Schleusenfest: Schönwalde-Glien feierte 70 Jahre Havelkanal und Schleuse!
Ohne den Havelkanal und die Schleuse würde es heutzutage in Schönwalde-Glien keinen Bürgermeister Bodo Oehme geben. Dessen Papa Reiner kam nämlich vor 70 Jahren in die Region, um als Elektriker beim Bau des Kanals mitzuwirken – und blieb. Am 11. Juni feierte die Gemeinde das 70-jährige Bestandsjubiläum des für Schönwalde so wichtigen Wasserwegs – mit einem zünftigen Schleusenfest. An die tausend Besucher kamen.
Das wäre heutzutage unvorstellbar. In den Jahren 1951 und 52 wurde der 34 Kilometer lange Havelkanal mitsamt der Schleuse in nur 13 Monaten Bauzeit fertiggestellt. Ein Ministerratsbeschluss der DDR machte damals den Weg frei für eine neue Wasserstraße zwischen der unteren und der oberen Havel. So wollte man in der DDR eine Verkürzung der Fahrstrecke bei der Umgehung von West-Berlin realisieren. Über tausend Arbeiter aus der ganzen DDR waren damals vor Ort tätig, um 1,8 Millionen Kubikmeter Erde auszuheben und anschließend 230.000 Kubikmeter Steine zur Befestigung des Ufers einzusetzen. Dass bei der Flutung im Juni 52 noch ein Bagger im Kanalbett stand – Schwamm drüber!
Auch wenn die ganz großen Schiffe nach der Wiedervereinigung inzwischen andere Wege bevorzugen, so sind auch heute noch viele Fahrgastschiffe, Sportboote und kleine Güterschiffe auf dem Kanal unterwegs. Die Schleuse wurde im Jahr 2012 sogar als “tourismusfreundlichste Schleuse in ganz Deutschland” ausgezeichnet – das ist auch eine Auszeichnung, die man sich erst einmal verdienen muss.
Die Schönwalder selbst nutzen ihren Kanal vor allem als Naherholungsziel. Hier kann man beim Angeln den Wurm ins Wasser halten oder mit der Freundin entspannt spazieren gehen.
Mit großem Elan hat die Gemeinde deswegen ein Fest anlässlich des 70. Jahrestages der Fertigstellung von Kanal und Schleuse ins Leben gerufen – und für die Umsetzung auch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Spree-Havel wortwörtlich mit “ins Boot geholt”.
Direkt an der Schleuse wurde kurzerhand eine Wiese zum neuen Festplatz erklärt. Die Resonanz bei den Bürgern war enorm. Schon vorab zeigten viele Schönwalder bei der Bekanntgabe des Termins nostalgische Gefühle: “Da sind wir früher immer baden gegangen” – “Da habe ich als Kind das erste Mal geangelt.”
Die Besucher des Festes konnten am 11. Juni jede volle Stunde beim Schleusen zuschauen oder sich selbst in einem offenen Fahrgastboot auf das Wasser trauen, um den Kanal einmal von dieser Perspektive aus kennenzulernen. Auch die Wasserschutzpolizei war vor Ort präsent.
Das galt auch für die Taucher von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Sie kümmern sich festangestellt um wichtige Unterwasseruntersuchungen im Kanal. Mark Kraft: “Wir Taucher sind immer zu viert unterwegs. Wir brauchen einen Signalmann, einen Tauchereinsatzleiter, einen Einsatztaucher und einen Reservetaucher. Regelmäßig tauchen wir die Brücken ab und schauen unter der Wasseroberfläche, ob alles in Ordnung ist. Gerade in den Brückenbereichen holen wir auch viel Müll aus dem Kanal, darunter alte Fahrräder, entsorgte Einkaufswagen und immer häufiger auch moderne E-Roller. Es gibt bei uns sogar ein Peilschiff, das durch den Kanal fährt und nach Hindernissen sucht. Da bekommen wir bei einem Fund einen GPS-Standort mitgeteilt. Da kann schon einmal ein entsorgtes Auto im Wasser liegen. Wir haben auch schon Schweißarbeiten an der Schleuse durchgeführt – unter der Wasseroberfläche.”
Eine Fotowand zeigte den Besuchern, was die Tauchertruppe inzwischen alles aus dem Wasser gezogen hat. Die Kinder freuten sich, weil sie einen historischen Taucherhelm aufsetzen durften.
Die Besucher des Schleusenfestes konnten außerdem eine Fotowand mit vielen Aufnahmen vom Bau des Kanals bestaunen. Bürgermeister Bodo Oehme: “Diese Fotos dürfte es eigentlich gar nicht geben, weil es damals in der DDR streng verboten war, Aufnahmen vom Bau des Kanals zu machen.”
Reiner Oehme, inzwischen 90 Jahre alt, stand als Zeitzeuge bereit, um selbst zu erzählen, was damals beim Bau des Kanals so alles passiert ist. Reinhold Ehl hatte außerdem seine Geschichte über die Entstehung des “Friedenskanals”, die im Buch “Made in Schönwalde” veröffentlicht wurde, in großer Schrift auf eine Wand geklebt. Außerdem konnte man einen Film von Heide Gauert sehen, den sie über die Entstehung des Havelkanals gedreht hatte.
Drumherum gab es ein buntes Programm. Die Jugendfeuerwehr Schönwalde-Glien präsentierte nicht nur ein Feuerwehrauto zum Anfassen, sondern lud die Kinder zu einer Wasserspritzaktion mit dem Feuerwehrschlauch ein. Es gab einen Bier- und Getränkewagen, viele aufgestellte Bierzeltgarnituren und viele weitere Essens- und Getränkeangebote an einzelnen Ständen. Just an diesen Ständen präsentierten sich u.a. der Kulturclub Pausin e.V., der WSV mit verschiedenen Berufsinformationen, der neu in Gründung befindliche Verein “Wir für Schönwalde” und der Regionalpark Osthavelland-Spandau e.V.
Am Stand vom Regionalpark konnte bereits das nächste “große Thema” für Schönwalde-Glien in Augenschein genommen werden – der geplante Havelkanalradweg, der direkt am Kanal entlangführen und einmal gut ausgebaut von Nieder Neuendorf bis Ketzin reichen soll. Hier gibt es einige Kontroversen, die noch bereinigt werden müssen.
Für viele Gäste des Fests war der Besuch auch sehr emotional. Oliver Beuchel: “Schönwalde hängt an diesem Kanal. Ich gehe hier fast täglich mit meinem Hund spazieren.” Uta Krieg-Oehme: “Als Kinder sind wir hier auf Klassenfahrt in die ‘Hoffnung’ eingestiegen und wurden dann den Kanal hin und her geschippert. Das wars. Da hatten wir uns von einer Klassenfahrt mehr versprochen.”(Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 196 (7/2022).
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