Aus dem Amtsgericht Nauen: Funktionsfähige Maschinenpistole im Bettkasten!
“Am 30.4.2020 um 9 Uhr verhandelt das Schöffengericht eine Anklage gegen … wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Ihm wird vorgeworfen, im Jahre 2015 einen Karabiner, eine vollautomatische Maschinenpistole, mehrere Selbstladepistolen, einen Revolver und andere Waffen und Zubehör größerer Mengen besessen zu haben, ohne in Besitz einer hierfür erforderlichen Erlaubnis zu sein.”
Hinter diesen wenigen Worten, die eine öffentliche Verhandlung im Amtsgericht Nauen ankündigen, steckt ein Fall, der es wert ist, dass über ihn berichtet wird.
Walter P. (Name geändert) ist über 50 Jahre alt und ledig. Er lebte eine Zeitlang in Berlin. In der Hauptstadt entwickelte er starke Panikattacken und gleichzeitig eine große Faszination für Waffen. Vor Gericht sagt er selbst: “Ich konnte nur dann ruhig schlafen, wenn eine Waffe neben mir im Bett lag.”
Die Polizei wird auf ihn aufmerksam, es kommt 2012 zu einer Wohnungsdurchsuchung durch ein Sondereinsatzkommando. Zahlreiche scharfe Waffen werden gefunden und beschlagnahmt. Im Amtsgericht Tiergarten kommt es zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Es wird klar, dass die Polizei Walter P. weiter im Visier hat. Er wird überwacht, sein Telefon wird abgehört. Im Jahr 2015 beobachten die Beamten, wie Walter P. vor dem Besuch des Sozialgerichts plötzlich innehält, eine scharfe 9-Millimeter-Patrone aus seiner Jackentasche holt und diese vor dem Gericht verbuddelt. Anscheinend in der Angst, dass die Patrone ansonsten von einem Metallscanner im Gericht gefunden worden wäre.
Im gleichen Jahr kommt es deswegen zu einer erneuten polizeilichen Durchsuchung. Sie greift im Havelland, wo der nicht mehr arbeitsfähige und deswegen frühberentete Waffenfreund inzwischen lebt. Hier wohnt er in einem eigenen Haus. Seine Eltern, um die er sich kümmern muss, leben in einem Haus gleich um die Ecke.
In der Wohnung selbst finden die Beamten zahlreiche Waffeneinzelteile, ein Luftdruckgewehr und eine Schreckschusspistole – aber keine scharfe Schusswaffe. “Nichts, was einen richtig tot macht”, sagt der Angeklagte vor Gericht. Als die Beamten ankündigen, auch das Haus der Eltern durchsuchen zu wollen, gesteht der Waffensammler aber sofort, dass die Beamten dort in seinem alten Zimmer im Bettkasten fündig werden würden.
Tatsächlich finden die Beamten hier ein halbes Waffenlager, bestehend aus einer vollautomatischen Maschinenpistole, einem Karabiner sowie mehreren halbautomatischen Pistolen und weiteren Handfeuerwaffen. Darunter ist auch eine Schreckschusspistole, die so umgebaut wurde, dass sie echte Munition verschießen kann. 1.357 Schuss scharfe Munition spüren die Beamten ebenfalls auf. Das waffentechnische Gutachten wird später zeigen, dass alle acht vorgefundenen Waffen einsatzfähig waren. Man hätte mit ihnen problemlos schießen können.
Die Pfichtverteidigerin sagt sinngemäß für ihren Klienten aus, dass diese Waffen bei der ersten Durchsuchung “übersehen” wurden und dass der Angeklagte es versäumt habe, sie anschließend zu melden, obwohl der Waffenbesitz ohne entsprechende Erlaubnis natürlich illegal sei. Er sei aber froh, dass “die Sache jetzt endlich ein Ende findet.” Sie hätte den Angeklagten emotional sehr belastet, weil die Möglichkeit, dass auch diese Waffen von der Polizei gefunden werden, wie ein Damoklesschwert über ihm geschwebt sei.
2015 fand die Durchsuchung samt Beschlagnahmung der Waffen statt. Zur Verhandlung kommt es aber erst fünf Jahre später. Diese Verzögerung sei für den Mann mit seinen Panikattacken eine schiere Katastrophe gewesen. Das Gericht zeigt dementsprechend an, dass die lange Verzögerung bei der Formulierung des späteren Urteils mit berücksichtigt werden muss. Die Staatsanwaltschaft schlägt vor, drei Monate der späteren Strafe als bereits verbüßt zu behandeln.
Der Angeklagte, der es selbst als den wohl größten Fehler seines Lebens ansieht, jemals die Bundeswehr verlassen zu haben, ist geständig und gibt vor Gericht bereitwillig Auskunft. Ob er denn wegen seiner Panikattacken nicht mit Medikamenten behandelt wird? Ja, sagt er, er müsse eigentlich täglich Medikamente nehmen. Aber das tue er nicht. Er habe eine andere Selbstmedikation gefunden: “Alkohol”. Das Gericht mahnt an, diese Art der Medikation doch bitte dringend zu überdenken.
Und ob er denn mit seinen Waffen auch geschossen habe? Ja, im Haus habe er sich eine Schießkiste mit mehreren dicken Telefonbüchern und einigen Decken gebaut. Die Decken hätten den Knall der Waffen gedämpft und die Telefonbücher hätten die Kugeln aufgefangen: “Nur einmal nicht, da ging die Kugel glatt durch und durchschlug sogar noch die Schlafzimmertür.”
Ganz kurz kommt einmal die Frage auf, wo die Waffen denn eigentlich herkommen. Die Verteidigung spricht vage von Waffensammlern, die nachts unter Brücken stehen und mit Magneten nach entsprechenden Kriegsrelikten fischen.
Dazu gibt es leider keine Nachfragen mehr. Beim Verlesen der waffentechnischen Untersuchung wird allerdings klar, dass es sich bei einigen der Waffen um Dekowaffen handelt, die durch das Einsetzen eines neuen Laufs und eines neuen Schlosses erst wieder schussfähig gemacht worden sind. Solche Waffen dürfte man kaum aus dem Wasser ziehen können.
Die Staatsanwaltschaft weist in ihrem Plädoyer auf die bereits erfolgte Vorverurteilung in gleicher Angelegenheit hin und dass der Angeklagte auch während der Bewährungszeit weiterhin Waffen besessen habe: “Wer weiß, was mit diesen Waffen passiert wäre, wenn die Polizei sie nicht gefunden hätte?” Der Staatsanwalt fordert zwei Jahre Freiheitsstrafe und schlägt vor, sie wegen der besonderen Umstände, des Geständnisses des Angeklagten und der Länge des Verfahrens drei Jahre zur Bewährung auszusetzen.
Die Verteidigung weist darauf hin, dass der Angeklagte zwar ein Waffennarr sei, sich aber auf das reine Sammeln beschränken würde. Er habe die Waffen auch nicht in den von ihm bewohnten Räumen versteckt. Ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe, zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, das könnte sie sich vorstellen.
Die Richterin gibt zu bedenken, dass das Strafmaß beim illegalen Besitz einer vollautomatischen Waffe wie eben der Maschinenpistole für eine Freiheitsstrafe von einem bis fünf Jahre reiche. Für ein geringes Strafmaß würde sprechen, dass das Verfahren so lange gedauert hat und die Tat schon so lange her ist. Erschwerend würde aber hinzukommen, dass es so viele Waffen waren und dass es keine richtige Sicherung vor Ort gegeben hätte. Der Waffennarr erhält zwei Jahre Freiheitsstrafe, drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 171 (6/2020).
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