Bürgermeisterwahl (4): Ursula Nonnemacher
Am 27. September findet in Falkensee die Bürgermeisterwahl statt. In jedem Heft lassen wir einen Kandidaten zu Wort kommen. In den ersten drei Interviews wurden Heiko Müller (SPD), Barbara Richstein (CDU) und Norbert Kunz (DIE LINKE) befragt. Dieses Mal sprachen wir mit Ursula Nonnemacher von den Grünen.
Was haben die Grünen eigentlich bislang in Falkensee bewegt?
Als unser Ortsverband im April 1997 gegründet wurde, waren grüne Themen in Falkensee noch etwas Exotisches.
Mit unserem Kampf gegen die Asbeststraßen, für Baumschutz und den Erhalt von Grünflächen, unserem Einsatz für Erneuerbare Energien – ich denke an die Kampagne „Solar lokal“ und die Bürgersolaranlagen – hat sich das rasch geändert.
Wie viele Anträge für Radwegekonzepte, Fahrradbeauftragte, Lärmminderung, Verkehrsberuhigung, integrierte Stadtentwicklung sowie Klimaschutz und sozial-ökologische Beschaffung ich als Fraktionsvorsitzende geschrieben habe, kann ich schon gar nicht mehr sagen. Heute gehört dies zum Repertoire aller Parteien. Darauf sind wir stolz!
Allerdings hinkt Falkensee in vielen Bereichen anderen Kommunen hinterher. Wir Grünen sind auch diejenigen, die seit 1999 konsequent gegen die unsinnige Nordumfahrung vorgegangen sind, die Stasiüberprüfung der Stadtverordneten auf den Weg brachten und immer wieder Barrierefreiheit wie bei der Sanierung der Kantschule einforderten: Dort haben wir jetzt einen Fahrstuhl!
Wir haben uns Weltoffenheit und Willkommenskultur auf die Fahne geschrieben und uns für die Ideen und die Anhörung der Bürger zum Anliegerstraßenbau eingesetzt, als Bürgerbeteiligung hier noch weitgehend ein Fremdwort war. Vor allem aber: Wir haben die politische Kultur in der SVV nachhaltig beeinflusst. Wo früher durchgewinkt und abgenickt wurde, haben wir die Debatte eingefordert.
Welche (grünen) Ziele würden Sie als Bürgermeisterin von Falkensee zuerst angehen?
Wir haben uns immer für das Leitbild der grünen Gartenstadt Falkensee engagiert. Das bedeutet ein Stadtentwicklungskonzept, das unser Grün und das Klima schützt und Menschen ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften ermöglicht. Ich werde mich für eine zukunftsfähige Mobilität mit Stärkung des ÖPNV, den Ausbau der Verkehrswege für Fußgänger und Radfahrer und für Lärmminderung einsetzen. Wichtig sind mir ein gesundes Aufwachsen unserer Kinder mit hochwertigen Bildungsangeboten und gelebter Inklusion.
Vor allem liegt mir das Klima in der Stadt in übertragenem Sinne am Herzen: Der Dialog zwischen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung ist gestört. Da ist mehr Zuhören und Vermitteln, da ist fairer Interessensausgleich statt Zutakten und Durchregieren gefragt. Wer auch immer Bürgermeister in Falkensee wird: Sie oder er wird sich auf keine Hausmacht in der SVV stützen können. Politische Überzeugungskraft und Integration sind gefragt!
Mehrere Großinvestoren buhlen um den Standort Falkensee – brauchen wir ein Projekt wie das SeeCarré wirklich?
Natürlich ist es schön, wenn sich Investoren für eine aufstrebende Stadt wie Falkensee interessieren – ich stehe einer geordneten Ansiedlung von Unternehmen positiv gegenüber. Es ist aber nicht zu akzeptieren, dass die Stadt jedem, der anklopft, den roten Teppich ausrollt zu den Bedingungen, die er haben will. Wir als Stadt müssen Investoren selbstbewusst sagen: „Das ist unser Leitbild und unser Entwicklungskonzept, da kannst du dich gerne einfügen.“
Wir als Stadt müssen die Bedingungen vorgeben, nicht umgekehrt. Wir Grünen haben nach gründlicher Abwägung gegen das SeeCarré gestimmt: Geschlossene Shopping-Malls haben sich überlebt. Die ewig gleiche Anordnung von Filialen wird Falkensee kein Gesicht verleihen und vor allem werden hierdurch die bescheidenen Erfolge bei der Gestaltung des Zentrums nördlich der Bahn massiv gefährdet.
Wie würden Sie das Stadtzentrum um die Bahnhofstraße beleben?
Zunächst einmal gilt es realistisch zu sein: Während in der Bundesrepublik überall historisch gewachsene Stadtzentren durch die Konkurrenz des Internets oder durch Einkaufszentren auf der grünen Wiese veröden, wollen wir in einer Stadt ohne Zentrum eines schaffen. Das ist eine Herkulesaufgabe und die Bahnhofstraße wird nie der Tauentzien werden.
Wir haben aber auch einiges richtig gemacht: Die positive Entwicklung des Bahnhofumfeldes, das Bürgerservicebüro in der Poststraße und die hoffentlich bald eröffnungsreife Campushalle mit Sport- und Kulturveranstaltungen sind Schritte in die richtige Richtung. Wir wollen den Seegefelder Anger zu einem attraktiven zentralen Ort mit Geschäften und Gastronomie entwickeln und den Gutspark aufwerten. Dieses Herzstück eines möglichen Zentrums für eine Straße zu opfern, halten wir für völlig verfehlt: Deshalb lehnen wir die Verlängerung der Seegefelder Straße über den Anger, die sogenannte Bogenlösung, ab. Eine Belebung der Bahnhofstraße wird sich eher über Veranstaltungen, Kunst, Kultur und Gastronomie ergeben.
Müsste man mit Ihnen als Bürgermeisterin fürchten, dass in der ganzen Stadt nur noch 30 km/h gefahren werden darf?
Nicht überall, aber öfter! Bleifüße auf dem Gaspedal in Siedlungsgebieten sind eine Gefahr und daher nicht zu tolerieren! In Falkensee gilt in allen Anliegerstraßen sowieso Tempo 30! Dort, wo es gilt, die Ziele der Lärmaktionspläne durchzusetzen und lärmgeplagten Anliegern zu mehr Nachtruhe zu verhelfen oder Gefahrenpunkte an Kitas und Schulen abzumildern, spreche ich mich auch für Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen aus. Mehr Tempo 30 in unseren Städten fordern inzwischen sogar die Verkehrsminister.
Schwimmbad, mehr Mitbestimmung durch die Bürger, Straßenausbau – wie stehen Sie dazu?
Ich sehe ein Hallenschwimmbad in einer wachsenden Stadt wie Falkensee zu Recht oben auf der Agenda. Schwimmen ist gesund und für alle Altersgruppen vom Kleinstkind bis zum Hochbetagten ideal. Mir missfällt aber, daraus einen Wahlkampfschlager zu machen. Kein Bürgermeister kann dies im Alleingang versprechen. Wir haben gerade einen unplanmäßigen Kostenschub bei der Campushalle, die Eröffnung zum Herbst ist gefährdet, die Bewirtschaftungskosten sind unklar. Ein Hort in Finkenkrug muss sehr zeitnah gebaut werden. Daher möchte ich erst wissen, wohin die Reise geht und tragfähige Kalkulationen zu Bau und vor allem zu den Unterhaltungskosten des Bades vorliegen haben.
Bürgerbeteiligung ist das Thema der nächsten Jahre und ich werde mich ihm intensiv widmen. Auf unsere Initiative wurde Geld zur besseren Planung solcher Bürgerbeteiligungsprozesse in den Haushalt eingestellt. Denn die Spielregeln müssen klar sein: Was kann Bürgerbeteiligung und wo liegen die Grenzen. Sonst entsteht nur Frust!
Der Anliegerstraßenbau wird noch länger eines der führenden Themen in der Stadt sein. Ich setze mich weiterhin für eine frühzeitige Information und echte Beteiligung der Betroffenen, aber auch für einen gerechten Interessensausgleich zwischen Anliegern und allen Bürgern der Stadt ein. Anlieger dürfen durch Beiträge nicht unmäßig belastet werden, Anliegerstraßen sind aber öffentliches Straßenland und keine Privatstraßen. Die Diskussionen werden nicht einfacher werden, sie müssen aber mit Geduld und gegenseitigem Respekt geführt werden.
Liebe Frau Nonnemacher, haben Sie vielen Dank! (Foto: privat)
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