Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide: Biotope schützen mit EU-Fördermitteln!
“Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide” schützt seit vielen Jahren das vielseitige Ökosystem des früheren “Truppenübungsplatz Döberitz”. Auf 3.600 Hektar Fläche konnten sich trotz militärischer Nutzung zahlreiche schützenswerte Biotope entwickeln, die heute Heimat allein für rund viertausend dokumentierte Tierarten sind, von den seltenen Pflanzen ganz zu schweigen. Damit diese Biotope erhalten bleiben, ist die “Heinz Sielmann Stiftung” auch auf europäische Fördermittel angewiesen.
Am 14. Januar lud die Havelland-Gruppe der Europa-Union (www.europa-union-havelland.de) traditionell zum Neujahrsempfang in die Pfannkuchenschmiede in Karls Erlebnisdorf in Elstal ein. In der Bürgerinitiative “Europa-Union Havelland” finden Personen aus vielen Parteien und Institutionen zusammen, um gemeinsam für ein starkes Europa einzutreten. Dabei lädt die Europa-Union gern Gäste als Keynote Speaker ein, die dem europäischen Gedanken ganz neue Seiten abgewinnen können.
In diesem Jahr war Dr. Hannes Petrischak zu Gast in der Pfannkuchenschmiede. Er ist seit 2016 der Leiter des Geschäftsbereichs Naturschutz in der “Heinz Sielmann Stiftung”. Er berichtete ausführlich, wie Fördergelder der EU dabei helfen, die unterschiedlichen Biotope in der Döberitzer Heide zu erhalten.
Durch die jahrzehntelange Nutzung des Truppenübungsplatzes mit Panzern und anderen schweren Gefährten ist vor Ort auf einer Fläche von 5.500 Fußballfeldern ein einzigartiges Gelände entstanden. Direkt nebeneinander kommen hier Biotope wie etwa Dünen mit offenen Sandflächen, trockene europäische Heiden, trockene kalkreiche Sandrasen, Pfeifengraswiesen, feuchte Hochstaudenfluren, magere Flachland-Mähwiesen, Übergangs- und Niedermoore, alte bodensaure Eichenwälder und Moorwälder vor. Diese schützenswerten Lebensraumtypen (LRT) geben vielen geschützten Tierarten ein Zuhause, darunter Seeadlern, Urzeitkrebsen, Rotbauchunken, Wildbienen, Steinschmätzern, Ziegenmelkern und Wiedehopfen. Es finden sich aber auch viele extrem seltene Pflanzen in der Döberitzer Heide, so etwa das Sumpfknabenkraut, eine Orchideenart.
Dr. Hannes Petrischak erklärte, dass der prozentuale Anteil von CO2 in der Luft seit wenigstens 800.000 Jahren nicht mehr so hoch sei wie aktuell gemessen. Fast noch bedrohlicher für die Zukunft des Planeten bewertet er aber den Verlust der Biodiversität: “Wenn wir Tier- und Pflanzenarten verlieren, bekommen wir sie nie wieder zurück. Alleine in der EU haben wir seit etwa 1980 600 Millionen Vögel verloren, das ist mehr, als die EU Einwohner hat. Bei den Insekten haben wir einen Rückgang von 75 Prozent zu verzeichnen, bei den Amphibien sind es weltweit 85 Prozent.”
Da in der Döberitzer Heide keine Panzer mehr fahren, wachsen insbesondere die Offenlandschaften schnell zu. Hier werden u.a. Ziegen eingesetzt, um die schnell aufschießenden Robinien in Schach zu halten. Oft müssen aber kleine Bäume maschinell beseitigt werden, damit die Heide wieder Licht zum Wachsen hat.
Dr. Hannes Petrischak: “Diese Eingriffe wirken auf Spaziergänger oft martialisch und ganz und gar nicht im Sinne des Naturschutzes. Wir würden aber ansonsten unsere Trockenrasenflächen und die Heidelandschaft verlieren – mit großen Konsequenzen für die Tier- und Pflanzenarten. So gibt es etwa die Heidekraut-Sandbiene, die ohne das Heidekraut verhungern würde. Und mit der Heidewespenbiene gibt es sogar eine Kuckucksbiene, die ihre Eier ausschließlich in die Nester der Heidekraut- Sandbiene legt.”
Die Heinz Sielmann Stiftung konnte sich erfolgreich beim “Stadt – Umland – Wettbewerb Brandenburg” aus dem “Europäischen Fonds für regionale Entwicklung” bewerben. Dr. Hannes Petrischak: “Das Projekt war 5,2 Millionen Euro schwer. 80 Prozent der Summe wurden gefördert, gut eine Million Euro haben wir über die Stiftung selbst aufgebracht. So ist es uns gelungen, eine Fläche von über 200 Hektar wieder offen zu gestalten.”
Auch die großen Weidetiere wie etwa die Wisente oder die Przewalski-Pferde in der Kernzone helfen dabei, die Landschaften in der Döberitzer Heide dauerhaft offen zu halten. Und hier zeigt sich wieder der ganze Zauber funktionierender Ökosysteme. Die großen Wiederkäuer hinterlassen nämlich tägliche große Dungfladen in der Landschaft. Diese sind eine ganz besondere Freude für viele Dungkäfer, die von diesen Ausscheidungen leben oder sie zur Versorgung der Brut benutzen.
Dr. Hannes Petrischak: “Der Stierkäfer ist das Insekt des Jahres 2024 – und das mit Recht. Er sieht aus wie ein Mistkäfer mit drei Hörnern auf dem Kopf. Bei uns in der Döberitzer Heide kommt er recht häufig vor, er ist typisch für sandige Heideflächen. Er gehört zu den 36 verschiedenen Dungkäferarten, die wir in der Döberitzer Heide vorfinden können. Tatsächlich ist es so, dass der Dung von einem einzelnen Rind 100 Kilo Insektenlebendmasse pro Jahr hervorbringen kann. Von diesen Insekten leben viele Vögel, die mit ihnen ihre Jungen aufziehen. So greifen die Kreisläufe in der Natur ineinander. Und übrigens – eine Medikamentengabe reicht bereits aus, um so einen Dunghaufen komplett zu vergiften. Dann wird man keinen einzigen Käfer mehr an ihm vorfinden. So einfach ist es nämlich auch, sensible Kreisläufe zu stören.”
Ein zweites Problem für die Natürschützer ist die große Trockenheit. Dr. Hannes Petrischak: “Auch wenn es jetzt zuletzt sehr viel geregnet hat – dagegen stehen fünf Jahre Dürre. Wir stellen zunehmend fest, dass unsere Feuchtbiotope gerade im Ferbitzer Bruch immer mehr austrocknen. Das gefährdet die feuchten Pfeiffengraswiesen mit den Orchideen, aber auch die kleinen Tümpel in den Senken, die Brutstätten für die Rotbauchunke sind. Um das Wasser länger in der Region zu halten, möchten wir Stauwerke reaktivieren und auch neu bauen lassen.”
Für dieses Projekt greift der “Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“, es geht hier um ein ELER-Vorhaben im FFH- und SPA-Gebiet Döberitzer Heide.
Wer mehr über die Tiere und Pflanzen in der Döberitzer Heide erfahren möchte, liest am besten das Buch “Expedition Artenvielfalt” von Dr. Hannes Petrischak. Zuletzt erschienen sind auch die Bücher “Gartensafari” und “Welche Wildbiene ist das?” Am 19. Februar erscheint das nächste Werk von Hannes Petrischak, das sich an Einsteiger in der Tierbestimmung richtet und den Namen “Gartentiere lebensgroß” trägt. 68 Tierarten, die im eigenen Garten vorkommen können, werden in ihrer Originalgröße im Buch vorgestellt. So lernt man Regenwurm, Schnecken, Schmetterlinge, Bienen, Wespen, Schwebfliegen, Spinnen, Erdkröte, Vögel, Eichhörnchen, Igel und Fuchs besser kennen.
Dr. Hannes Petrischak: “Am 15. März eröffnen wir endlich das neue Naturerlebniszentrum in unserer Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide (www.sielmann-stiftung.de) in einer ehemaligen Geschützhalle. Vor Ort wird es eine Ausstellung über die Döberitzer Heide geben – und von hier aus kann der Besucher gern zu eigenen Exkursionen auf den ausgeschriebenen Wegen starten.”
Die geplante Eröffnung hatte sich verzögert, da der Landkreis Havelland den Bau eines Funkmastes in der Döberitzer Heide nicht genehmigt hatte. Dr. Hannes Petrischak: “Nun lassen wir ein Glasfaserkabel legen, sodass unsere Mitarbeiter und Gäste vor Ort Internet nutzen können.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 215 (2/2024).
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