Fieber & Blut dank afrikanischer Schweinepest: Das Havelland probt den Ernstfall!

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine Tierseuche, die es geschafft hat, von Afrika auf Osteuropa überzuspringen. 2014 gab es die ersten infizierten Wildschweine in der EU, spätestens 2020 ist das Virus auch in Brandenburg angekommen. Das Havelland bereitet sich präventiv auf Maßnahmen zur Eindämmung vor – und übte im September erstmals mit 70 Einsatzkräften den Notfall.
Wird Corona als Pandemie bezeichnet, so gilt die Afrikanische Schweinepest (ASP) als Panzootie – eine Krankheit, die sich sehr schnell verbreitet, aber ausschließlich Tiere betrifft.
Bei ASP ist es so, dass ausschließlich Schweine krank werden. Das Virus wird vor allem durch Blutkontakt übertragen, findet aber auch andere Wege. Die große Gefahr ist, dass es von Wildschweinen auf die Schweinebetriebe der Landwirtschaft überspringt. Für die Schweine ist die Krankheit in 90 Prozent der Fälle absolut tödlich. Sie bekommen erst ein hohes Fieber und versterben anschließend an inneren Blutungen. Für den Menschen und andere Tiere ist ASP allerdings völlig ungefährlich.
Ein echtes Problem ist, dass sich das Virus sehr lange hält, ohne zu zerfallen. Dörte Wernecke, Amtstierärztin im Havelland: “Es kann bei kühlen Temperaturen bis zu einem Jahr im Boden überdauern. Werden infizierte Tiere verarbeitet, bleibt das Virus auch für lange Zeit in Wurst und Fleisch aktiv.”
Eine weggeworfene Wurstsemmel an einer Autobahnraststätte kann so bereits als “Sprunginfektion” ASP übertragen, sobald Wildschweine sich am Müll gütlich tun. Auf diese Weise soll das Virus auch von Afrika nach Osteuropa gekommen sein.
Nun verbreitet sich die Tierseuche von den östlichen EU-Ländern aus nach Süden. Am 10. September 2020 gab es den ersten nachgewiesenen ASP-Befall bei einem Brandenburger Wildschwein. Im Brandenburg wurden aufgrund von ASP bereits in mehreren Landkreisen Sperrzonen eingerichtet.
Im Havelland ist man aber bereits sensibilisiert. Michael Koch, zuständiger Dezernent für das Veterinäramt: “Auch wenn wir im Landkreis Havelland bisher von der Afrikanischen Schweinpest verschont geblieben sind, kann man beobachten, dass die Fundstellen von infizierten Tieren näher an unsere Kreisgrenzen heranrücken. Für einen Ausbruchsfall wollen wir als Landkreis bestmöglich vorbereitet sein.”
Und der Landkreis hat sich durchaus bereits vorbereitet. In Friesack wurden für den schnellen Zugriff 35 Kilometer Zaunmaterial eingelagert, um bei einem Fund umgehend Sperrzonen errichten zu können. Michael Koch: “Für weitere 65 Kilometer haben wir einen Optionsvertrag, dieses Material kann binnen 24 Stunden geliefert werden. Aus anderen Landkreisen können wir uns außerdem Elektrozäune besorgen.”
Man muss sich das einmal vorstellen. Alleine zu den 35 Kilometern Zaun gehören 16.000 Zaunpfähle, die im Ernstfall mit einer Pfahlramme in den Boden getrieben werden müssen. So könnten pro Tag nur zwei bis drei Kilometer Zaun gestellt werden. Der Zaun ist übrigens 1,20 Meter hoch, sodass andere Wildtiere leicht darüber hinwegspringen können. Nur das infizierte Schwarzwild soll schließlich an der Bewegung gehindert werden.
Johannes Funke ist Landtagsabgeordneter, aber auch Geschäftsführer vom Kreisbauernverband Havelland e.V. Er freut sich sehr über die proaktiven Bemühungen des Landkreises: “Dieses Engagement kann man gar nicht genug würdigen. Wird ASP nachgewiesen und müssen Sperrzonen errichtet werden, dann kommen die Bauern nicht mehr länger auf ihre Felder. Der Infektionsdruck aus Polen ist hoch und die gesamte westeuropäische Fleischproduktion hängt hier mit dran. Gibt es in einem Schweinestall ein infiziertes Tier, muss der gesamte Bestand getötet werden.”
Um noch besser auf einen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest vorbereitet zu sein, hat das Veterinäramt des Landkreises Havelland in Zusammenarbeit mit dem Katastrophenschutzstab vom 5. bis zum 9. September rund um die östliche Raststätte Wolfslake und das MAFZ in Paaren/Glien eine großangelegte Tierseuchenübung durchgeführt – mit über 70 Einsatzkräften. Konkret wurden die Fallwildsuche und die Bergung geprobt.
Vom Mobilen Einsatzfahrzeug aus wurden die verschiedenen Akteure ins Feld geschickt, um nach ausgelegten und gut versteckten Tierkadavern zu suchen. In einem Bereich wurde mit der Drohne gesucht, in einem anderen eine Menschenkette ausgeschickt und in einem dritten Gebiet waren die Suchhunde unterwegs.
Eingebunden in die Übung waren neben den Mitarbeitern vom Landwirtschafts- und Veterinäramt sowie vom Katastrophenschutz auch die Rehkitzrettung Brandenburg, das Katasteramt und die Hundehalter der neu gegründeten “Landkreis Havelland Suchhundestaffel”.
Zur Suchhundestaffel gibt es eine ganz eigene Geschichte zu erzählen, so Michael Koch: “Suchhunde helfen sehr effektiv dabei, verendete Wildschweine in einem zu untersuchenden Gebiet zu finden. Wir haben bereits vor einem Jahr bei unseren Beschäftigten im Landkreis angefragt, ob jemand Lust darauf hat, seinen Hund zum Suchhund ausbilden zu lassen. 15 Kollegen fanden das interessant und haben die Ausbildung durchlaufen. Nun haben wir eine eigene Suchhundestaffel, auf die wir im Ernstfall sofort Zugriff haben. So müssen wir uns nicht auf andere verlassen, sondern können selbst aktiv werden.”
Die Übung mit den 70 Einsatzkräften hat sehr gut funktioniert. Hier war es vor allem wichtig, das Miteinander zu üben und Abläufe weiter zu optimieren. Michael Koch: “Wir haben viel gelernt. So sind wir davon ausgegangen, dass die Suchhunde etwa zwei Stunden lang im Einsatz sein können. Sie verlieren aber schon nach etwa einer Dreiviertelstunde die Konzentration. Nun wissen wir, dass wir längere Pausen einlegen oder kleinere Suchgebiete vorgeben müssen. Toll: Dank GPS-Halsbändern kann die Einsatzzentrale live mitverfolgen, welche Gebiete die Hunde bereits abgesucht haben.”
Begeistert war der Katastrophenschutz auch von der Beteiligung des Katasteramts. Denn ohne Kartenmaterial lässt sich die beste Suche nicht organisieren. Michael Koch: “Und die Bundeswehr hat uns beim Feldversuch mit der bis zu 25 Teilnehmer starken Menschenkette geholfen. Gerade bei der Suche in hohen Maisfeldern, bei der ein Teilnehmer den anderen nicht mehr sehen kann, müssen wir uns gut koordinieren, damit die Suchkette eine Gerade bleibt und keine Banane wird.”
So gesehen hat die Übung viele neue Erkenntnisse gebracht, aber auch die verschiedenen Teilnehmer enger zusammengeführt. Michael Koch: “Wir sind hier die Brandmauer, die Westeuropa vor der Schweinepest schützt.”
Johannes Funke: “Ich habe noch nicht gehört, dass andere Landkreise Übungen dieser Art machen oder vorbeugend Material einkaufen. Dabei müssten doch alle auf diesem Stand sein.”
Präventiv hat der Landkreis übrigens die Jäger aufgefordert, beim Schwarzwild eine “Bestandsreduktion” durchzuführen, um ihren Teil an den präventiven Maßnahmen zu schultern. In der Folge konnte die Zahl der Wildschweine im Havelland bereits auf ein Drittel verkleinert werden.
Amtstierärztin Dörte Wernecke sieht das Problem trotzdem nüchtern: “Dass die Schweinepest bei uns ankommt, ist nur eine Frage der Zeit. Es wird passieren: Das Virus läuft gerade um die ganze Welt.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 199 (10/2022).
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