30 Jahre Landkreis Havelland — Nachtwächter Wolfgang Wiech führte durch Ribbeck!

Der Nachtwächter von Nauen ist eigentlich vor allem für die Altstadt zuständig. Hier dreht er abends seine Runden, nimmt dabei gern neugierige Bürger mit und erzählt unterwegs äußerst spannende Fakten aus der weit zurückreichenden Vergangenheit der Ackerbürgerstadt. Passend zum Fest “30 Jahre Landkreis Havelland” lud er nun auch in Ribbeck zu einem lehrreichen Rundgang ein. Dabei besuchte die Gruppe sogar den Privatfriedhof der von Ribbecks.
Der Ort Ribbeck wurde das erste Mal im Jahr 1375 im Landbuch der Mark Brandenburg von Kaiser Karl IV erwähnt.
So erzählte es der Nachtwächter von Nauen Wolfgang Wiech am 9. Dezember anlässlich eines geführten Rundgangs einmal um den ganzen Anger herum. Der etwa einstündige Spaziergang startete gegen 16 Uhr im Hellen und endete in vollständiger Dunkelheit. Wolfgang Wiech: “Vor 2003 gehörte der Ort Ribbeck zum Land Nauen. 2003 wurde Ribbeck eingemeindet und der Stadt Nauen zugeschlagen. Zwangsweise. Niemand wünschte sich diese Zusammenführung. Inzwischen haben sich die Ortschaften und die Kernstadt aber gut zusammengerauft. In Ribbeck leben heute etwa 400 Menschen.”
Richtig bekannt geworden und zwar weit über die Grenzen des Havellandes hinweg wurde Ribbeck natürlich vor allem aufgrund der berühmten Ballade von Theodor Fontane mit dem Anfang “Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand”.
Und prompt sprang ein weiblicher Theodor Fontane verkleidet aus der Eingangstür von der Alten Schule hervor, um der Gefolgschaft vom Nachtwächter ein Geständnis zu machen: “Tatsächlich bin ich, Theodor Fontane, selbst nie in Ribbeck gewesen. Ich habe nur die Geschichte des Herrn von Ribbeck gehört, der Birnen an die Kinder verschenkt – und darüber eine Ballade geschrieben. Aus der Ferne.”
Bei seinem Rundgang um den Ribbecker Anger herum wusste der Nachtwächter zu jedem Haus etwas zu sagen. Bei der Alten Brennerei verkündete er, dass tatsächlich noch ein Nachfahre der echten von Ribbecks in Ribbeck lebt – und hier Birnenbrände, Liköre und Essig produziert. Wolfgang Wiech: “Nach 1945 wurden die von Ribbecks enteignet, zu DDR-Zeiten sind sie in den Westen gegangen – und nach der Wende zurückgekommen. Sie haben damals versucht, ihr Eigentum zurückzuerhalten. Was nicht funktioniert hat.”
An der alten Gutsscheune machte der Nachtwächter auf ein kreisrundes Loch in der Mauer aufmerksam: “Das sieht man in vielen Dörfern, vor allem in den Kirchtürmen. Nach dem Krieg haben die Befreier in jedem Dorf einen solchen Kanonenschuss abgefeuert, um auf diese Weise zu zeigen, dass der Krieg vorbei ist.”
In der alten Kirche zeigte Wolfgang Wiech einen hier ausgestellten Baumstumpf: “Das ist tatsächlich der originale Birnenbaum aus dem Fontane-Gedicht. Er wurde 1911 bei einem Sturm umgebrochen, dann bis 1945 im Herrenhaus verwahrt. Anschließend war er in der Gaststätte ‘Zum Birnbaum’ auf der anderen Seite der B5 zu sehen. Seit 1997 steht der Birnbaum in der Kirche.”
Mit großer Freude präsentierte der Nachtwächter am Durchgang zum Parkplatz zwei originale Plumpsklos samt hölzerner Herzchentür, die zum damaligen Hof gehört haben: “Das sind noch originale Donnerbalken – und ich bin froh, dass sie noch erhalten sind. Damals ging man bei Wind und Wetter mit der Zeitung unterm Arm zum Kackhäuschen – auch wenn man gar nicht lesen konnte.”
Die kleine Führung endete auf dem Privatfriedhof der von Ribbecks, der über einen schmalen Weg hinter dem Garten von Schloss Ribbeck zu erreichen ist. Der Friedhof wurde anläßlich des tragischen Todes von drei Kindern der Familie von Ribbeck errichtet, die 1893 an der Diphterie gestorben sind. 1994 wurde außerdem ein Gedenkstein für den 1945 im KZ ermordeten Hans Georg Karl Anton von Ribbeck mit aufgestellt. (Text/Fotos: CS)
Homepage vom Nachtwächter: www.nauener-nachtwaechter.beepworld.de.
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 214 (1/2024).
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