Nauen: Unterwegs mit dem Nachtwächter
Wolfgang Wiech (67) ist der Nauener Nachtwächter. Seit zwölf Jahren lädt er Neugierige aus der eigenen Stadt, aber auch aus dem ganzen Havelland und aus Berlin dazu ein, mit ihm durch die Ackerbürgerstadt zu laufen und der Historie der jahrhundertealten Stadt nachzuspüren.
Die Touren, die in der warmen Jahreszeit etwa einmal im Monat stattfinden, gern aber auch individuell für Gruppen (Absprache unter 0151-50909646) vereinbart werden können, tragen Namen wie „Auf den Spuren Fontanes durch Nauen“, „Alte Nauener Straßennamen“, „Kindertour Märchenhaftes Nauen“ oder „Nauener Untergrund“. Wer teilnehmen möchte, zahlt vor Ort eine kleine Spende und stellt sich auf eine Wanderung von etwa anderthalb Stunden Länge ein. Dabei läuft der Nachtwächter im schwarzen Gewand mit Rufhorn, Schlüsselbund und Hellebarde vorweg, um immer wieder einmal anzuhalten und der neugierigen Truppe neue Fakten zu verkünden.
Bei der Tour „Nauener Persönlichkeiten“ geht es um die Prominenten, die Nauen in der Vergangenheit mit ihrer Anwesenheit beehrt haben. 1732 landete so etwa der Kronprinz Friedrich in Nauen. Er wollte sich der strengen Erziehung seines Vaters entziehen, wurde auf der Flucht gefasst, fast zum Tode verurteilt und dann dazu verdonnert, ein Bataillon Soldaten in Nauen zu führen. Drei Monate weilte der Kronprinz in Nauen – und bandelte mit der Tochter des örtlichen Pfarrers an. Wolfgang Wiech: „Der Pfarrer petzte das Verhältnis umgehend an den Potsdamer Hof – und der Kronprinz bekam ordentlich den Kopf gewaschen und wurde nach Ruppin und Rheinsberg strafversetzt. Zum Dank hat der scheidende Kronprinz dann dem Pfarrer und seinen Nachbarn die Fensterscheiben mit Steinen eingeworfen.“
Im Herbst 1906 wollte der Hauptmann von Köpenick eigentlich in Nauen seinen großen Coup landen, so steht es in der offiziellen Gerichtsakte. Nur waren ihm die Funkwellen in Nauen unheimlich. Und so kommt es, dass die halbe Welt inzwischen über Köpenick lacht und nicht über Nauen. 1928 war auch der Eisene Gustav in Nauen unterwegs. Das Zeitalter des Automobils kam auf – und der Eiserne Gustav unternahm eine Abschiedstour mit der Pferdedroschke von Paris bis nach Berlin. Dabei kam er auch nach Nauen und übernachtete in der damaligen Pferdestation in der Goethestraße.
Auch Theodor Fontane war in Nauen unterwegs, anscheinend aber nur auf der Durchreise. Er wollte nach Ketzin und schimpfte in einem seiner Reiseberichte über die schlechten Straßen in Nauen. Na, super. Wolfgang Wiech: „Auch Harald Juhnke war in Nauen. Er hat hier 1995 seinen Film ‚Der Trinker‘ gedreht und wohnte ein paar Tage in der Goethestraße, die damals noch in einem fürchterlichen Zustand war. Ich hab ihn selbst noch gesehen.“
Zwischendurch bleibt auch immer noch genug Zeit für weniger ernste Fakten. Warum Nauen 1695 fast komplett abgebrannt ist? Weil die Magd und der Knecht vom Bauern Hübner so feurig Liebe im Heu gemacht haben, dass dabei das Stroh entflammte. Warum die Nauener Frauen so gern rote Strähnen im Haar haben? Nun, damals wohnte an einer stark befahrenen Kreuzung der Bahnwächter mit seiner rothaarigen Frau und fünf schönen rothaarigen Töchtern. Da dachten die Menschen auf der Durchfahrt, dass alle Nauener rote Haare haben müssen.
Wer mit dem Nachtwächter (www.nauener-nachtwaechter.beepworld.de) auf Tour gehen möchte, hat am 10. Juni Gelegenheit dazu. Um 11 Uhr geht es vom Rathausplatz auf zur historischen Führung durch die Altstadt. Um 13 Uhr startet eine Radfahrt nach Ribbeck auf dem Bahnhofsvorplatz in Nauen. Und um 15 Uhr gibt es eine Ortsführung durch das historische Ribbeck. Der Treffpunkt ist vor dem Lokal Ribbäcker. (Fotos/Text: CS)
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