Über 80 Personen singen gemeinsam im “Popchor Spandau”!
Auf dem großen Fest “30 Jahre Landkreis Havelland” stand der “Popchor Spandau” auf der Freilichtbühne vor dem Schloss Ribbeck – und überzeugte die Gäste mit einer ganz ungewöhnlich modernen Vorstellung. Gesungen wurden bekannte Pop- und Rocksongs aus den Charts. Die Zuhörer waren begeistert. Grund genug, den Chor einmal zu besuchen.
Im Februar 2019 wurde der “Popchor Spandau” gegründet. Nicht aus einer singenden Tradition heraus, sondern mit einem ganz konkreten Auftrag.
Oliver Seidel (36): “Ich bin Beauftragter für Popularmusik im Kirchenkreis Berlin-Spandau, Kreiskantor und in dieser Funktion auch der Chorleiter vom Popchor Spandau. Der Auslöser für die Gründung des Chors war im Grunde genommen meine Stelle, die von der Kirche extra für einen Popularmusiker geschaffen wurde. Meine Aufgabe ist es ganz konkret, die jüngere Zielgruppe in der Region über die Band- und Chorarbeit anzusprechen und zu fördern. Aus diesem Grund habe ich dann umgehend versucht, einen Popchor zu gründen.”
Wie gründet man einen Chor, wenn zwar der Name bereits feststeht, aber man noch gar keine Leute hat, die gern mitsingen möchten? Oliver Seidel: “Wir haben einen Workshop ins Leben gerufen und dafür viel Werbung in Spandau gemacht. Gesucht wurden von uns ganz gezielt Leute in der Altersstruktur 20 bis 40, die Lust dazu haben, regelmäßig in einem Chor mitzusingen. Tatsächlich fanden sich gleich 55 potenzielle Chor-Mitglieder vor Ort ein. Wir haben einen ganzen Tag lang zusammen gesungen. Am Ende sind 40 Leute in den Chor eingetreten. Das war natürlich ein toller Start.”
Die Altersstruktur 18 bis 49 soll möglichst beibehalten werden. Oliver Seidel: “Es geht uns vor allem um die gesangliche Erfahrung, um die Qualität des Gesangs und auch um die zwischenmenschlichen Dinge – ob neue Mitglieder wohl gut zu unserer eingeschworenen Truppe passen. Stimmt alles, ist es nicht so schlimm, wenn jemand ein bisschen älter oder jünger ist.”
Der Chor geht ziemlich “streng” vor, sobald es um neue Mitglieder geht. Zwei Mal im Jahr gibt es feste Casting-Termine. Am 10. Januar fand das letzte Casting statt, gesucht wurden weitere Bass- und Tenor-Stimmen.
Oliver Seidel: “Das mit dem Casting klingt sehr streng, es hat aber auch seinen Grund. Wichtig ist uns nämlich, dass wir in der uns zur Verfügung stehenden Zeit proben können, ohne dass dabei immer wieder neue Leute zu den Proben kommen und den Ablauf unterbrechen. Und dann haben wir auch einen gewissen Anspruch. Deswegen machen wir für ein Casting feste Termine und entscheiden anschließend, wen wir aufnehmen. So wachsen wir langsam als Chorgemeinschaft zusammen. Bei unserem letzten Casting im Januar kamen 17 Leute vorbei – und wir haben auf diese Weise fünf neue Männer- und sieben neue Frauenstimmen gewonnen.”
Wer Mitglied im Chor wird, zahlt einen Beitrag von sechs Euro im Monat. Oliver Seidel selbst wird als Chorleiter direkt von der Kirche bezahlt: “Das Geld geht also nicht an mich, sondern wir verwenden es für Noten, für Equipment, für die Planung von Events und Veranstaltungen und auch für die Bezahlung von freiberuflichen Musikern, die uns auf unseren Auftritten begleiten.”
Der Chor singt neben Pop- und Rockmusik übrigens auch Gospel-Songs. Gesungen werden Klassiker wie “Wade in the Water”, aber auch moderne Gospel-Arrangements, sogar aus dem deutsch-christlichen Bereich.
Zum Repertoire des Chors gehören etwa 80 Pop- und Rocknummern, die bereits in den letzten Jahren gemeinsam gesungen wurden.
Oliver Seidel: “In erster Linie kümmere ich mich um das Repertoire und suche die passenden Songs heraus. Aber einmal im Jahr können die Chormitglieder aber eigene Vorschläge unterbreiten und zwar jeweils drei Songs. Ich habe dann die wundervolle Aufgabe, mir über hundert neue Songs anzuhören, um zu überlegen, ob man sie im Chor auf die Bühne bringen kann. Aus den Liedern, die übrig bleiben, forme ich eine Liste – und über die wird gemeinschaftlich abgestimmt. Das bedeutet: Der Chor hat einmal im Jahr die Macht. Die Lieder, die am Ende übrig bleiben, die singen wir auch. Meine Aufgabe ist es natürlich auch, für einen guten Mix zu sorgen – ein bisschen Gospel, ein bisschen Popmusik und ein bisschen Rockmusik. Dabei muss das Gleichgewicht zwischen Balladen und schnellen Nummern stimmen.”
Der “Popchor Spandau” macht seinem Namen alle Ehre und singt u.a. “In diesem Moment” von Roger Cicero, “Don’t Stop Me Now” von Queen, “Believer” von Imagine Dragons oder “Rain On Me” von Lady Gaga.
Was ist die Schwierigkeit, wenn man einen Pop-Song auf einmal mit mehreren Stimmen singt?
Oliver Seidel: “Man muss vor allen Dingen den Stimmen den Song beibringen, die nicht die Melodie singen. Alle kennen bei den bewährten Klassikern die Radiovariante und singen in der Folge so, wie Freddie Mercury eben auch das Lied singt. Dem Bass, dem Tenor oder dem Alt zu vermitteln, dass sie ihre Stimme halten sollen, egal, was die Melodie gerade macht, das ist relativ schwer. Hinzu kommt meine Vorstellung als Chorleiter. Ich gebe vor, wie dynamisch oder perkussiv ich die Melodie oder Aussprache hören möchte. Das deckt sich dann vielleicht nicht mit dem Bild, was der Sänger von dem Lied hat. Da kommen die Sänger manchmal an ihre Grenzen. Aber da müssen sie durch.”
Auch wenn der Chor inzwischen bis zu 80 Köpfe groß ist: Nicht bei jedem Auftritt können alle Mitglieder mit dabei sein. So groß sind manche Bühnen ja gar nicht.
Oliver Seidel: “Wenn wir etwa in einem Seniorenheim singen, dann werden wir mitunter schon gefragt: Mit wie vielen Leuten kommt ihr denn? Wir machen natürlich Umfragen im Vorfeld: Wer kann denn eigentlich? Bislang hat es immer gut geklappt – und niemand musste ausgeschlossen werden. Aber wir machen uns schon ein bisschen Sorgen. Wir haben übrigens auch keinen Tourbus. Wenn wir einen Auftritt haben wie den zu 30 Jahre Landkreis Havelland in Ribbeck, bilden wir Fahrgemeinschaften.”
In diesem Jahr stehen für den Popchor alleine acht Auftritte bis zum Sommer an, die auf der Homepage (www.popchor-spandau.de) beworben werden. Auch eine erste Chorfahrt – zum Großvätersee – steht an. Oliver Seidel: “Da wir in diesem Bereich schon erste Kontakte geknüpft haben, wäre es ein kleiner Wunsch von uns, einmal im Berliner Dom aufzutreten. Im letzten Jahr durften wir bereits in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche singen.”
Worauf ist der Chorleiter besonders stolz? Oliver Seidel: “Ich bin stolz darauf, dass wir noch immer so eine tolle Stimmung im Chor haben. Wir haben eine gute Gemeinschaft und gehören zusammen. Stolz bin ich, dass wir uns auch qualitativ als Chor sehr weiterentwickelt haben. Wir haben klare Ziele und möchten in Zukunft auch an Wettbewerben teilnehmen. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 215 (2/2024).
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