Der “Havelstoff”: Liegt die Zukunft im Wasserstoff? Neue Energie für Falkensee!
Benzin und Diesel werden fast täglich teurer, immer mehr Menschen legen sich ein E-Auto mit Batterie zu. Die Initiative “Wasserstoff – Neue Energie für Falkensee” sieht eine Alternative im Wasserstoff als “Stromspeicher”. Am 17. Februar lud die Bürgerinitiative zu einem hochkarätig besetzten Diskussionsabend in das Musiksaalgebäude am Campusgelände ein. Die Frage: Wird es der Initiative gelingen, Havelbus von der Anschaffung eines Brennstoffzellenbusses zu überzeugen?
Der Wechsel hin zum E-Auto ist politisch gewollt. Stetig kletternde Preise für den Liter Benzin und Diesel sowie hohe Prämien bei der Anschaffung eines Autos mit Elektromotor sorgen dafür, dass sich immer mehr Bürger ein E-Auto anschaffen. Insbesondere im Havelland ergibt das sogar Sinn: Eine Wallbox können die Hausbesitzer ganz schnell im eigenen Carport installieren.
Die Frage ist nur, ob sich die E-Mobilität vom Einzelnen auch auf die breite Masse hochskalieren lässt.
Professor Dr. Robert Liebich von der Technischen Universität lebt in Falkensee. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Initiative „Wasserstoff – Neue Energie für Falkensee”. Er sagt: „Die Batterie als Stromspeicher ist für große, schwere Fahrzeuge aufgrund des Gewichts und der langen Ladezeiten überhaupt nicht geeignet. Gerade hierfür bietet sich die Stromerzeugung im Fahrzeug über eine Brennstoffzelle mit Wasserstofftank an. Die Batterieentwicklung hat zwar einige Fortschritte gemacht, hängt aber mit ihren Leistungen den häufig verkündeten Versprechungen hinterher. Hinzu kommt: Das zur Zeit geförderte Lithium reicht gerade einmal aus, um die Batterien der E-Autos von VW zu bestücken, würde der Konzern nur noch E-Autos produzieren. Die Lithium-Vorkommen sind wie unser Öl begrenzt, gleichzeitig findet aufgrund der hohen Kosten kein Lithium-Recycling statt. Das heißt, so richtig nachhaltig ist die heutige Batterietechnik nicht.”
Auf einem Diskussionsabend am 17. Februar zum Thema Wasserstoff gab der Dezernent für den Umweltbereich Michael Koch auch zu bedenken, dass zum E-Auto “nicht nur die Ladeinfrastruktur, sondern auch die Netzinfrastruktur passen muss”. Das bedeutet, dass das Stromnetz stark genug sein muss, um all die zukünftigen E-Auto-Fahrer mit Schnelllademöglichkeiten versorgen zu können.
Die Falkenseer Initiative, die neun Mitglieder hat, macht sich stark für den neuen Energieträger Wasserstoff. Dr. Cornelia Nietsch: “Die Energiewende ist eine große Herausforderung für die Politik und den einzelnen Bürger. Der Wasserstoff würde viele Probleme lösen, die bei einer alleinigen Verwendung von Batterien als Energieträger entstehen.”
Andrea Besig, Diplom-Ingenieurin aus dem Bereich der Verfahrenstechnik: “Wir verstehen uns als Multiplikatoren und Netzwerker zwischen der Politik, der Wirtschaft und den Bürgern.”
Für den Wasserstoff sprechen inzwischen sehr viele Argumente. So lässt er sich “grün” z.B. mit Windkraft herstellen – es müsste nur eine Elektrolyse-Einheit an die Windkraftanlagen etwa auf der Nauener Platte angekoppelt werden. Wasserstoff lässt sich komprimiert leicht transportieren. Im Endeffekt könnten bestehende Tankstellen entsprechend umgerüstet werden. Die Anzahl der Tankstellen bliebe dabei bestehen.
Robert Liebich: “Wir sehen die Brennstoffzelle als sinnvolle Alternative, nicht als Konkurrenz zur Batterie. Tatsächlich nutzen beide Verfahren den gleichen Elektromotor, gehören also beide zur E-Mobility. Es geht nur um die Frage, wo der Strom herkommt. Das Batterieauto ist für den Einsatz in der Familie sicherlich sehr sinnvoll. Die Brennstoffzelle kann aber überall dort ihre Vorteile ausspielen, wo der normale Akku an seine Grenzen kommt. Etwa in der Logistik mit seinen LKWs oder beim ÖPNV mit seinen Bussen. Bei einem 40-Tonner-LKW müsste eine Batterie, die ein solches Gefährt antreibt, mehrere Tonnen schwer sein. Das bedeutet aber auch, dass der LKW entsprechend weniger Ladung aufnehmen kann. Hinzu kommt die Ladezeit. Kein Logistiker kann es sich leisten, einen LKW viele Stunden zu laden. Häufiges und schnelles Laden killt außerdem jede Batterie.”
Michael Koch: “Die E-Mobilität für Schwerlastfahrzeuge mit Batterie-Versorgung ist gut bis einhundert Kilometer Reichweite einzusetzen. Darüber hinaus ist die E-Mobility mit Brennstoffzelle besser aufgestellt. Man denke auch an die Abfallwirtschaft. Die Fahrzeuge mit der Hydraulik zur Aufnahme der Mülltonnen würden mit der Batteriekapazität nicht weit kommen.”
Die Initiative präsentierte auf dem Diskussionsabend eine selbst recherchierte Kostenrechnung, nach der sich der Einsatz einer Brennstoffzelle auf lange Sicht eher rechnet als der Akku. Professor Dr. Liebich: “Wir haben die Berechnung von Grund auf aufgezogen und steigende Strompreise und einen regelmäßigen Austausch der Batterie bzw. der Brennstoffzelle berücksichtigt. Außerdem sind aufgrund der neuen staatlichen Förderungen ein Technologiesprung bei der Wasserstofftechnik und sinkende Wasserstoffpreise zu erwarten.”
Damit die Diskussion um den Wasserstoff nicht nur graue Theorie bleibt, hatte die Initiative auch Mathias Köhler als Geschäftsführer der Havelbus GmbH und damit als Vertreter des ÖPNV eingeladen.
Dr. Cornelia Nietsch: “Wir setzen uns für eine Wasserstoff-Tankstelle in Falkensee ein, die von H2 Mobility, Sprint oder Total betrieben werden könnte. In diesem Zug würden wir gern Havelbus davon überzeugen, Brennstoffzellenbusse anzuschaffen.”
Theoretisch laufen die Mitglieder der Wasserstoff-Initiative bei Mathias Köhler offene Türen ein: “Ich bin selbst der Meinung, dass die batteriebetriebene E-Mobilität eine Übergangstechnik ist, an deren Ende die Brennstoffzelle steht.”
Und tatsächlich wird Havelbus vom Gesetzgeber dazu gezwungen, in naher Zukunft immer mehr Busse anzuschaffen, die sich regenerative Energien zunutze machen. Hier steht Havelbus vor ganz großen Herausforderungen. Mathias Köhler: “Der Diesel-getriebene Bus ist immer noch am preiswertesten und deckt weite Entfernungen ab. Wir haben 110 Fahrzeuge bei uns im Einsatz und müssen jedes Jahr zehn Fahrzeuge neu anschaffen. Unser Problem ist, dass es auf dem Markt keine Fahrzeuge mehr gibt, die regenerative Energien nutzen. Die großen Stadtbetriebe kaufen alles auf. Hinzu kommt, dass diese Busse fast 300.000 Euro teurer sind als Dieselbusse, wir für diese Anschaffung aber keine Förderung bekommen. Wir sind ein Zuschussbetrieb, der Verkauf von Fahrkarten reicht nicht aus, um uns zu finanzieren. Die Zuschüsse vom Landkreis werden in Zukunft steigen müssen, damit wir Akku- oder Wasserstoffbusse anschaffen können. Dieses Geld wird an anderer Stelle wieder fehlen. Wir haben eine erste Ausschreibung für das Jahr 2023 in Vorbereitung. Wir möchten E-Busse anschaffen, die wir zuerst in Falkensee auf die Strecke schicken wollen. Wir sind der Meinung, dass es noch eine Weile braucht, bis der Wasserstoff wirtschaftlich wird. Für einen Batterie-Bus haben wir eben schon die entsprechende Ladestruktur vor Ort an unserem Betriebshof in der Straße der Einheit. Auch die entsprechenden Stromkontingente sind gebucht.”
Elke Nermerich, stellvertretende Landrätin: “Wir vom Landkreis Havelland haben uns ja erfolgreich im Herbst 2021 als HyExperts-Region (www.hy.land/hyexperts/) beworben und 400.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zugesagt bekommen. Wir haben die Windparks, die Forschung und Abnehmer wie Havelbus oder die Gewerbezentren direkt vor Ort. Die gesamte Wertstoffkette rund um den Wasserstoff ist ja bereits im Havelland verortet. Deswegen nennen wir den Wasserstoff bei uns auch gern ‘Havelstoff’.”
Die Diskussion zeigte: Es gibt viele gute Argumente, die für den Wasserstoff sprechen. Zurzeit steht der Fokus der Aufmerksamkeit aber noch auf dem Strom. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 192 (3/2022).
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