Stromleistung einer Kleinstadt: Ein drittes Rechenzentrum ist an der B5 vor Nauen geplant!
Das Cloud-Computing, die Anwendung von Künstlicher Intelligenz und auch die gerade in Deutschland noch in den Kinderschuhen stehende Digitalisierung sorgen dafür, dass der Bedarf an Computer-Rechenleistung drastisch steigt. Das führt dazu, dass nach dem Logistik-Boom nun ein zweiter Trend im Havelland zu verspüren ist: Inzwischen werden bereits drei riesige Rechenzentren in der Region geplant. Nach Wustermark und Brieselang ist nun auch ein Standort direkt vor den Toren Nauens im Gespräch.
Ohne die entsprechende Computer-Leistung können Streaming-Dienste wie Netflix oder Disney+ nicht arbeiten, lassen sich keine gigantischen Unternehmensdaten mehr in der Cloud abspeichern und klappt auch das Online-Bestellen im virtuellen Ladengeschäft nicht mehr.
Der Bedarf an ultraschneller Computerleistung und richtig viel Speicherplatz sorgt dafür, dass überall auf der Welt sogenannte “Datacenter” aus dem Boden sprießen wie Pilze nach dem Regen. Im Deutschen werden diese Gebäude, in denen Hunderte und Tausende Server stehen, “Rechenzentren” genannt. Weltweit gibt es bereits an die 10.000 dieser Datengiganten – und es werden immer mehr.
Auch in Deutschland steigt der Bedarf. Deutschland ist ein beliebter Standort, weil das Stromnetz sehr stabil ist, Erdbeben selten vorkommen, die Sicherheit zu gewährleisten ist und auch die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften im Land der Bürokratie leicht einzuhalten ist.
In den letzten Monaten wurde bekannt, dass ein riesiges Rechenzentrum direkt in Wustermark entstehen soll, ein zweites ist in Brieselang geplant. Ein drittes soll nun in Nauen gebaut werden – und zwar direkt auf der Ackerfläche zwischen der B5 und der nach Nauen einmündenden B273 (Berliner Straße). Schnell erklärt: Dort, wo der Blitzer an der B5 steht, wird sich vielleicht auf einer 15 Hektar großen Fläche bald ein 28 Meter hohes Rechenzentrum erheben. Das ist rein optisch gesehen eine gewaltige Veränderung in der Sichtachse direkt vor der Ackerbürgerstadt Nauen.
Warum ist das Havelland für die Anbieter von Rechenzentren so interessant? Das liegt an der unmittelbaren Nähe zur Hauptstadt Berlin. Nicht nur die Regierung, sondern auch viele Konzerne haben Interesse an einem schnellen Rechenzentrum in der Nähe – und zwar auf deutschem Boden und unter deutschem Recht.
Außerdem ist das nahe Umspannwerk Wustermark eins der stromsichersten und stärksten Umspannwerke in ganz Deutschland. Hier kommt vor allem der grün gewonnene Strom aus Mecklenburg-Vorpommern an, um ganz Berlin mit Strom zu versorgen. Eine starke Versorgung mit Elektrizität ist wichtig, da ein so großes Rechenzentrum die Stromleistung einer mittleren deutschen Kleinstadt verbraucht.
Das Nauener Rechenzentrum soll von der regionalen AM:PM-Gruppe entwickelt werden. Die Unternehmensgruppe wurde von vier Immobilienunternehmern gegründet: Michael und Patrick Lieberkühn, Thomas Moraux und Andreas Schmidt. Die heutigen Eigentümer würden das baureife Grundstück später an den zukünftigen Bauherrn und Betreiber maincubes (www.maincubes.com) weiterreichen.
maincubes ist eine 2012 gegründete GmbH mit deutscher Eigentümerstruktur. Das Unternehmen plant, pro Jahr ein neues Rechenzentrum fertigzustellen. Eine krasse Leistung, wenn man davon ausgeht, dass der Bau eines Rechenzentrums wenigstens eine Milliarde Euro kostet.
Noch ist der finale Startschuss zum Bau des Nauener Rechenzentrums nicht gegeben.Damit der Bau gelingen kann, muss die Stadtverordnetenversammlung erst noch die rechtswirksame Änderung des Flächennutzungsplans beschließen (voraussichtlich 15.5.2024). Sie bildet die Grundlage für den B-Plan. Nur so kann das angrenzende Gewerbegebiet Ost nach Süden hin erweitert werden. Denn noch gilt die Fläche, die sich die AM:PM-Gruppe da ausgeguckt hat, als Ackerland.
Die Stadt Nauen könnte vom neuen Rechenzentrum gleich drei Mal profitieren. So hat maincubes wohl schon zugesichert, den Sitz der Betreibergesellschaft in Nauen zu wählen. Gemäß einer Schätzung der “German Data Association” könnte die Stadt Nauen pro 100 Megawatt Anschlussleistung mit rund 1,8 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen pro Jahr rechnen. Und in Nauen sind langfristig sogar 200 Megawatt vorgesehen. Das wären 3,6 Millionen Euro im Jahr zzusätzliche Steuereinnahmen, wovon ein Großteil der Stadt Nauen zugutekommen wird.
Und dann geht es ja auch noch um die Abwärme. Die Computer im Rechenzentrum erzeugen im laufenden Betrieb rund um die Uhr eine ungeheure Menge Wärme, die das Rechenzentrum nicht einfach in die Umwelt abstrahlen darf. Aus diesem Grund sind die Betreiber gern bereit, die Wärme kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Und wer könnte die Wärme nutzen? Die Stadt Nauen, die ja wie alle anderen Kommunen in Deutschland damit beauftragt ist, eine eigene Wärmeplanung zu erstellen. Nauens Bauamtsleiter Gunther App sieht bereits das nahe Gewerbezentrum an die neu entstehende Wärmeleitung angeschlossen: “Und ich habe bereits die Vision von einem beheizten Stadtbad im Kopf.”
Vor Ort entstehen bei einer Realisierung auch über hundert neue Arbeitsstellen. Da geht es um hochwertige IT-Plätze, aber auch um Sicherheitsdienstleistungen, viele Stellen im Gebäudemanagement und um die Wartung der Technik.
Die Planungen rund um das neue Rechenzentrum stehen noch am Anfang. Es gab einen Aufstellungsbeschluss, nun geht es darum, die Bürger zu beteiligen, bevor es zu einem Abwägungsverfahren, einer Rechtsprüfung, dem Beschluss des B-Plans und zur finalen Festsetzung kommt.
Vom 26.03 bis 29.04 fand die “frühzeitige Beteiligung der Bürger” statt, die am 22.04.2024 im Ratshaussitzungssaal in Nauen durch eine Bürgerinformationsveranstaltung unterstützt worden ist.
Den aktuellen Plänen nach soll es auf dem “Hochsicherheitsgelände” später einmal sechs große Datenhallen geben, die jeweils drei Stockwerke à sieben Meter hoch sind. Jede Halle misst demnach bis zu 28 Meter Höhe. Das liegt vor allem an den Kühlaggregaten, die über den Servern installiert werden müssen, um Wärme abzuführen. Ein eigenes Umspannwerk, ein Bürogebäude für die Mitarbeiter vor Ort und ein Pförtnergebäude runden den “Campus” ab, der von der B5 und der B 273 aus durch einen Baumbestand zumindest rudimentär versteckt werden soll.
Das Rechenzentrum, das zu 30 Prozent aus Beton und zu 70 Prozent aus Technik bestehen soll, würde nach der Fertigstellung nur die korrespondierende Technik anbieten. Die Computer-Server selbst, die später einmal im Rechenzentrum brummen und summen werden, bringen nämlich die späteren Mieter selbst mit.
Wann könnte es losgehen mit dem Nauener Rechenzentrum? Wenn alles glatt läuft, ist der B-Plan in anderthalb Jahren erfolgreich geändert. Die anschließende Bauphase würde dann noch einmal gute 18 Monate dauern. Es dauert also noch, bis Nauens Rechenleistung plötzlich ins Unermessliche steigt. (Text/Foto: CS / Visualisierungen: TTSP HWP Consultans GmbH)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 218 (5/2024).
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