Gefahr Herzinfarkt: Exklusivinterview mit Professor Martin Stockburger von den Havelland Kliniken!
Professor Dr. med. Martin Stockburger (60) ist Internist und Kardiologe. Seit dem Jahr 2012 leitet er die Medizinische Klinik 1 in den Havelland Kliniken. Sein Hauptaugenmerk liegt in der lebensrettenden Behandlung von Patienten mit einem Herzinfarkt. Am Standort Nauen (www.havelland-kliniken.de) steht seinem Team so etwa eine moderne Herzkatheterversorgung zur Verfügung. Dr. Stockburger weist auf Risikofaktoren hin, die einen Herzinfarkt hervorrufen können, erklärt die Symptome eines Herzinfarkts und wirbt für eine lückenlose Zusammenarbeit zwischen dem Notarzt und der angefahrenen Klinik. (ANZEIGE)
Lieber Herr Professor Stockburger, können Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang erzählen?
Prof. Martin Stockburger: “Meine berufliche Laufbahn nahm am Herzzentrum in Bad Oeynhausen ihren Ursprung. Nach Stationen in Bielefeld und im Deutschen Herzzentrum Berlin war ich von 2001 bis 2011 bereichsleitender Oberarzt für Rhythmologie, Herzschrittmachertherapie und für den Herzkatheter an der Charité am Campus Virchow Klinikum.
Seit 2012 leite ich die Kardiologie in den Havelland Kliniken. Hier bieten wir eine kompetente Kardiologie für die Akutnotfallbehandlung von Herzpatienten, aber auch für die differenzierte geplante Behandlung zum Beispiel von Herzrhythmuspatienten. Wir setzen Herzschrittmacher und Defibrillatoren jeder Art ein, veröden Herzgewebe bei Herzrhythmusstörungen und beseitigen Verstopfungen der Herzarterien mit Ballon- und Stentmethoden.
Außerdem bin ich Vorsitzender des Vorstandes für das ‘Berlin-Brandenburger Herzinfarktregister’. Das ist ein Verein, der die Behandlungszeiten und den Behandlungserfolg von Herzinfarkten in den Brandenburger und Berliner Krankenhäusern erfasst.”
Im Herzbericht der Deutschen Herzstiftung, der das Auftreten und die Behandlung von Herzerkrankungen in Deutschland dokumentiert, ist zu lesen, dass gerade die ostdeutschen Bundesländer, darunter auch Brandenburg und Berlin, eine sehr hohe Sterblichkeitsrate in Bezug auf den Herzinfarkt aufweisen.
Prof. Martin Stockburger: “Das muss uns natürlich beunruhigen. Und wir fragen uns: Was sind die Ursachen? Aufgrund unserer guten Datenlage können wir klar sagen, dass dies nicht an der Behandlung der Herzinfarkt-Patienten im Krankenhaus liegt. Der wahre Grund ist der, dass die Risikofaktoren, die einen Herzinfarkt hervorrufen, in der ostdeutschen Bevölkerung eben stärker ausgeprägt sind.”
Um welche Risikofaktoren handelt es sich dabei?
Prof. Martin Stockburger: “Nach unseren Erhebungen haben 78 Prozent der Patienten, die in Brandenburg mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus kommen, einen hohen Blutdruck. Fast drei Viertel der Patienten sind übergewichtig oder adipös. Ein Drittel der Patienten hat Diabetes. 30 Prozent der Betroffenen sind Raucher.”
Was ist überhaupt ein Herzinfarkt und wie entsteht er?
Prof. Martin Stockburger: “Bei einem akuten Herzinfarkt ist eine Herzkranzarterie, also die Versorgungsleitung zum Herzmuskel, verschlossen. Der Verschluss der Ader besteht aus Fett, Gerinnsel und Kalk. Wir beseitigen den Verschluss mit der Hilfe eines Ballons oder eines Stents. Tun wir das nicht rechtzeitig, stirbt der Teil des Herzmuskels ab, der vom verschlossenen Gefäß versorgt wird. In diesem Fall wird der Patient, so er denn überlebt, Zeit seines Lebens eine Herzschwäche haben – und stark gefährdet sein, vorzeitig zu sterben.”
Wie sollte die Vorgehensweise sein, wenn jemand einen Herzinfarkt hat?
Prof. Martin Stockburger: „Wir müssen eine eng verzahnte Zusammenarbeit zwischen dem Rettungsdienst und dem Krankenhaus ermöglichen, und das trotz der großen Distanzen, die wir hier im Land Brandenburg und im Landkreis Havelland überbrücken müssen. Das funktioniert am besten, wenn der Notarzt bereits vor Ort eine Diagnose stellt, gern unter Zuhilfenahme einer telemedizinischen EKG-Übertragung zum Krankenhaus. So kann das Herzkatheter-Team schon einsatzbereit vor Ort sein, wenn der Notarzt mit seinem Patienten am Krankenhaus eintrifft. Wir streben an, dass zwischen dem Symptombeginn des Patienten und der Wiedereröffnung des Gefäßes weniger als 90 Minuten liegen.“
Wie kommt es, dass gerade jüngere Menschen die Symptome, die sie haben, oft gar nicht einem Herzinfarkt zuordnen können?
Prof. Martin Stockburger: “Sie empfinden oft eine Art Luftmangel oder ein Brennen, das hinter dem Brustbein lokalisiert ist und in die Schulter oder in den Arm ausstrahlt. Es können aber auch Schmerzen in der Magengrube oder im Unterkiefer auftreten, die sehr unangenehm sind. Oft unterschätzen die Menschen die Schmerzen und rufen keinen Rettungsdienst. Mitunter werden auch erst noch alltägliche Verpflichtungen erledigt, also etwa der Hund gefüttert. Wir führen aus diesem Grund in jedem Jahr im Rahmen der Herzwoche Infoveranstaltungen durch, um die Bevölkerung aufzuklären. Denn wenn die Menschen wissen, wie sich ein Herzinfarkt anfühlt, können sie auch schnell reagieren. Denn wer rechtzeitig den Rettungsdienst verständigt und die Rettungskette erreicht, hat auch gute Chancen, den Herzinfarkt zu überleben.”
Wer mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus kommt, hat aber noch immer eine Sterblichkeit von 7 bis 8 Prozent.
Prof. Martin Stockburger: “Das sollte man von der anderen Seite betrachten. Erreicht der Patient mit einem Herzinfarkt das Krankenhaus, überlebt er auf jeden Fall mit einer über 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit. Das ist doch eine sehr hohe Zahl. Vor 20, 25 Jahren lag die Sterblichkeit bei 15 Prozent, sie hat sich also halbiert.”
Haben Frauen und Männer gleich häufig einen Herzinfarkt?
Prof. Martin Stockburger: “Zwei Drittel aller Patienten mit einem Herzinfarkt sind Männer, nur ein Drittel Frauen. Allerdings ist es so, dass Frauen ein höheres Risiko haben, an dem Herzinfarkt auch zu versterben – selbst wenn sie das Krankenhaus lebend erreicht haben. Das kann an ihrer Anatomie liegen, etwa an kleineren Gefäßen, die sich damit auch schwieriger behandeln lassen. Hinzu kommt, dass Frauen mitunter erst später auf ihre Symptome reagieren, da sie diese oft nicht klar einem Herzinfarkt zuordnen können.”
Gibt es in jedem Krankenhaus eine Herzkatheterversorung?
Prof. Martin Stockburger: “Nein, denn diese Technik ist sehr teuer und benötigt eine umfangreiche Logistik sowie genügend geschultes Personal. Man braucht drei bis vier Kardiologen, um ein solches Angebot rund um die Uhr vorzuhalten.
Ein Problem in Brandenburg ist es durchaus, dass ein Patient mit einem Herzinfarkt in ein Krankenhaus gefahren wird, das gar keinen Herzkatheter hat.
In knapp zwanzig Prozent aller Fälle kommt es deswegen zu einer sogenannten Sekundärverlegung, bei der der Patient in ein anderes Krankenhaus verlegt wird, das die Herzkatheter-Untersuchung durchführen kann. Diese Prozentzahl wird man nie auf Null bekommen, weil die Patienten etwa in Gransee oder in Rathenow mitunter selbstständig die Notfallversorgung aufsuchen – und nach der Diagnose verlegt werden müssen.
Aber wir müssen die Notärzte unterweisen, dass sie einen Patienten mit Herzinfarkt gleich in eine Klinik mit Herzkatheter fahren lassen, auch wenn der Weg vielleicht etwas weiter ist.
Tatsächlich schaffen wir es aber, dass drei Viertel der Menschen mit einem akuten großen Herzinfarkt innerhalb von nur einer Stunde eine rettende Herzkatheteruntersuchung erhalten.” (Text: PH,CS / Fotos: Patrick Hückstädt)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 215 (2/2024).
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