Minister Steinbach im Jobcenter Nauen: Das Bürgergeld ist da!
Hartz IV gibt es nicht mehr, es wurde Anfang Januar vom neuen Bürgergeld abgelöst. Wer nun bedürftig ist, bekommt ab sofort sogar etwas mehr Geld ausbezahlt als vorher – und muss nicht mehr so viel Druck fürchten. Die erforderliche Umstellung der Software war im Havelland allerdings alles andere als einfach. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach schaute persönlich am 6. Januar im Jobcenter Nauen vorbei, um sich zu informieren, wie der Wechsel zum Bürgergeld geglückt ist.
In den meisten Fällen in Deutschland wird ein Jobcenter direkt von der Arbeitsagentur geführt. In diesen Einrichtungen erfolgte die Umstellung der Software für die Erfassung neuer Bürgergeld-Anträge beim Jahreswechsel ganz automatisch. Im Dezember 2022 wurde noch Hartz IV (Arbeitslosengeld II) ausbezahlt, im Januar 2023 wechselte das System von allein zum neuen Bürgergeld. Das gilt allerdings nicht für die Jobcenter, die von den Kommunen selbst geleitet werden. Im Landkreis Havelland ist genau dies der Fall: Für die Jobcenter in Nauen, Falkensee und Rathenow ist der Landkreis selbst verantwortlich.
Um zu schauen, ob der Bürgergeld-Start auch hier gelungen ist, schaute Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) zusammen mit Landrat Roger Lewandowski (CDU) am 6. Januar 2023 beim Jobcenter in Nauen vorbei.
Die gute Nachricht: Der Wechsel ging tatsächlich problemlos über die Bühne. Wer bereits im Vorfeld Hartz IV bekommen hatte, brauchte gar nichts weiter zu tun. Hier ging es mit 50 Euro Aufschlag nahtlos mit dem Bürgergeld weiter. In der ersten Woche gab es aber bereits 67 Neuanträge, von denen 33 sogar online gestellt wurden. Dies war auch eine der ersten Überraschungen im Jobcenter Nauen, denn 2022 gab es noch keinerlei Möglichkeit, einen Antrag auch online einzureichen. An der Online-Umsetzung hat das Jobcenter Havelland aus eigener Initiative heraus gearbeitet.
Landrat Lewandowski machte allerdings klar, dass es ein echter Kraftakt gewesen war, die vor Ort eingesetzte Software anzupassen. Seine Kritik richtete sich an den Bund. Der Zeitraum für die Umstellung sei viel zu kurz gewesen: “Das Gesetz zum neuen Bürgergeld wurde erst Ende 2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es blieb demnach kaum Zeit, das neue Gesetz umzusetzen. Zumal man den Bürgern bereits suggeriert hatte, dass sie bereits ab dem 2. Januar ihre Ansprüche geltend machen können. Der Bürger erwartet zu Recht, dass er die Leistungen bekommt, die ihm von Recht wegen zustehen. Hier muss man aber bitte der ausführenden Verwaltung die Zeit einträumen, damit alles ordentlich vorbereitet werden kann.”
Dezernent Dennis Granzow, der für das Jobcenter zuständig ist, machte deutlich, dass die Umstellung in wenigen Tagen nur deswegen funktioniert habe, weil man bereits Anfang Dezember mit den Anpassungen begonnen habe. Also noch bevor das neue Gesetz Gültigkeit bekommen hatte: “Wir sind hier ins volle Risiko gegangen. Anderenfalls hätten wir es nicht geschafft. Das darf in diesem Rechtsstaat bitte nicht die Regel werden.”
Wirtschaftsminister Jörg Steinbach bedankte sich sehr für die Arbeit und machte deutlich, dass die geänderten Regelsätze für das Bürgergeld nur ein Teil des neuen Programms rund um das Bürgergeld sind: “Die zweite Stufe, die genauso wichtig ist, wird am 1. Juli gezündet. Hier kommt es zu einer veränderten Behandlung bei der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Wir setzen gezielt darauf, die bestehenden Qualifikationen der arbeitsuchenden Menschen noch weiter aufzuwerten.”
6.500 Leistungsberechtigte im erwerbsfähigen Alter im Havelland
Wie viele Menschen im Havelland sind eigentlich auf das neue Bürgergeld angewiesen? Das Jobcenter geht von 6.500 Leistungsberechtigen, also bedürftigen Bürgern im erwerbsfähigen Alter aus. Dennis Granzow: “Das betrifft etwa 5.000 Familien und somit mit Kindern etwa 10.000 Menschen, die im Landkreis vom Bürgergeld leben. Ein Großteil der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten geht übrigens bereits einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Sie verdienen aber zu wenig Geld, um damit ihr Leben bestreiten zu können.” Diese “Aufstocker” werden also mit Bürgergeld unterstützt, damit sie ihre Familien versorgen können.
Die Anzahl der Bürgergeld-Empfänger sei im Havelland eigentlich tendenziell sinkend. Durch den Krieg in der Ukraine sind allerdings auch Flüchtlinge ins Havelland bekommen, die nun ein Anrecht auf Bürgergeld haben. Etwa 620 der 6.500 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten entfallen auf diese Gruppe. Landrat Roger Lewandowski: “Ohne den Ukraine-Effekt hätten wir einen Rückgang bei der Arbeitslosigkeit.”
Rund um die Einführung des Bürgergeldes (mehr Infos: www.buerger-geld.org) ist viel Kritik aus der Bevölkerung aufgekommen. Das neue Bürgergeld würde einer Grundversorgung gleichkommen, Arbeit würde sich nicht mehr lohnen und man könne ja auch gleich Zuhause bleiben.
Das konnte Minister Jörg Steinbach so nicht stehen lassen: “502 Euro Bürgergeld liegen noch immer signifikant unter dem Existenzminimum. Die 50 Euro, die es seit Anfang Januar oben drauf gibt, ändern diese Situation nicht signifikant. Selbst wenn alle Instrumentarien kombiniert werden, ist das Niedriglohnniveau noch nicht erreicht. Die 50 Euro mehr sollten jedenfalls nicht dafür sorgen, dass man gern in dieser Kategorie Bürgergeld verbleiben möchte.”
Der Minister machte auch deutlich, dass die aktuelle Situation im Land eine andere sei als damals bei der Einführung von Hartz IV: “Damals wollte man die Menschen mit etwas Druck zurück in den Arbeitsmarkt bringen. Heute haben wir fast Vollbeschäftigung.”
Angesichts der Tatsache, dass so viele freie Stellen zu besetzen sind, sei Zwang nicht die richtige Methode. Steinbach: “Das müssen wir intelligenter machen – weg vom sanktionierenden Druck hin zum Coaching.”
Bürgergeld: Das sind die Zahlen
Wer bekommt Bürgergeld – und wie viel? Alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte bekommen ab sofort 502 Euro im Monat ausbezahlt. Leben zwei erwachsene Partner in einer “Bedarfsgemeinschaft”, erhalten beide Partner jeweils 451 Euro. Bei Kindern gibt es eine Staffelung. Bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres werden 318 Euro bezahlt, bis zum 14. Lebensjahr 348 Euro und bis zur Volljährigkeit 420 Euro.
12 Monate lang wird die Angemessenheit der bestehenden Wohnung nicht geprüft, alle tatsächlichen Kosten werden übernommen. Auch ein Vermögen bis zu 40.000 Euro wird für die erste Person zwölf Monate lang nicht angetastet. Für jede weitere Person erhöht sich dieser Freibetrag um 15.000 Euro. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 203 (2/2023).
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