Die lange Nacht der Volkshochschulen – auch in Falkensee!
Vor einhundert Jahren – mitten in der Weimarer Republik – wurden in Deutschland die Volkshochschulen gegründet. Die Idee dahinter: Menschen, die eigentlich das Schulsystem bereits hinter sich gelassen haben, noch etwas Extrabildung mit auf den Weg zu geben. Passend zum Gründungsjubiläum wurde im ganzen Land am 20. September die “Lange Nacht der Volkshochschule” ausgerufen.
Gut die Hälfte aller Volkshochschulen schlossen sich der Idee an, in den Abendstunden ihre Türen zu öffnen, um zu einem ebenso bunten wie auch kostenlosen Programm zu laden. Auch die VHS Havelland mit ihren beiden Standorten in Falkensee und Rathenow beteiligte sich. Leiter Dr. Frank Dittmer: “Es ist die größte Publikumsaktion in der hundertjährigen Geschichte der Volkshochschulen.”
Der erste im Jahr 1919 von der Volkshochschule Havelland abgehaltene Kurs nannte sich “Bausteine des Weltalls”. Passend dazu läutete Dozent Dr. Peter Fleischer die “Lange Nacht der Volkshochschule” in Falkensee gegen 18 Uhr im Computerraum ein. Hier konnten die Besucher Filme aus dem Weltall bestaunen und Webseiten für Sternenfreunde aufrufen.
Die Experten der Bruno-Bürgel-Sternwarte aus dem nahen Spandau waren extra mit einem 200 Kilo Teleskop angereist, um den Besuchern auf der Dachterrasse der Volkshochschule die Wunder des Kosmos in vielfacher Vergrößerung zu zeigen. Leider zeigte sich der Himmel bedeckt. Und so blieb das Teleskop, wo es war, und musste nicht Kilo für Kilo die Etagen der VHS hinaufgewuchtet werden: Der Programmpunkt fiel leider aus.
Das war zwar für viele betrüblich. Die Besucher konnten aber immerhin die Finissage der Ausstellung „Frauenalltag – Frauenarbeit – Frauenrechte“ besuchen und mit der Zeitzeugin Heidi Zeigler ins Gespräch zu kommen, die darin u.a. porträtiert wird. Außerdem stellte sich Evelyn Berger vom DGB Brandenburg dem Dialog zum Thema „Frauenrechte“.
Ein weiterer Programmpunkt: Zwei Tanzpaare luden die Gäste der “Langen Nacht” dazu ein, gemeinsam über das Parkett zu schweben und neue Tanzschritte kennenzulernen. Ganz egal, ob Tango Argentino, Walzer, Quickstep oder Disco Fox: Für jede sperrige Hüfte war das passende Kontrastprogramm mit an Bord.
Als heimlicher Star des Abends zeigten sich die Vorträge im großen Saal. Pfarrer Dr. Bernhard Schmidt zog im ersten 45-Minuten-Diskurs den Bogen von der Religion zur Musik.
Es schloss sich der Falkenseer Dezernent Dr. Harald Sempf an, der als aktiver Reservist in Marine-Uniform aus seiner lange zurückliegenden Zeit in der Volksmarine der DDR berichtete: “In der DDR war man ja eingesperrt. Ich wollte mehr sehen als nur Rumänien und Bulgarien und bin zur Marine gegangen, um mehr von der Welt kennenzulernen. Mit meinen 1,77 Metern war ich zum Glück auch nicht zu groß, sonst stößt man auf den niedrigen Schiffen ja ständig irgendwo an. Auch wenn damals der Sprit teuer war, so gab es doch viele Ausflüge über die Ostsee. Was ich bei meinem Plänen damals allerdings nicht bedacht habe – ich wurde auf hoher See furchtbar seekrank.”
Dr. Sempf spickte seine Erzählung mit vielen amüsanten Anekdoten (“Ich habe mich auch als Koch an Bord betätigt und eins kann ich sagen: Pommes frites mache ich auf hoher See nie wieder.”), sparte aber auch die bedrohlichen Dinge nicht aus: “Wir hatten genau eine Rakete an Bord. Die setzten wir einmal einem bundesdeutschen Schiff vor den Bug, als es sich während eines Manövers näherte.” Diese militärische Aktion sorgte für Spannungen zwischen den Ländern – und schlug sich sogar in den Medien wieder.
Dr. Sempf erzählte auch, dass auf den Kriegsschiffen der DDR alles in Russisch beschriftet war, was nicht jeder Matrose verstand. Und dass er in den Häfen mit der “gelebten ostdeutschen Tauschwirtschaft” betraut war, um an neue Glühbirnen oder Sicherungen für das Schiff zu gelangen.
Nach Dr. Sempf war Carsten Scheibe an der Reihe. Der Biologe berichtete von Insekten, Spinnen, Amphibien und Reptilien, die er im eigenen Garten gefunden und fotografiert hatte. Zu jedem Tierchen gab es einen interessanten Fakt. So schwitzen Marienkäfer bei Bedrohung giftige gelbe Körperflüssigkeit aus ihren Kniekehlen aus, die bitter schmeckt – als Abschreckung für Freßfeinde. Warzenbeißer-Heuschrecken wurden früher wirklich verwendet, um Warzen loszuwerden. Die Heuschrecken bissen die Hautzipfel ab und verödeten die Wunde mit hochgewürgtem Magensaft. Und: Weibliche Feuerwanzen sterben eher als die Männchen – und zwar aufgrund sexueller Erschöpfung, weil sie das gesamte Leben mit der Fortpflanzung beschäftigt sind.
Marlies Schnaibel, Redakteurin der MAZ, schloss sich an – mit einem Vortrag über “Königin Luise – das Covergirl der Preußen“. Seit ihrer Schulzeit beschäftigt sich die Journalisten mit der 1776 geborenen Frau aus Hannover, die später die Gemahlin von König Friedrich Wilhelms III. von Preußen wurde: “Königin Luise war eine von elf Königinnen, die wir bei uns hatten – und sicherlich die bekannteste. Sie ist jung gestorben, da ist recht schnell ein Mythos entstanden – wie bei Lady Di. Hinzu kommt, dass niemand so wirklich weiß, wie Königin Luise ausgesehen hat. Zu Lebzeiten sind 38 Abbildungen entstanden. Und auf jeder sieht die junge Frau anders aus. Ich denke, die Totenmaske wird ihr am ähnlichsten sein. Luise stammt aus dem Haus Mecklenburg-Strelitz. In der Region bin ich selbst auch aufgewachsen, daher kommt mein großes Interesse an der Luise.”
Auch bei Marlies Schnaibel konnte der Zuhörer wieder viele kleine, spannende Details erfahren: “Luise hat ihrem Mann nach der Hochzeit das Du angeboten, das war unüblich. Die beiden haben auch viel nur in Familie unternommen, was in Königskreisen sehr ungewöhnlich war.”
Dr. Frank Dittmer schloss den gut besuchten Abend mit seinem Vortrag “100 Jahre Bildung in 45 Minuten” ab. Der Exkurs in die Geschichte der Volkshochschule war nicht nur historisch sehr interessant, sondern brachte auch den einen oder anderen kuriosen Fakt ans Tageslicht. So war zu DDR-Zeiten der VHS-Kurs “Discjockey-Prüfung” sehr begehrt, weil ohne den erworbenen Schein niemand Musik in den Kneipen und Ballsälen machen durfte. Und noch heute gilt: Nur 22 Prozent der Teilnehmer der VHS-Kurs sind Männer. Hier dominieren also die wissensdurstigen Frauen.
War der Veranstalter am Ende zufrieden mit seiner “Langen Nacht”? Dr. Frank Dittmer: “Ja, sehr. In Brandenburg haben sich 16 von 20 Volkshochschulen an der langen Nacht beteiligt, das ist doch toll. In Falkensee konnten die Besucher selbst um Mitternacht noch nicht genug bekommen. Bei den Vorträgen traten Fachleute auf, die aus reiner Begeisterung und mit leuchtenden Augen von ihren Steckenpferden berichtet haben. Das kam bei den Zuhörern sehr gut an. Ob die Lange Nacht aber in die Wiederholung geht, das kann ich jetzt noch gar nicht sagen.” (Text: CS / Fotos: CS, Kristina Scheibe, Kyle Kaaz)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 163 (10/2019).
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