits, den Dachboden oder einen Hühnerstall so abzusichern, dass kein Waschbär mehr eine Chance darauf hat, einzudringen. Vielleicht gibt es ja auch eine Möglichkeit, die Waschbären zu vergrämen. Die Tiere sind allerdings sehr schlau und lernen schnell. Oft ist deswegen das Aufstellen von speziellen Fallen das letzte Mittel der Wahl.”
Die flachen Lebendfallen werden mit Hundefutter oder einem anderen Köder bestückt und in der direkten Nähe des “befallenen” Hauses aufgestellt. Linda Bottez: “Meine Fallen sind mit einem Fallenmelder mit Sender ausgestattet. Schließen sich die Klappen, bekomme ich sofort eine Meldung aufs Handy – und kann mich um das Tier kümmern. Das ist eine große Erleichterung. Früher musste ich die Fallen zwei Mal täglich mit dem Fahrrad kontrollieren. Klarer Fall: Die Waschbären werden nicht an anderer Stelle wieder ausgesetzt, sie werden von mir als Jägerin fachgerecht erlegt und anschließend entsorgt.”
Die Stadtjägerin ist mit der Erlaubnis der Unteren Jagdbehörde vom Landkreis Havelland aktiv. Innerhalb von Nauen darf sie auf städtischen Flächen tätig werden, so etwa in Parkanlagen, auf Friedhöfen oder in öffentlichen Grünanlagen. Grundstücke in privatem Besitz darf die Stadtjägerin nur betreten, wenn ein Bürger der Stadt Nauen sie mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hat.
Linda Bottez: “In Nauen bekomme ich es nicht nur mit dem Waschbären zu tun. Auch beim Steinmarder gibt es eine echte Überpopulation. Da er sich ebenfalls gern in den Häusern einnistet, fange ich auch dieses Tier mit meinen Lebendfallen ein.”
Auf dem Gelände der Zuckerfabrik hat es Linda Bottez zuletzt mit Wildschweinen zu tun bekommen, auch im Stadtbad buddeln die Wildschweine gern die Engerlinge aus dem Rasen: “Da bekommen Kinder, die diese Tiere sehen, schon einmal Angst, zur Schule zu gehen. Das ist tatsächlich einer der seltenen Fälle, bei denen ich im Stadtgebiet zur Waffe greifen dürfte, um bei einem sicheren Schussfeld die Rotte zu dezimieren. Wir möchten im Stadtgebiet aber eigentlich ganz auf die Waffe verzichten. Ich habe zum Glück einen guten Kontakt zu den Jägerinnen und Jägern in den angrenzenden Waldgebieten – und bitte sie schon einmal darum, die Wildschweinbestände zu dezimieren, bevor die Tiere in die Kernstadt drängen.”
Die Stadtjägerin ist übrigens nicht immer die Ansprechpartnerin der ersten Wahl, wenn es um das Thema Tiere geht. Für wilderne Hunde und Katzen ist sie ebenso wenig zuständig wie für alle Tiere, die nicht dem Jagdrecht unterliegen. Linda Bottez: “Ich bin auch nicht für Igel oder verletzte Raubvögel die richtige Ansprechpartnerin. Ich vermittele aber gern den nötigen Kontakt.”
Kommt es aber auf der Straße zu einem Wildunfall, kann die Stadtjägerin gerufen werden, um das Wild tierschutzgerecht zu erlösen, falls dies nötig ist: “Da geht es um das angefahrene Wildschwein oder auch schon einmal um ein Reh, das im Zaun der Schule festhängt. Oft sind hier aber Zuständigkeiten zu beachten. Auf der B5 ist etwa die Straßenmeisterei zuständig. Würde ich eingreifen, wäre dies rein rechtlich Jagdwilderei. Ich habe aber die Telefonnummer von allen Jagdpächtern in der Region und kann so weiterhelfen.”
Privat geht Linda Bottez seit 2017 bei den Berliner Forsten in Spandau auf die Jagd – dann aber mit Gewehr und Hund: “Das gönn ich mir, da schalte ich komplett ab.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 216 (3/2024).
Seitenabrufe seit 4.03.2024:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige
