Havelkanalradweg: Der Radweg direkt am Havelkanal soll ausgebaut werden!
Vor 70 Jahren wurde der Havelkanal in den märkischen Sandboden gegraben, um eine neue Wasserstrasse zu etablieren. Heute bietet sich der Kanal auf seiner ganzen Länge als Naherholungszone an. Wie schön wäre es denn, wenn man den gesamten 34 Kilometer langen Kanal flankierend auch mit dem Rad befahren könnte? Das “Innovationsbündnis Havelland” hat den zusammenhängenden Ausbau der oft nur rudimentär vorhandenen Radweg-Teilstücke vorgeschlagen, stößt aber auf Gegenwind.
Dort, wo es einen Radweg direkt am Havelkanal gibt, wird er von der Bevölkerung sehr gut angenommen. Bei gutem Wetter sind hier viele Spaziergänger, Radfahrer, Skateboard-Fahrer und Inliner unterwegs, um eine schöne Zeit direkt am Wasser zu verbringen.
Der Havelkanal ist 34 Kilometer lang. Teile des Weges, die am Ufer entlangführen, sind schon jetzt so befestigt, dass sie sich nicht nur von Spaziergängern, sondern auch von Radfahrern benutzen lassen.Diese befahrbare Strecke ist zusammengerechnet gut 16 Kilometer lang. Es gibt da etwa einen Bereich zwischen Buchow-Karpzow bis Falkenrehde, der bereits sehr gut mit dem Rad zu meistern ist. Und der nördliche Abschnitt zwischen Nieder Neuendorf bis Schönwalde-Glien wurde ebenfalls auf einer Länge von 5,4 Kilometern radtauglich gemacht und ausgebaut – übrigens mit Fördergeldern.
Der Brieselanger Hobbyradfahrer und Rentner Günter Schwudke weiß aus eigener Erfahrung, dass der Radweg aber immer wieder einmal mitten im Nichts endet oder seine Bodenbeschaffenheit ändert, sodass ein entspanntes Fahren auf der ganzen Strecke zwischen dem bei Hennigsdorf zu verortenden Nieder Neuendorf und dem nahe Ketzin gelegenen historischen Dorf Paretz nicht möglich ist.
Günter Schwudke engagiert sich im “Innovationsbündnis Havelland” (www.havelland.de/arbeit-leben/aktives-zusammenleben/innovationsbuendnis/). Ihm schwebt vor, den Havelkanalradweg bis zum 75-jährigen Geburtstag des Kanals vollständig zu ertüchtigen: “Dafür könnte man den Betriebsweg direkt am Ufer ausbauen. Der Bund würde sich mit 90 Prozent Förderung an der Umsetzung beteiligen. Das ist doch eine zielgerechte Lösung.”
Auf dem Schleusenfest passend zum 70. Geburtstag des Kanals präsentierte Odett Schnegula vom “Regionalpark Osthavelland-Spandau” (www.osthavelland-spandau.de) den aktuellen Status der Planungen. Auf einer Karte konnten die Bürger nachvollziehen, dass es nun darum geht, ein neun Kilometer langes Stück Radweg zwischen Schönwalde bis Alt Brieselang so vorzubereiten, dass Fördermittel greifen können.
Das Projekt lässt sich aber nicht so leicht realisieren, wie es klingt. Widerstände gibt es dabei auch in der Gemeindevertretung von Schönwalde-Glien. Bürgermeister Bodo Oehme, der selbst der CDU angehört: “Es gibt da eine grüne Partei, die sich auf Bundesebene vehement für mehr Radwege ausspricht, auf lokaler Ebene aber ganz anders argumentiert.”
Woher die Widerstände gegen einen Ausbau des Radweges ausgerechnet in Schönwalde-Glien kommen, weiß Roman Stresow aus Schönwalde-Glien. Er kümmert sich mit einigen Gleichgesinnten um die Hege und Pflege der letzten Kreuzottervorkommen im Havelland. Die Initiative ist an den Verein „Bürgerinitiative Schönes Falkensee e. V.“ (www.bisf.de) in Falkensee angeschlossen.
Roman Stresow sagt: “Der schmale Streifen zwischen den Feldern und dem Havelkanal in der Region Schönwalde-Glien ist einer der letzten Rückzugsorte für alle, die unsere Natur in vollen Zügen genießen wollen. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Es schleicht der Wolf am Wegesrand, die Eisvögel brüten, der Biber gestaltet sich sein Reich, Zaun- und Waldeidechsen wuseln durch die Gegend und auch die Kreuzotter hat am Ufer des Kanals ihre Heimat. Wer hierher kommt, der sucht Ruhe und Erholung in der Natur.”
Und er führt aus: “Der Weg ist ein beliebtes Ziel für Wanderer und Radfahrer, leider aber auch für Autofahrer geworden. Gegen die Autofahrer und auch die Fahrradfahrer haben viele Tiere keine Chance, wenn es zu einem Aufeinandertreffen kommt. Die vorangegangenen zwei Corona-Jahre, in denen viel mehr Menschen als sonst die frische Luft am Wasser genossen haben, sorgten bereits für einen deutlich spürbaren Anstieg der Todeszahlen unter einigen Tierarten, die den Weg häufig nutzen. Ein Ausbau zu einem richtigen Radweg und die damit steigende Verkehrsbelastung wird diesen Trend erheblich verstärken. Allein der Bau würde 50 Prozent der Lebensräume zerstören; wertvolle Winterquartiere und Jagdgebiete für die Tiere wären einfach weg. Die letzte kleine und sehr fragile Kreuzotterpopulation in der Region wird das Mehr an Belastung nur schwer verkraften können. Das liegt auch an ihrer enormen Standorttreue: Die Schlangen können den Menschen nicht ausweichen. Ein Einbruch der Bestandszahlen und damit ein unweigerliches Aussterben dieser Art in Schönwalde wäre ohne geeignete Gegenmaßnahmen wohl nicht aufzuhalten.”
Dennoch sind die Kreuzotterfreunde gesprächsbereit: “Wir wünschen uns ein klares Konzept zum Radwegbau, das auf alle naturschutzrechtlichen Belange Rücksicht nimmt, um vor allem die Kreuzottergebiete weitestgehend zu schützen. Wir sind jederzeit bereit dazu, den Verantwortlichen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, um gemeinsam Lösungswege zu finden, die Mensch und Natur gleichermaßen zufrieden stellen. Eine Umleitung des Weges um die sensibelsten Abschnitte herum – und damit ein Verlassen des Betriebsweges der WSA – wäre eine erste Idee von uns, die bereits mit den Beteiligten im Schönwalder Rathaus diskutiert wurde.” Odett Schnegula vom “Regionalpark Osthavelland-Spandau”: “Wir versuchen zu vermitteln.”
Günter Schwudke vom “Innovationsbündnis Havelland”: “Wir verstehen uns als Vertretung aller Kommunen im Osthavelland, die direkt an den Havelkanal angrenzen. 140.000 Anwohner sind direkt betroffen, sie brauchen den Havelkanalradweg für die Naherholung.”
Eins ist sicher. Bis bei diesem Bauprojekt eine klare Linie gefunden ist, die Förderungen beantragt wurden und der Bau angefangen und beendet ist, wird der für die Fertigstellung des Radwegs angepeilte 75. Geburtstag des Havelkanals schon lange wieder vorbei sein. (Text/Fotos: CS, Foto Kreuzotter: Roman Stresow)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 196 (7/2022).
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