Amicale Sachsenhausen zu Besuch im Falkenseer Geschichtspark: Neue Informationsstelen im ehemaligen KZ-Außenlager!
Von 1943 bis ’45 gab es in Falkensee ein Außenlager vom Konzentrationslager Sachsenhausen. Die hier gefangen gehaltenen Häftlinge stammten aus acht europäischen Ländern. Sie lebten – gesichert durch Stacheldrahtzaun und SS-Wachen – in einfachen Baracken. Ihre Arbeitskraft wurde in der deutschen Rüstungsindustrie eingesetzt. Zum 78. Jahrestag der Befreiung des Lagers im April 1945 reiste erneut die “Amicale Sachsenhausen” aus Frankreich an – mit den inzwischen erwachsenen Kindern der damals Inhaftierten. Sie zeigten großes Interesse an den sieben neu aufgestellten Informationsstelen.
Der Falkenseer Geschichtspark gleich neben der Geschwister-Scholl-Grundschule lädt zum Joggen und zum Spazierengehen ein. Noch immer wissen aber viel zu wenig Falkenseer, dass der Park seinen Namen aus gutem Grund trägt.
Hier befand sich von 1943 bis 1945 ein Außenlager vom Konzentrationslager Sachsenhausen. Die Häftlinge, die hier einsitzen mussten, wurden zur Zwangsarbeit in der deutschen Rüstungsindustrie gezwungen. Viele starben in den Lagern.
Nach Kriegsende diente das Lager noch als Quarantänelager für Umsiedler, Flüchtlinge und aus der Kriegsgefangenschaft entlassene deutsche Soldaten. 1948 wurde das Lager aufgelöst und abgerissen. Mit viel Mühe und mit Fördermitteln konnte man die alten Wege wieder herrichten, die Bodenplatten der alten Baracken freilegen und die letzte Häftlingsbaracke in Block 7 vor dem Abriss bewahren.
Heute weist eine Gedenkstätte samt Mahnmal auf die Vergangenheit hin. Immer im April reist die “Amicale Sachenhausen” aus Frankreich an, um am Mahnmal Kränze niederzulegen und den Häftlingen von damals zu gedenken – den verstorbenen und auch denen, die überlebt haben.
In der Amicale waren einst Überlebende des Lagers und inzwischen vor allem die Nachfahren der damals Inhaftierten aktiv, um die Erinnerung an die damalige schreckliche Zeit nicht versiegen zu lassen.
Genau dies drohte zu passieren. Im vergangenen Jahr waren so nur noch eine Handvoll Falkenseer am Gedenktag mit dabei, um der Amicale und den Opfern von damals ihren Respekt zu erweisen.
Das war in diesem Jahr wieder anders. Weit über 60 Personen traten am Sonntag, den 23. April 2023, um zehn Uhr den gemeinsamen Weg zum Mahnmal an, um an der Gedenkveranstaltung anlässlich des 78. Jahrestages der Befreiung des KZ-Außenlagers Falkensee teilzunehmen. Mit dabei waren auch Bürgermeister Heiko Müller und Julia Concu als Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung.
André Lassague ist der Generalsekretär der französischen Vereinigung der ehemaligen Häftlinge des Lagers Sachenhausen und der Außenlager. Er ist Sohn eines damaligen Häftlings. Er sagte vor Ort: “Jedes Jahr ist es sehr emotional für uns, hierher zurückzukehren, um der Toten zu gedenken. Wir haben die Pflicht, sie niemals zu vergessen. Ich freue mich, dass uns die Falkenseer auf unserem Weg so treu begleiten. Die neue Ausstellung im Geschichtspark ist ein Zeichen dafür, dass die Falkenseer uns und den Toten des Lagers weiterhin verbunden bleiben.”
Ingo Wellmann, ehemaliger Leiter vom “Haus am Anger” und jetziger Coach von zwei Kunstklassen in der Geschwister-Scholl-Grundschule, übergab eine Mappe mit gemalten Bildern der Schüler an die Amicale: “Ein Denkmal aufzustellen, ist das eine. Etwas anderes ist es aber, gerade die jungen Menschen an das Thema heranzuführen. Aus diesem Grund habe ich heute auch einen meiner Enkel mit dabei.Mit einer dritten und einer fünften Klasse haben wir uns im Geschichtspark umgesehen, uns informiert und zusammen gezeichnet. In den Bildern sieht man, dass das Thema die Kinder beschäftigt. Und sie setzen das auch um. Ich sage: Was man zeichnet, versteht man besser.”
Bürgermeister Heiko Müller legte nach einer Schweigeminute ebenfalls einen Kranz nieder und sagte: “Herzlich willkommen in Falkensee. Es ist schön, dass es noch immer möglich ist, dass wir uns hier treffen, um uns gemeinsam zu erinnern. Aus der damaligen Zeit sind nur noch sehr wenige Zeitzeugen geblieben. Um so wichtiger ist es, hier im Geschichtspark die Dokumentationen anzubieten, um die Erinnerungen am Leben zu erhalten.”
Ganz in diesem Sinne schloss sich an die Gedenkveranstaltung die allererste Präsentation der neuen Informationsstelen “Historischer Ort KZ-Außenlager Falkensee, Gedenk- und Lernort” an. Die Vertreter der französischen Amicale ließen sich die im Geschichtspark aufgestellten Tafeln sehr interessiert zeigen.
Die neuen Stelen waren unter der Schirmherrschaft vom Museum und Galerie Falkensee (www.museum-galerie-falkensee.de) vom “erinnerungslabor” konzipiert worden. Stefanie Wahl hat sich dabei um Konzept und Texte gekümmert, die Gestaltung hat Albrecht Ecke übernommen. Gefördert wurde die neue Ausstellung mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.
Gabriele Helbig erklärte als Leiterin des Museums die einzelnen Stelen: “Es sind sieben Stelen, die im Geschichtspark aufgestellt wurden. Sie durften den eigentlichen Erinnerungsraum nicht beeinträchtigen, deswegen wurde der Platz genau festgelegt, an dem wir sie aufstellen durften. Für die Gestaltung der Informationen auf den Stelen haben wir auf viel neues Material zurückgreifen können. Ein Foto, das wir im Bundesarchiv aufgespürt haben, zeigt so erstmals den elektrisch geladenen, doppelten Stacheldrahtzaun, der das gesamte Lager eingeschlossen hat. Bislang hatten wir nur aus Erzählungen von diesem Zaun gehört. Tatsächlich hat ein deutscher Wachmann private Fotos von der Zaunanlage gemacht; das hätten wir nicht für möglich gehalten. Das Führungs- und Wachpersonal im KZ-Außenlager wurde damals von der SS gestellt. Auf einer Stele stellen wir die einzelnen Verantwortlichen vor. Wir haben lange diskutiert, ob wir die Täter auch zeigen dürfen. Aber dann war uns klar: Ohne Täter keine Opfer.”
Neben den mannshohen Stelen gibt es im Geschichtsparkt (www.geschichte-falkensee.de) auch mehrere flache Infotafeln, auf denen zur Orientierung ein Lageplan mit einer Standortmarkierung abgebildet wurde. Gabriele Helbig: “Hier haben wir als Lageplan ein Luftbild aus dem Jahr 1943 verwendet. Hier kann man am besten die Position der ehemaligen Lagergebäude erkennen und sich entsprechend im Gelände orientieren.”
Schön wäre es, wenn die neuen Stelen nicht gleich wieder beschmiert werden. Auf dass noch mehr Spaziergänger auf ihrem Weg durch den Geschichtspark ein wenig mehr von der unrühmlichen Vergangenheit des Ortes erfahren – und das auch als Verpflichtung begreifen, wie man sich in der Gegenwart verhalten sollte. Bei der nächsten Gedenkfeier im Geschichtspark sieht man dann vielleicht noch ein paar neue Gesichter mehr. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 207 (6/2023).
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