Abriss oder Bestandsschutz: Streit um die Stübing-Villa in Falkensee!
Bis 2017 war in der alten Falkenseer Villa in der Karl-Liebknecht-Straße 130 der Baustoffhandel Stübing zu Hause. Seitdem wird die “Stübing-Villa” nicht mehr genutzt – und soll nun abgerissen werden, um Raum für einen Park-and-Ride-Parkplatz in direkter Nachbarschaft zum Bahnhof Finkenkrug zu schaffen. Gegen das Abrissvorhaben wächst nun allerdings der Widerstand. 1.145 Unterschriften kamen in einer Online-Petition zusammen.
Was nicht mehr gebraucht wird, kann weg? So scheint es jedenfalls bei der “Stübing-Villa” zu sein, die nach dem Auszug eines lokalen Baustoffhandels ungenutzt bleibt. Das Grundstück gehört inzwischen der Stadt Falkensee. Geplant ist es, die alte Villa abzureißen, um das Areal anschließend für den Bau eines bahnhofsnahen Parkplatzes zu nutzen.
Bürgermeister Heiko Müller verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Falkensee dringend mehr “Abstellanlagen” benötigt, damit die Havelländer bequem vom Auto auf die Bahn umsteigen können. Insbesondere in Hinblick auf das kommende i2030-Projekt der Bahn, bei dem die Bahnanbindung auch in Falkensee massiv ausgebaut werden soll, seien neue P+R-Anlagen ganz besonders wichtig.
Das sehen aber nicht alle Bürger so. Alexander Ripp hat eine Petition auf der Internet-Plattform „Open Petition“ gestartet. Hier hieß es: “Die Stübing-Villa ist zusammen mit der Alten Post eines der letzten verbleibenden Gebäude aus der Gründungszeit des Ortsteils Finkenkrug. Durch ihre Alleinstellung auf der Nordseite der Bahngleise und die langjährige Nutzung durch die Fa. Stübing hat das Gebäude einen hohen Bekanntheitsgrad. Es handelt sich damit um ein ortsbildprägendes Gebäude mit exzellenter historischer Bausubstanz und zudem um das einzige verbliebene Bauwerk aus dem Ensemble des ursprünglichen Bahnhofs von Finkenkrug. Die Stadtverwaltung Falkensee plant aus unserer Sicht in ‘vorauseilendem Gehorsam’ den vorschnellen Abriss des Gebäudes zu Gunsten möglicher Planungen des Projekts i2030. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich!”
Stattdessen könne man das Gebäude “für Wohnzwecke, für die gemeinnützige Vereinsarbeit oder für Kunst- u. Kulturschaffende” verwenden.
Die Diskussion um die “Stübing-Villa” wurde prompt in der Falkenseer Stadtverordnetenversammlung erneut aufgegriffen. Dass überhaupt diskutiert wird, kann nicht jeder verstehen. Schließlich habe man 2019 gemeinsam und parteiübergreifend in der SVV entschieden, das Grundstück mit dem Zweck zu kaufen, es in einen P+R-Parkplatz zu verwandeln.
Sven Steller (CDU) erklärt: “Seit einigen Jahren ist bereits bekannt, dass die P+R Kapazitäten am Bahnhof Finkenkrug erweitert und verbessert werden müssen, um den Bedarf zu decken. Dabei geht es nicht nur um Autos, sondern auch um Fahrräder. Der bislang vorhandene Parkraum reicht dafür nicht mehr aus. Der Parkplatzbedarf wird in der Zukunft sogar noch steigen. Zum einen wird der Plan der Bahn – i2030 – Auswirkungen zeigen, und zum anderen möchten wir gern den Pendlerverkehr aus der Innenstadt vom Bahnhof Falkensee auf die Bahnhöfe Finkenkrug und Seegefeld verteilen. Ende 2019 gab es die Option für die Stadt Falkensee, das Grundstück des stillgelegten Baustoffhandels Stübing zu erwerben. Dazu gab es im Hauptausschuss und in der SVV eine Diskussion zur Beschlussvorlage. In dieser Diskussion wurde klar dargelegt, dass es sich perspektivisch um eine Fläche handelt, die als P+R Parkplatz und später auch als Fläche für Bahnanlagen genutzt werden kann. Der Abriss der Villa wurde klar und deutlich angesprochen und mit diesem Wissen gab es eine klare Mehrheit für die Entscheidung, das Grundstück anzukaufen. Es wurden sogar Haushaltsmittel für den Rückbau eingestellt. Es ist daher für mich völlig unverständlich, wenn nun einige Stadtverordnete diesen Beschluss wieder in Frage stellen.”
Auf die Petition geht Sven Steller gern ein: “Selbstverständlich ist es wichtig, eine Bürgerpetition ernst zu nehmen. Leider sind in dieser Petition nicht alle Fakten richtig dargestellt worden. Somit ergibt sich kein korrektes Bild. Als Stadtverordnete ist es unsere Aufgabe, alle Belange und Interessen zu sehen und sie miteinander abzuwägen, um Entscheidungen zu treffen, die verlässlich und belastbar sind. Der Stadtpolitik ist es nicht förderlich, diese Diskussion immer wieder neu aufzugreifen und fortzuführen. Aus diesem Grund kommen unsere wesentlichen Projekte einfach nicht mehr voran. Ähnliches sehen wir bei der alten Stadthalle oder der Bibliothek.”
Und er argumentiert: “Sollte es beim Stübing-Grundstück zu einer neuen Beschlussfassung kommen und die Villa würde stehen bleiben, dann hätte dies sofort eine Auswirkung: Es gäbe eine wesentlich geringere Abstellkapazität für Fahrräder und PKWs. Unser Ziel, den Verkehr aus der Innenstadt zu holen, wäre damit nicht umsetzbar. Ein anderer Aspekt ist die Nutzung der Villa. Hier sollen Wohnungen realisiert werden? Am Waldesrand? Mit einem Haus, das nicht von einem Garten umgeben ist, sondern inmitten von Parkplätzen steht? Das ist sicherlich nicht die Wohnqualität, die man sich wünscht. Auch eine öffentliche Nutzung würde zwingend eine neue Planung und einen Umbau nötig machen. Die aktuellen Räumlichkeiten lassen sich so nicht nutzen, es gibt keine Barrierefreiheit und auch die Energieversorgung müsste komplett erneuert werden. Die Kosten dafür sind bislang nicht im Haushalt vorgesehen. Der übliche Prozess von der Diskussion über die Nutzungsmöglichkeiten, über die Ausschreibung einer Planung bis hin zum Einstellen der Haushaltsmittel würde leicht zwei weitere Jahre Zeit verschlingen. Zeit, in der ein weiterer Verfall der Villa vorprogrammiert wäre. Was also sollen wir mit einer leerstehenden Villa anfangen, wenn wir nicht einmal wissen, wie wir sie nutzen sollen? Für mich ist der aktuelle und auch der zukünftige Bahnverkehr ein gewichtiges Argument dafür, die Fläche wie bereits vorgesehen und beschlossen zu nutzen.”
Was Sven Steller sagt, ist aber nicht zwingend Konsens in der Stadtverordnetenversammlung. Juliane Kühnemund (Die Grünen) sagt: “Alte Bausubstanz für einen Parkplatz zu opfern und damit wieder ein Stück Geschichte aus dem Stadtbild Falkensees zu reißen, macht keinen Sinn: Die ‘Stübing-Villa’ ist in einem sehr guten baulichen Zustand und könnte noch problemlos weiter genutzt werden. Die Bahn plant ein großes Projekt mit i2030. Solange aber noch nicht klar ist, wie die Haltepunkte und Streckenverläufe aussehen, kann an dieser Stelle kein permanenter Parkplatz gebaut werden. Park&Ride ja, aber sicherlich lassen sich für den Standort der Parkplätze auch Alternativen finden.”
Marius Miethig von der Lokalen Agenda 21 ergänzt: “Falkensees Charakter sollte nicht durch grauen Beton geprägt werden. Gerade das schöne Finkenkrug sollte nicht eine seiner letzten typischen Villen zu einem Zeitpunkt verlieren, an dem ein Abriss noch gar nicht nötig ist. Das schöne Gebäude mit Wiedererkennungswert sollte solange wie möglich stehen bleiben. Und die Politik sollte den Bürgerwillen nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch anerkennen und respektieren.”
Keine Frage: Diese Diskussion wird die Stadt Falkensee noch einige Zeit begleiten. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 191 (2/2022).
Update 26.2.22: Kristina Hölzel meldet: Am Mittwoch wurde in der SVV gegen den Abriss gestimmt. 19 : 17.
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