Unser Havelland und EDEKA Dorfmann Zukunftsmarkt Video-Podcast (10): Im Gespräch mit Michael Koch vom Katastrophenschutz
“Unser Havelland” startet ein neues Format. Einmal im Monat laden wir uns eine interessante Person aus dem Havelland ein, um ein halbstündiges Gespräch mit vorbereiteten Fragen zu führen. So können wir ein Interview präsentieren, das bewusst den Rahmen sprengt und ein wenig mehr in die Tiefe geht. Im Oktober war Michael Koch zu Gast. Er ist Beigeordneter und Dezernent im Landkreis Havelland – und verantwortlich für den Katastrophenschutz.
“Unser Havelland” lädt einmal im Monat eine interessante Person aus dem Havelland ein, um ein halbstündiges Expertengespräch zu führen. So können wir ein Interview präsentieren, das den Rahmen sprengt und ein wenig mehr in die Tiefe geht. Das Interview wird auf vier Seiten im Magazin abgedruckt und auf die Homepage www.unserhavelland.de gestellt. Zugleich nehmen wir auch einen halbstündigen Experten-Podcast auf Video auf, den Sie auf unserem YouTube-Kanal (www.youtube.com/UnserHavelland) sehen können.
Unser Interview findet immer in der “Überschaubar” im neuen EDEKA Zukunftsmarkt in Nauen (www.zukunftsmarkt-dorfmann.de) von Christian Dorfmann statt – das ist zurzeit der nachhaltigste EDEKA-Markt in ganz Deutschland.
Unser erster Gast war Christian Lohse, der 2-Sterne-Koch, der in Falkensee lebt. Anschließend nahmen Robert Dahl als Inhaber von Karls Erlebnis-Dorf in Elstal, Birgit Faber als Geschäftsführender Vorstand vom “Turn und Sportverein Falkensee e.V.” und Olaf Höhn als Geschäftsführer von Florida Eis aus Spandau vor unserem Mikrofon Platz. Thilo Spychalski, der Geschäftsführer der Havelland Kliniken Unternehmensgruppe, war unser Gast. Anschließend besuchte uns Ronald Rauhe aus Falkensee, Olympia-Sieger im Kajakfahren, mit seinen fünf Olympia-Medaillen. Wir sprachen mit Dirk Eilert aus Dallgow-Döberitz – er beschäftigt sich mit der Mimikresonanz-Methode. Auch Roger Lewandowski war als amtierender Landrat vom Landkreis Havelland zu Gast im Experten-Podcast. Im letzten Monat sprachen wir mit Dorothee Berger. Sie ist Vorstandsvorsitzende vom pro agro Verband. Im September war Michael Koch bei uns. Er ist im Landkreis mit dem Katastrophenschutz beauftragt.
Herzlich willkommen bei unserem Experten-Podcast in der “Überschaubar” im Zukunftsmarkt vom EDEKA Christian Dorfmann in Nauen. Heute begrüßen wir Michael Koch bei uns vor dem Mikrofon, um über das Thema Katastrophenschutz im Havelland zu sprechen. Lieber Herr Koch, Sie sind Beigeordneter und Dezernent im Landkreis Havelland. Das sind Begriffe, mit denen der normale Bürger nicht wirklich etwas anfangen kann. Was bedeutet das eigentlich?
Michael Koch: “Also: Ein Beigeordneter ist ein kommunaler Wahlbeamter, genauso wie ein Landrat oder ein Bürgermeister auch. Beigeordnete vom Landkreis werden aber nicht von der Bevölkerung gewählt, sondern vom Kreistag. Oder von der Stadtverordnetenversammlung, wenn es um die städtische Ebene geht.
Wir Beigeordnete vom Landkreis werden für acht Jahre gewählt. Wir können jederzeit den Landrat vertreten, auch wenn er gerade da und verfügbar ist. Wir können wie der Landrat agieren und auch Erklärungen abgeben.
Wir Beigeordnete sind aber auch Dezernenten, weil wir ein Dezernat leiten. Es gibt auch Dezernenten, die sind ‘nur’ Dezernenten und keine Beigeordneten. Sie leiten ihr Dezernat im Angestelltenverhältnis, können aber die eben erwähnte Stellvertreterfunktion nicht mit ausüben. Das ist der Unterschied.”
Sie betreuen das Dezernat III. Was gehört da eigentlich alles mit dazu?
Michael Koch: “Es gibt insgesamt fünf Dezernate im Landkreis. Ich bin für das Dezernat 3 verantwortlich.
Das Dezernat 3 umfasst u.a. das Haupt- und Personalamt. Das habe ich erst vor zweieinhalb Monaten mit dazubekommen. Dann habe ich auch noch das Referat für den Bevölkerungsschutz und den Rettungsdienst unter mir. Das ist praktisch das Hauptthema, um das wir uns ja heute kümmern. Hinzu kommen auch das Umweltamt mit allen Fachbehörden und das Amt für Landwirtschaft, Veterinär- und Lebensmittelüberwachung. Das ist mein Geschäftsbereich, den ich vertrete.”
Die Bürger im Havelland ärgern sich zunehmend über den Müll, der immer häufiger auf skrupellose Weise mitten im Wald abgeladen wird. Mitunter stehen ganze Wohnungseinrichtungen inklusive Sofa und Wandschrank im Wald, hinzu kommt jede Menge Bauschutt. Können Sie uns mehr erzählen, das passt ja zum Umweltamt.
Michael Koch: “Gerade der Bereich der illegalen Abfallablagerung ist ein Punkt, der unser Umweltamt sehr, sehr stark beschäftigt – besonders die Abfallwirtschafts- und Bodenschutzbehörde.
Zunächst einmal muss man schauen, wo der sogenannte herrenlose Abfall anfällt. Innerhalb der Städte und Gemeinden sind die Ordnungsämter zuständig. Sie können den Müll bei uns anliefern. Im Wald und auf der Flur außerhalb der Gemeinden ist der Landkreis direkt verantwortlich. Wir kümmern uns um die Entsorgung und im Nachgang um die verbundenen ordnungsrechtlichen Verfahren. Wir sind in diesem Jahr bereits bei 260 Anzeigen, denen wir nachgehen mussten – und wir sind erst im September.
Natürlich versuchen wir immer zu ermitteln, wer eigentlich der Verursacher ist. Leider ist die Erfolgsquote sehr, sehr niedrig. Ab und zu bekommen wir aber doch heraus, wer für den Müll verantwortlich ist, weil entsprechende Hinweise hinterlassen wurden. Mitunter ist das dann eine Familie aus Berlin, die eine Firma damit beauftragt hat, den Hausstand einer verstorbenen Person aufzulösen. Wenn unverkäufliche Möbel im Wald landen, ist die Entsorgung für die Firma eben besonders preiswert. Was man wissen muss: Der ursprüngliche Besitzer des Unrats wird auch für die Beseitigung belangt und ist voll haftbar. Deswegen ein guter Rat: Wer Bauschutt oder Hausrat zur Entsorgung abtransportieren lässt, sollte sich zwingend einen Entsorgungsnachweis geben lassen. Ansonsten kann das bei Dachpappe, Asbest oder Styropor, die im Wald abgeladen werden, schnell äußerst teuer werden.
Man darf auch nicht vergessen, dass diese erzwungene Entsorgung den Landkreis viel Geld und Zeit kostet. Die Kosten werden am Ende auf den Gebührenzahler umgelegt. Zur Veranschaulichung: In den letzten Jahren haben wir durchschnittlich immer um die 400 Tonnen an herrenlosen Abfällen pro Jahr eingesammelt.”
Viele Bürger beschweren sich. Sie haben Müll im Wald entdeckt, den Fund gemeldet und dann passiert erst einmal nichts mehr – der Unrat bleibt liegen.
Michael Koch: “Zunächst einmal finde ich es ganz toll, wenn sich Bürger die Mühe machen und einen Fund melden. Darauf ist das Umweltamt tatsächlich sogar angewiesen. Bei einer Landkreisfläche von fast 2.000 Quadratkilometern können die Mitarbeiter vom Umweltamt nicht hinter jeder Eiche stehen. Das funktioniert nicht. Von daher sind wir darauf angewiesen und auch sehr dankbar darüber, dass sich die Leute kümmern.
Aber wir können einen Müllberg oft nicht einfach abtransportieren. Wir müssen erst einmal herausfinden, was da wirklich im Wald abgestellt wurde und ob der Unrat nicht vielleicht sogar gefährlich ist. Ich sage auch zum Bürger ganz deutlich: Halten Sie Abstand. Es hilft niemanden, wenn Sie sich in Gefahr begeben. Mitunter entdeckt man neben dem klassischen Bauschutt nämlich auch dubiose Fässer, bei denen man einfach nicht weiß, was sie enthalten. Das müssen wir analysieren, das dauert mitunter etwas Zeit. Und dann müssen die Kollegen von unserer Abfallbehandlungsgesellschaft auch schauen, wie das alles fachgerecht aufgeladen und entsorgt wird.”
Wir bleiben im Wald – und beschäftigen uns mit den Wildschweinen. Seit Monaten wird immer wieder von der afrikanischen Schweinepest berichtet, die inzwischen auch in Brandenburg nachgewiesen wurde – und die unbedingt bekämpft und auf Abstand gehalten werden muss. Warum eigentlich?
Michael Koch: “Die afrikanische Schweinepest hat ihren Ursprung in Südosteuropa. Sie hat sich über mehrere Jahre hinweg weiter ausgebreitet und konnte irgendwann auch im Osten Brandenburgs und später auch in Sachsen nachgewiesen werden.
Das Land Brandenburg hat zusammen mit den betroffenen Landkreisen größte Kraftanstrengungen unternommen, um diese Seuche einzudämmen.
Bei der afrikanischen Schweinepest handelt es sich um eine Viruserkrankung, die für den Menschen komplett ungefährlich ist. Da braucht sich niemand zu sorgen.
Für 90 Prozent der Schweine verläuft diese Seuche aber tödlich. Die Erkrankung ist auch mit einer großen Qual für die Tiere verbunden. Es ist ein furchtbarer Tod, wenn man verfolgt, wie die Schweine verenden.
Die Schweinepest wird über eine direkte Infektion übertragen, also von Schwein zu Schwein – oder aber über einen infizierten Kadaver, der im Wald liegt.
Leider ist es auch möglich, dass das Virus über kontaminierte Fleischprodukte verbreitet wird. Der Rest der Wurststulle, in der kontaminiertes Fleisch verarbeitet wurde, wird etwa an einer Raststätte weggeworfen und von Wildschweinen gefressen – und schon überspringt die Infektion große Entfernungen. Dank des dichten LKW-Verkehrs, der viele Länder miteinander verbindet, könnte es überall in Deutschland so eine Punktübertragung geben. Es gab bereits einzelne Fälle in Hessen, das ja von der ostdeutschen Grenze weit entfernt ist.
Tragisch ist: Wird die afrikanische Schweinepest in die Schweinebestände der Landwirtschaft hineingetragen, so muss zwingend der gesamte Tierbestand gekeult, also getötet werden, um die Seuche sofort einzudämmen. Das ist das einzige Mittel der Wahl, das die Veterinärbehörden dann noch haben. Auch das Fleisch dieser Tiere darf nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Für die Landwirte ist das eine Katastrophe.
Wir hatten ja auch in Brandenburg Fälle. Wir haben das mit großer Kraftanstrengung so eingedämmt, dass Deutschland nun nach einem Jahr als ASP-frei gemeldet werden kann. Damit entfallen auch gewisse Handelsbeschränkungen für außereuropäische Märkte, die bislang noch gegolten haben.”
Ich habe gelernt, dass wir im Havelland prophylaktisch Zäune eingelagert haben, um im Notfall tatsächlich auch eine physikalische Grenze im Wald ziehen zu können. So soll verhindert werden, dass infizierte Wildschweine ins Havelland einwandern.
Michael Koch: “Es gibt bei uns in Friesack das Katastrophenschutzzentrum vom Landkreis Havelland. Dort haben wir tatsächlich für den Ernstfall 40 Kilometer Zaun eingelagert. Es gibt auch einen Vertrag mit einem Unternehmen, das uns zusichert, binnen 48 Stunden weitere Kilometer an Zäunen liefern zu können.
Man muss sich das wie folgt vorstellen: Es handelt sich um Drahtzäune mit einer Mindesthöhe von 1,20 Metern. Die Stützpfähle müssen mit Pfahlrammen in den Waldboden geschlagen werden. Das ist schon ein gewisser Aufwand, der mit dem Aufstellen eines solchen Zauns verbunden ist. Und der Vorgang muss mitunter sehr schnell durchgeführt werden, um bei einem Ausbruchsfund sofort eine abgeriegelte Zone einzurichten, um den weiteren Ausbruch der Krankheit zu verhindern.
Wir sind hier also sehr gut vorbereitet und glaube ich auch ganz vorn mit dabei. Das passt ja auch sehr gut zum Katastrophenschutz. Für die verschiedensten Krisenfälle entwickeln wir Pläne und bereiten uns vor, um für den Ernstfall gerüstet zu sein.”
Apropos Virus. Wildschweine können an einem Virus sterben, wir Menschen aber auch. Seit Jahrzehnten fürchtet sich die Wissenschaft vor einer Pandemie, die weltweit Menschen erkranken lässt. 2020 war es so weit: Corona ging um die Welt. Das Virus hat uns kalt erwischt. Wir mussten sehr schnell reagieren, wir haben reagiert. Wir haben die Krise gemeistert, es ist überstanden. Aber die nächste Pandemie könnte ja bereits hinter der Ecke warten. Deswegen wäre es wichtig zu erfahren: Hat man aus Corona gelernt und Pläne aufgestellt, um im Ernstfall schnell die Schublade aufmachen zu können und einen Maßnahmenkatalog vorzufinden?
Michael Koch: “Natürlich haben wir gelernt und Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen.
Das Thema ist aber auch noch gar nicht vom Tisch. In Deutschland wird ja immer noch darüber diskutiert, ob die Maßnahmen damals nun verhältnismäßig gewesen sind oder nicht.
Ich muss bei Corona ganz klar sagen. Als Landkreis und damit auch als untere Katastrophenschutzbehörde stehen wir am Ende der Kette. Wir haben die Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Länder umzusetzen – und selbst relativ wenig Möglichkeiten, uns hier einzubringen. Etwa, indem wir einzelne Maßnahmen nicht umsetzen. Das geht gar nicht.
Unsere Herausforderung war es im Gesundheitsamt vor allem, die personellen Ressourcen zu stellen. Gerade für die Kontaktnachverfolgung mussten zunächst Mitarbeiter auch aus der Verwaltung eingebunden werden, am Ende haben sogar Angehörige der Bundeswehr geholfen.
Natürlich haben wir uns im Nachgang mit den Kollegen zusammengesetzt und darüber gesprochen, wie wir einen Pandemieplan für die Zukunft erstellen können. Tatsächlich gibt es an dieser Stelle einen großen Lerneffekt. Alle unsere Katastrophenschutzpläne vor Corona waren immer auf sehr begrenzte Zeiträume ausgerichtet. Da ging es eher um ein Hochwasser, um einen Waldbrand, um ein großes Zugunglück oder um ähnliche Szenarien, die in der Regel nach Tagen oder spätestens nach Wochen bereits wieder beendet sind. Corona hat sich schlussendlich über Jahre hingezogen. Das muss man sowohl personell als auch von den Maßnahmen her auch durchhalten können. Das war bei Corona die große neue Herausforderung, mit der wir arbeiten mussten.”
Wenn die nächste große Katastrophe kommt, müssen wir im Zweifelsfall schnell informiert werden. Deswegen gibt es seit drei Jahren den bundesweiten Warntag, der immer am 11. September um 11 Uhr durchgeführt wird. Dann sollen probeweise alle Sirenen im Land aufheulen. Und auf den Smartphones der Menschen soll ein Hinweistext erscheinen, gekoppelt an einen Alarmton. Beim allerersten Warntag stand ich in Schönwalde-Glien unter der Sirene der Feuerwehr – und nichts passierte. Wurde da inzwischen nachgebessert?
Michael Koch: “Beim allerersten Warntag war ich in Berlin. Da haben Sie gar nichts gehört, weil es in Berlin gar keine Sirenenanlagen mehr gibt. Aber auch diese Cell-Broadcast-Alarmierung im Handy hat bei mir beim ersten Warntag nicht funktioniert. Man sieht nun aber, wie an dem gesamten System mit Hochdruck gearbeitet wird, von Jahr zu Jahr funktioniert der Warntag besser.
Wir haben im Havelland übrigens noch 120 Sirenen. Da kümmern sich die Städte und Gemeinden selbst um die Installation und Wartung. Der Bund und auch das Land haben uns eine wenn auch bescheidene Unterstützung gegeben, um weiter in die Sirenen zu investieren.
Beim ersten Warntag war es so, dass in allen Ortsfeuerwehren noch manuell der Knopf gedrückt werden musste, um die Sirenen einzuschalten. Da sind wir jetzt bereits ein wesentliches Stück weiter. In diesem Jahr haben wir nur acht sogenannte Aussendungen vornehmen müssen, um alle Sirenen im Havelland von zentraler Stelle aus ansteuern zu können. Acht Aussendungen deswegen, weil wir es noch mit verschiedenen Systemen zu tun haben. Wir wollen nun die technischen Bedingungen weiter so sehr vereinheitlichen, dass fortan nur noch eine Aussendung ausreicht, um alle Sirenen im Kreis gleichzeitig zu aktivieren.”
In den letzten Monaten wurde immer wieder das große Schreckensgespenst eines Blackouts beschworen. Das ist ein großflächiger Stromausfall über Tage oder Wochen hinweg. Wie wahrscheinlich ist denn so ein Blackout überhaupt?
Michael Koch: “In Deutschland fällt im Jahr durchschnittlich 13 Minuten lang der Strom aus. Nicht am Stück, sondern alle Ereignisse zusammengenommen. Das ist im internationalen Vergleich ein sehr, sehr kleiner Wert. Von daher bin ich kein Freund davon, in Panik zu verfallen und vor einem Blackout zu warnen.
Aber: Wir wollen auf alle möglichen Szenarien vorbereitet sein. In der Hoffnung, dass sie nicht eintreten.
Tatsächlich gab es gerade einen Fall in Berlin, da ist der Strom in ganzen Stadtteilen ausgefallen. Da gab es wohl einen Anschlag, der zum Stromausfall geführt hat. Wir waren übrigens sogar selbst betroffen. Teile unseres Landeslabors Berlin-Brandenburg, das u.a. Veterinärproben für uns bearbeitet, konnten nicht arbeiten.
Wir bereiten uns vor, indem wir uns in der Verwaltung fragen, wie wir im Falle eines Stromausfalls unsere Dienstleistungen weiter aufrechterhalten können. Wir überlegen natürlich auch, was die Bevölkerung tun kann, um sich vorzubereiten. So ist es immer sinnvoll, sich mit gewissen Dingen zu bevorraten.”
Hier sprechen wir von der sogenannten 10-Tage-Reserve?
Michael Koch: “Früher hatte jeder Haushalt ausreichend Vorräte, um ein, zwei Wochen überbrücken zu können. Das hat sich geändert, manche Familien gehen jeden Tag einkaufen und haben nicht einmal einen Kasten Wasser oder eine Packung Reis oder Pasta Zuhause.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (www.bbk.bund.de) empfiehlt, Vorräte anzulegen, um im Ernstfall 10 Tage überbrücken zu können. Da gibt es auch extra ein orangenes Heftchen, das sich als PDF sogar online herunterladen und ausdrucken lässt. Das zeigt auf, was man als Grundvorrat einkaufen sollte, was in die Hausapotheke gehört, welche Hygieneartikel man braucht und dass es sinnvoll ist, Kerzen und Streichhölzer griffbereit zu haben. Es lohnt sich außerdem, ein akkubetriebenes Radio zu besitzen, um selbst dann noch Nachrichten empfangen zu können, wenn ansonsten gar nichts mehr funktioniert.
Ich möchte jetzt gar nicht in die Prepper-Szene abdriften. Eigentlich gebietet es ja bereits die menschliche Vernunft, dass man sich über eine solche Notfallausrüstung Gedanken macht.
Wir sprechen hier ja im Grunde auch immer von Krisen, die mindestens ganz Ostdeutschland betreffen. Denn wenn nur der Landkreis Havelland in einer Krise steckt, kann man ja in die Nachbarkreise fahren, und sich dort mit allem Nötigen einzudecken.
Wir bereiten im Katastrophenschutz Szenarien rund um einen flächendeckenden Stromausfall vor, der länger als drei Tage dauert. Dann wird übrigens auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung interessant.”
Sie verwandeln im Landkreis einzelne Grundschulen in sogenannte Katastrophenleuchttürme. Worum geht es da?
Michael Koch: “Was mitunter falsch verstanden wird: Es geht nicht darum, dass diese Katastrophenschutzleuchttürme im Falle eines Falles flächendeckend die Bevölkerung aufnehmen könnten. Das wäre bei 174.000 Einwohnern im Landkreis gar nicht möglich. Wir können für diese Personenzahl auch keine zentrale Bevorratung sicherstellen. Wir möchten in der Region vielmehr bestimmte Grundfertigkeiten und Fähigkeiten vorhalten.
Bei unseren Katastrophenschutzleuchttürmen kommen übrigens nicht nur Grundschulen zum Einsatz. Andere Kommunen haben sich etwa für eine Sporthalle entschieden oder für ein Dorfgemeinschaftshaus. Da haben wir vom Landkreis keine Vorgaben gemacht. Wir haben nur gesagt, dass Feuerwehren gänzlich ungeeignet sind, weil sie im Krisenfall für andere Dinge gebraucht werden.
Unsere Katastrophenschutzleuchttürme sollen Anlaufstellen im echten Krisenfall sein. Im Falle eines Falles können die Bürger dorthin gehen, um sich zu informieren oder um Nachrichten zu empfangen und abzusenden, falls etwa Handys nicht mehr funktionieren. Wir sind vor Ort mit Satellitentelefonie ausgestattet. Man könnte sich vor Ort auch aufwärmen, wenn man zu Hause in der Kälte sitzt, weil die Heizung nicht mehr funktioniert. Man könnte auch mitgebrachte Speisen erwärmen.
Es gibt 18 Katastrophenschutzleuchttürme im Landkreis. In den größeren Städten wie Falkensee oder Rathenow gibt es gleich zwei Einrichtungen, das gilt aufgrund der Flächenausdehnung auch für die ländlichen Ämter Friesack, Nennhausen und Rhinow. Ansonsten ist pro Gemeinde jeweils ein Katastrophenschutzleuchtturm vorgesehen.
Alle Einrichtungen hatten die Aufgabe, bis Mitte des Jahres fertig zu sein. Meine Kollegen waren auch schon unterwegs und haben die abgenommen. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass diese Einrichtungen permanent eingerichtet sind. Wenn wir den Katastrophenfall ausrufen, sind die Kommunen aufgefordert, die vorbereiteten Katastrophenschutzleuchttürme zu aktivieren und zu bespielen.”
Wir haben gehört, dass der Landkreis die Aufforderung bekommen hat, bestimmte Schutzräume auszuweisen, die im Krisenfall als Bunker zum Einsatz kommen könnten. Stimmt das?
Michael Koch: “Es gibt zwei Stränge im Bevölkerungsschutz. Wir haben zunächst einmal den Katastrophenschutz. Das ist die Aufgabe der Bundesländer, dabei geht es um die Abwehr von Naturkatastrophen, um technische Vorfälle wie Zugunglücke, aber eben auch um Krisenprävention, um Pandemien und um ähnliche Fälle. Und dann gibt es den Zivilschutz, das ist eine Bundesaufgabe. Hier geht es auch darum, wie im Verteidigungsfall die Bevölkerung bestmöglich geschützt werden kann. Und tatsächlich gab es genau von dort eine Abfrage gegenüber den Landkreisen, ob es noch geeignete Räumlichkeiten gibt, die als Bunker verwendet werden können.
Diese Anfrage ist relativ überschaubar zu beantworten, weil es nach meinem Kenntnisstand im ganzen Land Brandenburg keine aktive Bunkerlandschaft mehr gibt. Unterhalb dieser Ebene halten wir nach Tiefgaragen Ausschau, die sich im weitesten Sinn auch als Schutzraum eignen würden.
Wir beobachten natürlich ebenfalls die geopolitische Lage. Wir geraten nicht in Panik. Aber wir überlegen auch, wo wir im Ernstfall Unterstützung von Land oder Bund brauchen würden.”
Wir haben Krieg in Europa und die Menschen haben Angst, dass er bis nach Deutschland getragen wird. Bereitet man sich im Katastrophenschutz auch auf so einen Fall vor?
Michael Koch: “Natürlich. Es gebietet die Vorsorge, auch solche Fälle in den Blick zu nehmen.
Ich war gerade erst mit dem Landrat bei einer Übung zur zivilmilitärischen Zusammenarbeit. Bislang gehen alle unsere Katastrophenschutzpläne immer davon aus, dass unsere Katastrophenschutzbehörde den Hut auf hat – und wir anderen Partnern wie etwa auch der Bundeswehr sagen, was wir wo wann wie brauchen. Jetzt musste erstmals besprochen werden, was zu beachten ist, falls einmal die Bundeswehr den Hut aufhat und den Landkreisen sagt, was an Unterstützung gefordert wird.
All das üben wir. Da geht es auch um Kommunikationswege. Es gibt den klassischen Satz: ‘In der Krise muss man Köpfe kennen’. Wenn man die direkten Kontakte nicht hat, kann man in der Krise niemanden erreichen.
Wir üben auch, wie wir als Landkreis unterstützen können, wenn Truppen durchziehen. Hier kann ich aber nicht ins Detail gehen, da kommen wir dann bereits in den Bereich der Geheimhaltung.”
Es gab ja im letzten Jahr in Friesack, wo auch das Katastrophenschutzzentrum verortet ist, einen allerersten “Tag des Bevölkerungsschutzes”. Da konnte jeder Besucher sehen, wie breit der Landkreis im Katastrophenschutz aufgestellt ist. Drohnen stiegen mit Wärmesuchkameras auf, Fahrzeuge hatten ABC-Tests mit an Bord und sogar eine radioaktive Verseuchung konnte gemessen werden. Wird es diesen Tag wieder geben, damit sich die Bevölkerung vor Ort informieren kann?
Michael Koch: “Der ‘Tag des Bevölkerungsschutzes’ war ein voller Erfolg. Wir werden ihn alle zwei Jahre anbieten, das habe ich mit dem Landrat so besprochen. Das nächste Mal wird er am 30. Mai 2026 stattfinden. Da werden wir in Friesack erneut unser ganzes Portfolio zeigen.
Dabei wird man wieder sehen, dass wir bei unserer Arbeit auch auf ganz viele ehrenamtliche Hilfsorganisationen angewiesen sind. Das Technische Hilfswerk, die Feuerwehren, das Deutsche Rote Kreuz, die Taucherstaffel – es gibt so viele, die uns mit ihrem Equipment und ihrem Know-How helfen und unterstützen.
Wir möchten an diesem Tag keine Sorge in die Bevölkerung tragen, sondern zeigen, dass wir vorbereitet sind. Man kann sich natürlich nicht bis ins allerletzte Detail vorbereiten. Aber was wir tun können, das machen wir auch.”
Perfekt. Da würde ich auch gerne einen Cut machen, weil ich glaube, wir haben einen schönen, breiten Bogen durch diese Themenwelt gespannt. Wenn jetzt alles vorbereitet oder die nächste Katastrophe abgewendet ist, was machen Sie dann ganz privat und persönlich, um sich in Ihrer Freizeit zu entspannen?
Michael Koch: “Ich habe im West-Havelland ein schönes Häuschen mit Garten. Da erhole ich mich gern in der Natur. Die ganze Havel-Region bietet wunderbare Ausflugsziele. Ich reise zwar auch sehr gern in die USA, muss aber ansonsten unser schönes Havelland nicht verlassen, um mich zu entspannen. Ich genieße es sehr, in einer der schönsten Regionen Deutschlands zu Hause sein zu dürfen. Ich wohne direkt im Sternenpark. Da ist es nachts am dunkelsten in ganz Deutschland, weil es keine Lichtverschmutzung gibt. Da sieht man die Perseiden ganz besonders gut.” (Fragen / Fotos: CS)
Bei der Erstellung des YouTube-Videos half uns Marvin Zinke aus Brandenburg an der Havel.
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