Scheibes Glosse: Malen mit K.I.
Im Internet regiert inzwischen die Künstliche Intelligenz. Sie hilft nicht nur beim Verfassen von Texten, sondern erstellt auch tolle Bilder. Systeme wie der Image Creator von Microsoft, die Leonardo AI oder DALL-E 3 werden einfach mit kurzen Szenenbeschreibungen gefüttert – und spucken Sekunden später absolut beeindruckende Grafiken aus. Wenn es da nur nicht immer wieder diese kleinen Unzulänglichkeiten geben würde.
Wie oft braucht man ein kleines Bild, das eine ganz bestimmte Szene zeigt! Mit diesen Bildern lassen sich Gutscheine aufpeppen, Einladungen verschönern oder – in unserem Fall – auch Zeitungs-Layouts aufwerten. Früher haben wir in Clipart-Bibliotheken nach den passenden Motiven gesucht. Was in der Regel zu Kompromissen geführt hat, die eigentlich niemand eingehen wollte. Dann kam im Internet die Künstliche Intelligenz auf – und plötzlich war alles möglich. Man füttert die K.I.-Systeme einfach mit einer möglichst genauen Bildbeschreibung – und nach dem Betätigen der Eingabetaste dauert es nur Sekunden, bis neu generierte und trotzdem absolut professionell “gezeichnete” Bilder entstehen. Das ist tatsächlich so, als würde plötzlich in meinem Computer ein kleiner Maler wohnen, der alles zeichnen kann, was ich mir gerade wünsche.
Also meine Frau wünschte sich für die Neujahrsgrüße eine idyllische grüne Landschaft mit lauter Glückssymbolen, die im Rahmen eines Feuerwerks am Himmel aufpoppen. Das funktionierte bestens, am frisch generierten K.I.-Himmel prangten gut sichtbar zahlreiche Hufeisen, Kleeblätter im Viererverbund, Dollarzeichen und – Kürbisse. Wir fragten uns verwirrt, in welcher Kultur wohl der Kürbis als Glückssymbol Verwendung findet? Wir ergänzten, um Irritationen bei den Empfängern der Neujahrsgrüße zu vermeiden, unsere Bildbeschreibung mit dem Zusatz “bitte ohne Kürbis”.
Umgehend machte sich die K.I. an die Generierung eines neuen Bildes. Das zeigte ein schönes Feuerwerk voller Glück – und im Vordergrund riesengroß einen orangenen, fetten Kürbis. Der allerdings durchgestrichen war wie auf einem Verbotsschild.
Egal, was wir unternahmen, wir wurden die Glückskürbisse nicht mehr los. In der Folge ließen wir uns ein Pärchen malen, das winterlich gekleidet in die Kamera lächelt und dabei freundlich die Arme zu einer angedeuteten Umarmung ausstreckt. Erst später – nach dem Versenden der Glückwünsche – fiel uns auf, dass die Frau nur vier Finger an jeder Hand hatte, der Mann dafür aber einmal sieben und einmal drei. Das ist ein großes Manko der K.I. aus dem Internet: Ein gutes Händchen mit den Händchen hat sie einfach nicht.
Auch sonst sind Symbole gefährlich. Für einen Freund beauftragte ich ein Comicbild, in dem ein Mann durch ein Meer aus Würfeln schwimmt. Das bekam ich auch. Aber die Würfel hatten leider keine Augen von 1 bis 6, sondern blieben blank. Nun gut, Punkte auf den Würfelseiten hatte ich ja auch nicht bestellt. Das nächste Bild wurde gleich besser. Nun gab es allerdings Würfel, die gleich drei Sechsen zeigten.
Auch bei einem Pokerbild wurde es mit der künstlichen Schlauheit nicht wirklich besser. Zwei Asse sollte ein gemalter Zocker in der Hand halten, während er an einem Tisch voller Pokerchips sitzt. Die neu generierte Grafik war perfekt. Alles stimmte, nur eins nicht – der Spieler hielt zwei Pik-Asse in der Hand. Dafür wäre er im Wilden Westen erschossen worden. In meiner Bildbeschreibung forderte ich deswegen ganz konkret ein Pik- und ein Herz-Ass ein. Jetzt bekam ich zwei identische Zwitter-Karten. Oben zeigten sie ein Pik und in der unteren Hälfte ein Herz. Im Wilden Westen hätte man mich aus Mitleid vor einer solch stümperhaften Fälschung in der Pferdetränke ersäuft.
Weiter ging es für das gedruckte Magazin – ich suchte ein Bild, das eine Gruppe Menschen beim Spazierengehen im Wald zeigt. Das Motiv bekam ich umgehend. Allerdings trugen alle Spaziergänger wenig passend einen Anzug, Krawatte und einen Aktenkoffer. Ich Dummerchen! Natürlich gab ich nun zusätzlich ein: “in Freizeitkleidung”. Die Aktenkoffer und Anzüge verschwanden tatsächlich. Aber die Krawatten blieben. Egal, was ich für Anweisungen in die Aufgabe hineinschrieb.
Für eine Krimi-Veranstaltung brauchte ich ein Bild mit einer Leiche, die mitten in einem Supermarkt am Boden liegt, während sie von anderen Kunden umringt wird. Das Wort “Leiche” mochte das System nicht, also schrieb ich, dass einfach nur eine Person am Boden liegen sollte. Prompt bekam ich eine perfekte Leiche. Nur warum standen plötzlich zwanzig Japaner in schwarzen Anzügen und mit einer Kamera in der Hand um die Leiche herum? Ich glaube, ich gebe auf. Für die Künstliche Intelligenz bin ich anscheinend nicht schlau genug. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 216 (3/2024).
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