Briefmarken & Münzen An- und Verkauf Sven Tächl in Spandau: Gibt es noch Sammler für Briefmarken und Münzen?
Stunde um Stunde hat so mancher Großvater liebevoll seine Briefmarken mit der Pinzette sortiert oder seine Münzen auf Hochglanz poliert. Später landet diese Sammlung meist in der Erbmasse. Die Hinterbliebenen fragen sich: Ist die Kollektion wohl etwas wert? Kenner Sven Tächl (54) aus Spandau warnt vor falschen Erwartungen und verweist auf mangelnde Nachfrage. (ANZEIGE)
Wie konnte es nur so weit kommen? Galt das Briefmarken- und Münzensammeln vor zwei, drei Generationen noch als ganz normale Beschäftigung, so fällt es der Jugend heutzutage schwer, sich für dieses Hobby zu begeistern.
Das weiß auch Sven Tächl, der in der Spandauer Altstadt das Ladengeschäft “Briefmarken & Münzen An- und Verkauf” betreibt: “Das Briefmarkengeschäft hier in der Altstadt, das gibt es schon ewig und drei Tage. Mein Vater hat es 2005 vom Gründer übernommen. Als mein Vater 2009 gestorben ist, habe ich das Geschäft weitergeführt. Ich bin selbst seit April 1992 im Business tätig und hatte vorher Ladengeschäfte in Schöneweide und im Forum Köpenick. Früher gab es 50 bis 60 Briefmarken-Geschäfte in Berlin, heute sind es vielleicht noch fünf bis sechs. Das sagt doch alles. Wenn es hochkommt, habe ich an einem Tag zehn Kunden in meinem Laden. Aber solange es sich noch irgendwie rechnet, mache ich weiter. Ich weiß auf jeden Fall, dass meine Tochter das Geschäft später einmal nicht übernehmen wird. Das Sammeln von Briefmarken ist hier in Deutschland leider eine aussterbende Geschichte. In anderen Ländern mag das noch anders sein.”
Klar ist, dass vor allem die Älteren Spaß am Briefmarkensammeln haben. Und hier sind es zu 95 Prozent die Männer. Sven Tächl: “Die echten Sammler, die zu mir kommen, fragen entweder nach ganz neuen Marken, nach sehr speziellen Nischengebieten oder aber nach unsortierten Dachbodenfunden, die ihnen viel Arbeit beim Sortieren machen und deswegen für einen guten Zeitvertreib sorgen. Die meisten Sammler haben das klassische Sammelgebiet Deutschland bereits vollständig. Ich sage mal, alles an Briefmarken von der Nachkriegszeit an verkauft sich nicht mehr. Briefmarken von den 60er Jahren bis zur Jahrtausendwende sind nahezu unverkäuflich. Was natürlich ganz klar an der nicht vorhandenen Nachfrage und auch an den hohen Briefmarkenauflagen dieser Zeit liegt. Es gibt immer weniger Sammler.”
Gern schaut sich Sven Tächl eine geerbte Sammlung einmal an. Manchmal kauft er auch eine an: “Dann muss ich aber irgendetwas in der Sammlung entdecken, was mich reizt. Auf jeden Fall erzielt man heute nicht mehr die Preise, die in den jährlich neu aufgelegten Sammlerkatalogen wie etwa im ‘Michel’ genannt werden. Briefmarken sind eben leider nicht mehr die Aktien des kleinen Mannes, wie das früher einmal der Fall gewesen ist. Generell lassen sich Münzen besser verkaufen, weil sie eben meist auch einen reinen Geldwert haben. Die Münzensammler sind oft auch noch etwas jünger als die Briefmarkensammler.”
In seinem 60 Quadratmeter großen Ladengeschäft ist jeder Winkel vollgestopft mit Ware. Sven Tächl: “Die Sammler kaufen bei mir Alben, Münzboxen, Lupen, Tauchbäder und das ganze sonstige Zubehör, was für das Sammeln benötigt wird.
Mitunter bekommt es der Briefmarkenprofi mit, wie ein Großvater versucht, den jungen Enkel vom papiernen Hobby zu begeistern: “Das geht meistens so ein, zwei Wochen lang gut. Aber dann finden die Kinder keine Gleichaltrigen, die sich ebenfalls für das Hobby interessieren, und geben wieder auf. Immer nur mit dem Opa Briefmarken zu sortieren, das ist einfach zu langweilig. Zumal es gerade für Kinder und Jugendliche heutzutage so unglaublich viel Abwechslung gibt, dass Briefmarken da als Hobby nur schwer mithalten können. Hinzu kommt, dass sich die Zeiten gewandelt haben. Briefmarken werden heute oft als sterile Infoaufkleber aus dem Internet ausgedruckt. Firmen nutzen bei ihrer Post statt Briefmarken einen Freistempler. Und generell gilt doch heute: Man telefoniert und verschickt E-Mails, aber man schreibt keine Briefe. Ich sage immer: Man verschickt keine Liebesbriefe mehr und macht per SMS Schluss. Wo soll der Nachwuchs denn da noch mit Briefmarken in Berührung kommen? Briefmarken haben in unserem Alltag nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher.”
Ein wenig mehr Hoffnung steckt im Thema Münzen. Sven Tächl: “Hier hat natürlich inbesondere die Einführung des Euro noch einmal die Lust am Sammeln beflügelt. Viele Familien haben sich ein Sammelalbum besorgt und versucht, alle Münzen der einzelnen Euroländer aus dem täglichen Kleingeld zu fischen. Insbesondere bei den 2-Euro-Münzen gibt es immer wieder neue Motive, die das Sammeln lohnen. Tatsächlich kann ich hier nicht nur mit den verschiedenen Sammelordnern und Boxen aushelfen, sondern habe auch die entsprechenden Münzen vor Ort, die nötig sind, um eine Sammlung zu vervollständigen. Eine hohe Nachfrage gibt es bei mir zurzeit etwa nach dem kompletten Euro-Satz von Kroatien.”
Die kroatischen Euromünzen wurden erst mit dem aktuellen Euro-Beitritt Kroatiens zum 1. Januar 2023 in Umlauf gebracht. Da sich diese Münzen noch so gut wie gar nicht im Euro-Raum verbreitet haben, lohnt es sich schon, in Spandau an die Ladentür zu klopfen, um sich ein funkelndes Set Münzen im Tütchen abzuholen.
Sven Tächl: “Bei den Euro-Münzen ist es natürlich von Vorteil, dass sich die Münzen einfach ausgeben lassen, sobald das Sammeln keine Freude mehr macht.”
Einen Grund dafür, warum die Sammelfreude bei den Menschen immer mehr nachlässt, sieht Sven Tächl auch in unserer schnelllebigen Zeit: “Heute hat doch niemand mehr die Geduld, um eine Sammlung ganz langsam aufzubauen. Neue Dinge sind bei Amazon heute per Mausklick bestellt und morgen geliefert. Gebrauchte Sammlerstücke lassen sich weltweit bei eBay ersteigern. Da fehlt die Freude, wenn man eine lang gesuchte Briefmarke dann doch nach Jahren auf einem Sammlertreff oder in einem Geschäft wie meinem findet. Schade ist das Aussterben der Briefmarkensammler übrigens auch, weil damit Wissen verloren geht. Die klassische Briefmarke hat Insekten vorgestellt, an bedeutende Persönlichkeiten erinnert oder Ereignisse der Zeitgeschichte gefeiert.”
Aber auch im Briefmarkengeschäft ist Platz für Überraschungen: “Zu uns kam letztens ein Zauberer, der brauchte Münzen für seine Zaubertricks.” (Text/Fotos: CS)
Info: Briefmarken & Münzen An- und Verkauf Sven Tächl, Carl-Schurz-Straße 61, 13597 Berlin, Tel.: 030-3337951
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 204 (3/2023).
Seitenabrufe seit 12.03.2023:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige