Kitakollaps: Wir können nicht mehr: Kitas am Rand der Belastbarkeit!
Es langt! Im Rahmen der landesweiten Protestaktion “Kitakollaps” gingen am 15. Mai in ganz Brandenburg Erzieherinnen und Erzieher zusammen mit den ihnen anvertrauten Kindern auf die Straße, um mit Schildern, Spruchbändern und Trillerpfeifen darauf hinzuweisen, dass es nicht nur an Kitaplätzen mangelt, sondern vor allem an den benötigten Fachkräften. Die Kitas können im Zeichen des Mangels ihre pädagogische Arbeit nicht mehr sicherstellen. Die Kitas als reine Kinder-Verwahrungsstellen: Das darf es doch auch nicht sein!
Was willst du denn einmal werden? Das fragt man gern die Kinder. Eins ist mal klar: Erzieher in der Kita scheint auf der Beliebtheitsskala nicht besonders weit oben zu stehen. Den Kita-Einrichtungen fehlt es an allen Ecken und Enden an Personal. Man könnte durchaus sagen: Die Hütte brennt. Es steht aber kein Löschwasser bereit. Aus der Politik kommen nur Phrasen, echte Lösungen sind nicht einmal als Silberstreif am Horizont zu erahnen.
Aus diesem Grund gingen die Brandenburger Kitas am 15. Mai früh morgens gegen zehn Uhr auf die Straßen und zogen mit vielen Mitarbeitern, Eltern und Kinder vor die Rathäuser, um zu protestieren. Damit folgten sie dem landesweiten Aufruf unter dem Banner “Kitakollaps” (www.kitakollaps.de) und richteten sich mit Spruchbändern und Plakaten direkt an das Bildungsministerium des Landes Brandenburg. 374 Aktionen waren für den 15. Mai in Brandenburg geplant.
Angela Grell, Leiterin der Kita Sonnenschein aus Schönwalde-Siedlung: “Wir sind überlastet. Wir opfern uns auf, arbeiten uns kaputt und können unserer pädagogischen Arbeit nicht mehr vollumfänglich gerecht werden – auch auf Kosten der Eltern, die einen Anspruch haben, dass ihre Kinder betreut werden. Kitas sind systemrelevant.”
Der “Kitakollaps”-Aktionstag soll sich für “höhere Bildungs- und Betreuungsqualität für die Kinder, bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte, mehr Kitaplätze und eine bedarfsgerechte Planung, eine bessere Personalausstattung und ein neues Kitagesetz mit eindeutigen Vorgaben u.a. für Finanzierung, Qualitätsstandards und eine sich am Bedarf der Kinder orientierende Personalbemessung” stark machen.
In Brieselang liefen die Erzieher der Kita Zwergenburg, der Kita Regenbogen und der Kita Grashüpfer mit 108 Kindern zum Rathaus, um hier publikumswirksam auf dem Marktplatz ihre Plakate zu zeigen und gemeinsam zu singen.
Julia Selaskowski war als Mutter von drei Kindern mit dabei: “Da hat man endlich nach langem Hoffen einen Kitaplatz bekommen und dann hat man die Kinder aufgrund des Personalmangels doch wieder Zuhause.”
Dass die Eltern immer wieder als Notnagel einspringen müssen, sieht auch Vater Rolf Przywara so: “Wie soll das denn in der Zukunft weitergehen? Ständig müssen wir Eltern aushelfen und die Kinder zur Not bei den Großeltern unterbringen, weil die Kita nicht genug Personal hat. Die uns zugesicherten Betreuungszeiten können einfach nicht abgedeckt werden.”
Stephanie Hoffmann, Leiterin in der Brieselanger Kita Grashüpfer, sprach Klartext: “Bei uns ist die Lage extrem angespannt. Wir haben kein Personal. Wir geben in diesem Jahr 26 Kinder in die Schule, nehmen aber nur sieben Kinder neu auf. Das ist ein enormer Einschnitt für Brieselang. Viele Kollegen brennen aus, die anderen arbeiten Vollzeit, um das zu kompensieren – und es reicht trotzdem nicht. Es ist ja nicht einmal mehr möglich, die Kollegen zu einer Weiterbildung zu senden. Die Qualität unserer Arbeit leidet – auch in der so wichtigen Vorschularbeit. Auch die Zusammenarbeit mit den Grundschulen kann nicht wie früher realisiert werden. Wir sind nur noch eine Sammelaufbewahrung für die Kinder. Es ist wirklich an der Zeit, dass wir einmal laut werden.”
Die Brieselanger Kitas überreichten eine große Box mit den gemalten Wünschen der Kinder an Thomas Lessing, den stellvertretenden Bürgermeister und zugleich auch Fachbereichtsleiter für Soziales. Der sagte: “Dass es brennt, wissen wir. Wir müssen am gleichen Strand ziehen, damit sich etwas ändert. Der Kitakollaps ist ein gutes Zeichen für die Träger und auch für die Politik im Land, dass hier etwas getan werden muss.”
Auch in Falkensee wurde gestreikt. Die gesamte Kita “Zum guten Hirten” marschierten mit einigen Eltern zum Rathaus. Kitaleitung Tanja Stoll: “Wir finden keine neuen Erzieher. Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem. Die Ausbildungsbedingungen für Erzieher müssen endlich verbessert werden, damit dieser tolle Beruf wieder attraktiver wird für die jungen Menschen.”
Da die Ausbildung zum Erzieher an den Berufsfachschulen nicht vergütet wird, entscheiden sich viele angehende Erzieher für den dualen Weg. Sie arbeiten also nur wenige Tage in der Woche in der Kita und gehen an den anderen Tagen in die Schule.
Tanja Stoll: „Hinzu kommt die Not der vielen Eltern. Sie suchen händeringend nach Kitaplätzen für ihre Kinder. Sie möchten und müssen zum Teil wieder arbeiten. Aber wir haben einfach nicht genügend Leute. Neue Kitas zu bauen, löst also nicht das Problem. Es muss in erster Linie Menschen geben, die diesen Beruf mit Leidenschaft erlernen wollen und dazu braucht es attraktivere Arbeitsbedingungen.“ (Text: SSch+CS / Fotos: CS+PH)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 207 (6/2023).
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