Spandauer Laternen liefern bald Strom für Elektroautos!
Berlin ist eine Stadt der Elektroautos. Seit 2020 hat sich ihre Zahl verdoppelt, inzwischen rollen bereits 46.000 Stromer flüsterleise durch die Metropole. Die 12.000 vorhandenen Ladepunkte sind allerdings größtenteils in privater Hand. Wo können die E-Autos also aufgeladen werden, wenn man keinen eigenen Carport mit Wallbox besitzt? Eine Lösung könnte es sein, ganz normale Straßenlaternen zu Ladepunkten zu machen. Spandau steigt nun in das Pilotprojekt “ElMobileBerlin” mit ein.
Viele Besitzer eines E-Autos haben das Problem: Wo lässt sich die Batterie des eigenen Wagens wieder aufladen, wenn die verbleibende Kapazität sich langsam der Nulllinie annähert? Wer keine eigene Wallbox auf dem Grundstück hat, ist zwingend auf öffentliche Ladesäulen angewiesen. Die sind aber immer häufiger belegt.
Aus diesem Grund gibt es die schlaue Idee, aus ganz normalen Straßenlaternen neue Laternenladepunkte zu machen, die sich am besten über Nacht verwenden lassen. Da hängt man sein Auto einfach für ein paar Stunden an die Laterne – und fährt morgens mit neuer Akkuleistung einfach wieder weiter.
Um genau diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, haben sich das Unternehmen ubitricity (www.ubitricity.com/de/) und die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (SenUMVK) die Hand gereicht. ubitricity ist übrigens eine Tochter der Shell-Gruppe. Sie entwickelt Ladelösungen für Elektrofahrzeuge – und betreibt sie auch.
Eine bereits eingesetzte Lösung für Berlin nennt sich „Heinz“. Dabei handelt es sich um eine schmale Ladesäule, die sich an eine Straßenlaterne anflanschen lässt. Im Rahmen eines vom Bund geförderten Forschungsprojekts sollen zunächst eintausend neue Ladepunkte in Berlin installiert werden – und zwar vor allem in den Außenbezirken. Eben genau dort, wo die Berliner leben und schlafen.
Die ersten 200 Ladepunkte waren für die Ortsteile Marzahn-Hellersdorf und Steglitz-Zehlendorf vorgesehen. Die Kosten von knapp sieben Millionen Euro hat komplett der Bund über das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beigesteuert, sodass sich Berlin nicht einmal beteiligen musste.
Teuer wurde das Pilotprojekt leider auch, weil sich längst nicht alle Straßenlaternen für “Heinz” eignen: Etwa die Hälfte der Laternen muss ausgetauscht werden. Bei den Laternen, die “Heinz” wie einen Rucksack schultern können, ist das Modul allerdings in knapp einer Stunde installiert.
Für Steglitz-Zehlendorf standen etwa die Straßen Am Großen Wannsee, Anhaltiner Straße, Berlepschstraße, Hohentwielsteig, Sophie-Charlotte-Straße, Stewardstraße, Taylorstraße und Windsteiner Weg mit auf der To-Do-Liste der neuen Laternen-Ladeinfrastruktur.
Wir von “Unser Havelland” haben uns die bereits bestehenden “Heinz”-Aufbauten in der Moltkestraße in Steglitz-Zehlendorf einmal genauer angesehen. Tatsächlich sind die Strom-Module schon von weitem gut erkennbar. Es handelt sich bei “Heinz” um schmale Module mit einem kleinen Display und mit einer runden Öffnung, in die sich das klassische Ladekabel einstecken lässt, das die E-Auto-Fahrer im Kofferraum mit sich führen.
Bezahlt wird mit einer Karte oder über das Handy – eine aufgedruckte Anweisung erklärt genau, wie der Kontakt zwischen der Ladesäule und dem Auto hergestellt wird. Den Strom – übrigens komplett aus erneuerbaren Energien – stellt die Shell Energy Retail GmbH.
Ein erstes Problem mit “Heinz” zeigte sich bereits in der Moltkestraße: Sämtliche Parkplätze neben den Laternen waren tagsüber belegt. Hier parkten allerdings keine E-Autos, sondern klassische Verbrenner. Es war für einen ersten Test nicht möglich, das Redaktions-E-Auto so abzustellen, dass die Länge des Stromkabels ausreicht, um den Kontakt mit der Laterne herzustellen. Siehe da: Die Lösung ist so nah, liegt aber zugleich in weiter Ferne. Um die “Heinz”-Ladepunkte nutzen zu können, muss demnach ein Parkplatz frei sein! Vielleicht wäre es nicht schlecht, die neuen Ladepunkte zu fördern, indem die Parkplätze in ihrer Nähe ausschließlich für Elektroautos freigegeben werden?
Ein zweites Problem ist, dass die Laternen in der Moltkestraße nur eine maximale Ladeaufnahme von 3,7 kWh bieten. Während der E-Autobesitzer nachts friedlich schlummert, wandern im Schnitt nur 22 Kilowattstunden in die Batterie der E-Autos. Das reicht für etwas mehr als einhundert gefahrene Kilometer. Bei einem Preis von 42 Cent/kWh (Stand Oktober 22) kämen auf den Autofahrer Kosten in einer Höhe von 9,24 Euro zu.
Nun geht der Ausbau weiter. Das Bezirksamt Spandau meldete im Februar 2023: In Spandau werden bis Ende des Jahres mindestens 50 Straßenlaternen mit Ladeeinrichtungen für Elektroautos aufgerüstet. Auf Initiative von Bezirksstadtrat Thorsten Schatz hin steigt der Bezirk in das Pilotprojekt „EIMobileBerlin“ ein.
Baustadtrat Thorsten Schatz führt dazu aus: “Gerade in den Außenbezirken hat der Senat bisher zu wenig für die Elektromobilität getan. Ohne eine notwendige Infrastruktur ist für viele Menschen ein Wechsel zum Elektroauto undenkbar. Daher freut es mich, dass ich das Pilotprojekt EIMobileBerlin für Spandau gewinnen konnte.Wenn die Verkehrssenatorin an ihrem Ziel festhält, dass ab 2030 nur noch E-Autos in die Innenstadt fahren dürfen, muss mehr vom Senat für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und des ÖPNVs getan werden. Die individuelle Mobilität darf nicht zu einer sozialen Frage werden. Daher können die 50 Laternenladepunkte nur ein erster Baustein sein.”
Allerdings gibt es zurzeit nur eine Verlautbarung über das Vorhaben, Laternen zu Ladepunkten umzubauen. Noch kann aber niemand benennen, wo diese Laternen am Ende stehen werden. Baustadtrat Thorsten Schatz: “Wir stehen aktuell noch am Anfang, daher gibt es bisher noch keine konkreten Standorte. Der Senat und der Bezirk müssen vorerst gemeinsam potenzielle Laternenladestandorte ermitteln und prüfen. Ob wir in Spandau mit Ubitricity zusammenarbeiten werden und welche Ladesäule zum Einsatz kommt, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Das Projekt ‘ElMobileBerlin’ wird über das ‘Sofortprogramm Saubere Luft’ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und finanziert.”
Auch in Spandau muss man sich die vorhandenen Laternen ganz genau ansehen. Thorsten Schatz: “Nicht jede Laterne eignet sich als Strom-Tankstelle. Wenn aber, wie größtenteils in Berlin, eine Straßenlaterne mit einem eigenen Kabel an das Stromnetz angeschlossen sind, gestaltet sich die Umrüstung von Straßenlaternen zu Ladestationen im Allgemeinen als nicht schwierig.” (Text/Fotos: CS, Porträt: Bezirksamt Spandau)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 204 (3/2023).
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