Unser Havelland und EDEKA Dorfmann Zukunftsmarkt Video-Podcast (9): Im Gespräch mit Dorothee Berger (pro agro)
“Unser Havelland” startet ein neues Format. Einmal im Monat laden wir uns eine interessante Person aus dem Havelland ein, um ein halbstündiges Gespräch mit vorbereiteten Fragen zu führen. So können wir ein Interview präsentieren, das bewusst den Rahmen sprengt und ein wenig mehr in die Tiefe geht. Im September war Dorothee Berger zu Gast. Sie ist Vorstandsvorsitzende vom pro agro Verband.
“Unser Havelland” lädt einmal im Monat eine interessante Person aus dem Havelland ein, um ein halbstündiges Expertengespräch zu führen. So können wir ein Interview präsentieren, das bewusst den Rahmen sprengt und ein wenig mehr in die Tiefe geht.
Das Interview wird gekürzt und gestrafft auf vier Seiten im Magazin abgedruckt und auf die Homepage www.unserhavelland.de gestellt. Zugleich nehmen wir es aber auch als halbstündigen Experten-Podcast auf Video auf, das Sie auf unserem YouTube-Kanal (www.youtube.com/UnserHavelland) abrufen können.
Unser Interview findet immer vor Live-Publikum statt und zwar in der “Überschaubar” im neuen EDEKA Zukunftsmarkt in Nauen (www.zukunftsmarkt-dorfmann.de) von Christian Dorfmann – das ist zurzeit der nachhaltigste EDEKA-Markt in ganz Deutschland.
Der erste Gast für die neue Interview-Reihe war Christian Lohse, der 2-Sterne-Koch, der in Falkensee lebt. Anschließend nahmen Robert Dahl als Inhaber von Karls Erlebnis-Dorf in Elstal, Birgit Faber als Geschäftsführender Vorstand vom “Turn und Sportverein Falkensee e.V.” und Olaf Höhn als Geschäftsführer von Florida Eis aus Spandau vor unserem Mikrofon Platz. Thilo Spychalski, der Geschäftsführer der Havelland Kliniken Unternehmensgruppe, war auch schon unser Gast. Anschließend besuchte uns Ronald Rauhe aus Falkensee, Olympia-Sieger im Kajakfahren, mit seinen fünf Olympia-Medaillen. Außerdem sprachen wir mit Dirk Eilert aus Dallgow-Döberitz – er beschäftigt sich mit der Mimikresonanz-Methode. Zuletzt war Roger Lewandowski zu Gast im Experten-Podcast. Er ist der amtierende Landrat vom Landkreis Havelland.
In diesem Monat sprachen wir mit Dorothee Berger. Sie ist Vorstandsvorsitzende vom pro agro Verband.
Herzlich willkommen bei unserem Experten-Podcast in der Überschaubar im Zukunftsmarkt vom EDEKA Christian Dorfmann in Nauen. Heute begrüßen wir Dorothee Berger aus Werder, die gerade erst zur neuen Vorstandsvorsitzenden von pro agro (www.proagro.de) gewählt wurde. Das ist der Verband zur Förderung des ländlichen Raums in der Region Brandenburg-Berlin. Bevor wir auf pro agro kommen, möchte ich herausarbeiten, dass Sie ja selbst einen gewissen landwirtschaftlichen Background mitbringen. Verraten Sie uns doch bitte etwas über sich.
Dorothee Berger: “Ich bin in der Region Werder an der Havel aufgewachsen. Während meiner Studienzeit habe ich mich aber auf einen Ausflug durch die ganze Bundesrepublik begeben und in Baden-Württemberg, in Sachsen und in Berlin gelebt. In meinem ersten Studiengang habe ich BWL studiert, sozusagen für die Grundlagen.
Nach diesem Studium habe ich mich aber dazu entschlossen, die Schulbank gleich noch einmal zu drücken – und Lebensmitteltechnologie studiert. Nach zehn Jahren bin ich wieder in die Heimat zurückgekehrt.”
Das passt ja insofern ganz gut. Wir dürfen nämlich an dieser Stelle verraten, dass Sie in die Firma Ihrer Mutter Christine Berger (www.sanddorn-christine-berger.de) eingestiegen sind und hier inzwischen auch die Geschäfte verantworten. Diese Firma mit Sitz im Sanddorn-Garten in Petzow gibt es bereits seit 30 Jahren – und es geht hier von morgens bis abends nur um das Thema Sanddorn. Wie kann man sich das vorstellen?
Dorothee Berger: “Den Sanddorn kennt ja wohl inzwischen jeder aus dem Ostseeurlaub. Dort wächst der Sanddorn überall auf den Dünen. Das ist ja ein ganz typisches Bild, das man sofort vor Augen hat.
Bei uns in Petzow und in Werder-Glindow bauen wir den Sanddorn ganz gezielt auf einer Fläche von insgesamt 150 Hektar an. Die Bäumchen stehen hier in langen Reihen mit einem Abstand von fünf Metern zwischen den Reihen. Man sieht also lange Flure mit Bäumen, die im September strahlend orange leuchten, wenn die Sanddorn-Früchte an den Zweigen reif sind.
Die Frage ist natürlich: Wie erntet man die zarten Beeren, die direkt am Ast wachsen? Hier hat man bereits in den 80er Jahren im Rahmen großer Forschungsprojekte eine wirklich gute Erntemethode herausgearbeitet. Traktoren fahren durch die Korridore zwischen den Baumreihen. Rechts und links stehen Mitarbeiter auf dem Traktor. Sie schneiden die fruchttragenden Äste zu zwei Dritteln ab und legen sie in Obstkisten, wie man sie auch von der Apfelernte her kennt. Die Kisten kommen sofort ins Kühlhaus. Hier werden die Äste bei minus 36 Grad schockgefrostet. Sie kommen anschließend auf eine Rüttelmaschine. Diese trennt Blätter, Äste und Früchte ganz schonend voneinander.
Die Sanddorn-Beeren haben eine ganz dünne Haut. Pflückt man die Beeren ganz normal mit den Fingern vom Baum, geht die Haut leicht kaputt und die Früchte verderben schnell. So ist unsere Art der Ernte auch ganz besonders schonend. Die Qualität des Endprodukts ist so einfach viel besser.”
Jetzt habe ich online recherchiert. Da las ich, dass der Sanddorn im Osten vor der Wende gern als “DDR-Zitrone” bezeichnet wurde. Es fiel auch der Satz “Reich an Vitamin C, aber nicht unbedingt lecker.” Wie ist es Ihnen gelungen, den Sanddorn populär zu machen?
Dorothee Berger: “Das war tatsächlich eine schwierige Zeit. Wie macht man den ehemaligen DDR-Bürgern nach der Wende den Sanddorn wieder schmackhaft, wo es doch die ganzen Zitrusfrüchte im Supermarkt gibt? Ich glaube, meine Mutter hat da echte Pionierarbeit geleitet. Und wir Kinder haben sie kräftig unterstützt.
Tatsächlich ist es so, dass der Sanddorn eine regionale Superfrucht ist. Die Früchte stecken voller Vitamine. Neben viel Vitamin C sind das vor allem die Vitamine A, K und E. Deswegen ist es weiterhin ziemlich schlau, diese Früchte zu produzieren. Unsere Sorten, die wir anbauen, haben auch diese leichte Bitterkeit nicht, die dem Sanddorn ansonsten oft zugesprochen wird. Wir achten in der Verarbeitung sehr darauf, dass unser Sanddorn wirklich lecker schmeckt.
Inzwischen verarbeiten wir unseren Sanddorn zu über 70 verschiedenen Produkten. Neben dem typischen Sanddornsaft haben wir so auch Sanddornwein, Sanddorn-Bonbons, Sanddorn-Gummibärchen oder – ein echter Liebling der Grünen Woche – unseren Sanddorn-Sahne-Meerrettich. Der kombiniert die Schärfe von einem Meerrettich aus dem Spreewald mit der leichten Säure unseres Sanddorns. Das ist köstlich.”
Sind die Sanddorn-Produkte denn auch biozertifiziert?
Dorothee Berger: “Der gesamte Anbau ist biozertifiziert. Die Produkte selbst sind allerdings noch nicht komplett biozertifiziert. Das hängt mit der Historie unseres Unternehmens zusammen. Als wir gegründet haben, hatte ein Bioprodukt noch gar nicht so eine Bedeutung wie heute. Wir sind eher als Spezialitätenhersteller gewachsen. Aber es gibt bei uns natürlich auch Bioprodukte, die wir nicht nur bio anbauen, sondern auch bio verarbeiten.”
Ihre Sanddorn-Produkte werden ja nicht nur in Deutschland bestellt, sie sind auch international gefragt. Und ich habe gehört, dass jedes Land so seine ganz eigenen Vorlieben hat.
Dorothee Berger: “Wir verkaufen unsere Sanddorn-Produkte vor allem dort, wo der Sanddorn bereits bekannt ist. Viele wissen gar nicht, dass der Sanddorn ursprünglich aus Asien stammt. Wir verkaufen unseren Sanddorn so etwa auch nach Japan und nach Taiwan. Diese Kunden würden ihren Sanddorn niemals in China kaufen, also beziehen sie ihn von uns. Die Japaner sind sehr gesundheitsorientiert. Sie kaufen bei uns nur den hundertprozentigen Saft ohne Zucker und ohne andere Zusatzstoffe. Die Taiwanesen hingegen essen sehr gerne Süßwaren. Sie lieben deswegen unsere Sanddorn-Gummibärchen sehr.”
Um den Sanddorn herum bauen Sie eine eigene Welt auf. Ich habe gehört, dass Sie vorhaben, Ferienhäuser bei sich auf der Produktionsstätte zu errichten. Sie möchten also die Menschen zu sich auf den Hof holen, damit sie die Landwirtschaft direkt vor Ort kennenlernen können?
Dorothee Berger: “Ja, genau. Wir haben einen großen Sanddorngarten, der ist drei Hektar groß. Hier kann man sehen und miterleben, wie unser Sanddorn produziert wird. Dort haben wir auch unseren Hofladen, in dem man alle unsere Produkte probieren kann. Auch ein eigenes Restaurant betreiben wir dort, in dem mit Sanddorn gekocht wird. Aber natürlich wird vor Ort auch eine gute regionale Küche angeboten.
Noch ist es ein Plan für die Zukunft, dass wir im Sanddorngarten auch Übernachtungsmöglichkeiten anbieten.
Jetzt findet vor Ort am 13. September erst einmal unser 22. Sanddornfest statt. Es steht in diesem Jahr unter dem Motto ‘Sanddorn eisig entdecken’. Es wird verschiedene Eiskreationen mit Sanddorn geben, die wir mit einem regionalen Eishersteller aus der Region entwickelt haben – das ist Jerseys Eis.”
Wenn man die Sanddorn-Produktion als landwirtschaftlichen Betrieb versteht, weiß man, dass viel Arbeit investiert werden muss, bis der Sanddornsaft schlussendlich in der Flasche ist. Wo liegen die Probleme, wenn man sie sich aus dem Blickwinkel des Landwirtes anschaut?
Dorothee Berger: “Die größte Herausforderung beim Anbau des Sanddorns ist ganz klar der Klimawandel. Wir haben eine hohe Oberflächenverdunstung und müssten den Sanddorn eigentlich ständig wässern – was wir aber nicht tun.
Wir brauchen deswegen Sanddorn-Pflanzen, die resistenter sind und den Klimawandel auch mitmachen können. Die Winter werden immer milder, die Sommer immer heißer. Es geht darum, neue Sorten zu testen, um herauszufinden, wie sie mit dem veränderten Klima zurechtkommen, Vielleicht gibt es aber auch neue Erntemethoden oder neue Pflanztechniken. Das muss man nun alles neu ergründen.
Nur ein Beispiel. Der Sanddorn ist eigentlich ein Tiefwurzler. Die Wurzeln reichen ganz tief in den Erdboden hinein. Versorgt man den Sanddorn aber in seinen ersten Anbaujahren mit zu viel Wasser, dann reichen die Wurzeln nicht so tief – und der Baum vertrocknet in den regenarmen Dürrejahren.
In Norddeutschland grassiert zurzeit das sogenannte Sanddornsterben. Es wird wohl nicht durch einen Pilz, sondern durch einen Virus ausgelöst. Ganz genau weiß man es aber noch nicht. Wenn man selbst so abhängig von einem einzigen Produkt ist: Behält man da die Verbreitungskarten vom Sanddornsterben ganz genau im Auge?
Dorothee Berger: “Wir stehen im engen Kontakt mit den Forschungsstationen und mit den betroffenen Anbauern vor Ort. Wir können dieses Phänomen zum Glück noch nicht bei uns auf der Fläche ausmachen. Aber natürlich sind wir deswegen sehr beunruhigt.
Man hat jetzt wohl mehrere Pilze gefunden, die Schuld sein könnten, auch eine Virusvariante wird diskutiert. Aber warum nun ausgerechnet die Sanddornbäume in einer speziellen Region absterben und dann auch noch so großflächig, das kann bislang noch niemand beantworten. Das ist ein echtes Problem. Natürlich schwingt hier auch immer die Angst um unsere eigene Existenz mit.”
Jetzt lassen wir den Sanddorn hinter uns und nehmen die Landwirtschaft als großes Ganzes unter die Lupe. pro agro mit Sitz im MAFZ in Paaren-Glien, also in Schönwalde-Glien, ist ja der Verband zur Förderung des ländlichen Raums in der Region Brandenburg-Berlin. Der Verband hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Landwirte und Erzeuger aus der Region zusammenzubringen, den Austausch zu fördern und die Vermarktung zu intensivieren. Sie sind jetzt zur neuen Vorstandsvorsitzenden gekürt worden. Da können Sie uns doch bestimmt ein paar Fakten zu pro agro erzählen.
Dorothee Berger: “Die Geschichte von pro agro startet eigentlich 1992 – und damit nach der Wende. Das war eine echte Zeit des Umbruchs. Auch im Lebensmittelbereich war das so. In den Lebensmittelmärkten tauchten plötzlich große, schöne, neue und bunte Artikel auf.
Die landwirtschaftlichen Unternehmen aus der ehemaligen DDR gab es aber weiterhin – und sie waren auch sehr fleißig. Einige dieser Hersteller haben sich in Brandenburg zusammengeschlossen, um mit gemeinsamer Kraft eigene Marketing-Aktivitäten ins Leben zu rufen. So sollte das Auge der Verbraucher wieder auf die Brandenburger Produkte gelenkt werden.
Das hat funktioniert. Inzwischen hat der Verband an die 400 Mitglieder. Das hängt aber auch damit zusammen, dass sich der Verband einige Jahre später mit Verbänden vom Landtourismus und vom Pferdetourismus zusammengeschlossen hat. Heute kümmert sich pro agro ganzheitlich um den ländlichen Raum und deren wirtschaftliche Akteure in der Lebensmittel- und Ernährungswirtschaft.”
Viele Menschen auch aus der Region haben noch nie etwas vom Verband pro agro gehört, kennen aber sehr gut die “Landpartie Brandenburg”, die letztlich nichts anderes als eine Aktion von pro agro ist. Und zwar eine sehr erfolgreiche. Was ist der Gedanke hinter der Landpartie?
Dorothee Berger: “Die Idee zur Brandenburger Landpartie kam 1994 auf – vom ehemaligen Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann. Er verfolgte die Idee, die Stadtbevölkerung aufs Land zu holen, damit sie hier einen schönen Sonntag verbringen kann. Die erste Landpartie fand am 19. Juni statt – 146 Teilnehmer waren mit dabei. Damals sollten sich die interessierten Ausflügler noch persönlich bei den Höfen anmelden. Das waren die ersten Anfänge, bei denen man versucht hat, die Verbraucher und die Landwirte und die Lebensmittelerzeuger zusammenzubringen.
Bis heute hat die Landpartie Bestand. Der Verband pro agro ist inzwischen federführend bei dieser Veranstaltung – im Schulterschluss mit dem Landesbauernverband und dem Landfrauenverband. Auch das Landwirtschaftsministerium muss man an dieser Stelle erwähnen, das uns in Sachen Öffentlichkeitsarbeit wahnsinnig gut unterstützt hat.
Die Brandenburger Landpartie ist heute wichtiger denn je, um eine Vertrauensbasis zwischen den Herstellern, den Produzenten, den Landwirten und am Ende auch den Verbrauchern aufzubauen. Die Idee ist: Die Verbraucher sollen sich für die Produkte interessieren und die Gesichter dahinter kennenlernen.”
Ich habe das Gefühl, die Städte und das Land werden immer mehr entkoppelt. In der Stadt gibt es Kinder, die können ein Schaf nicht mehr von einer Ziege unterscheiden und Erwachsene, die kennen den Unterschied zwischen Hafer und Roggen nicht mehr.
Dorothee Berger: “Hier muss man ganz klar auch den Wandel in der Gesellschaft mit betrachten. Früher war es ganz normal und üblich, dass wenigstens ein Elternteil oder ein Familienmitglied in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Die Landwirtschaft war lange Jahre über ein riesiger Arbeitgeber. Damals hatten deutlich mehr Menschen mit der Produktion von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu tun, als das heute der Fall ist.
Inzwischen ist der Lebensmittelmarkt globaler geworden und es gibt viele neue Berufe, die mit der Landwirtschaft gar nichts mehr zu tun haben.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es eben Verbände wie pro agro gibt, die vermitteln, wie Lebensmittel hergestellt werden, wie gesund regionale Lebensmittel sind und was sie generell für eine Bedeutung für ihre Region haben. Viele Menschen wissen auch nicht, dass viele Landwirte und Lebensmittelhersteller in ihrem ländlichen Raum auch die Sportvereine mit unterstützen, dass sie sich sozial engagieren und dabei helfen, dass das Leben auf dem Land bunt ist.”
Tatsächlich ist es ja inzwischen ein großer Trend, dass die Menschen wieder regional kaufen, weil sie auf die CO2-Bilanz schauen und lange Transportwege vermeiden möchten. Und weil regionale Produkte eben auch frischer sind. Oft werden sie sogar in Bio-Qualität hergestellt oder während der Produktion in Deutschland besser kontrolliert. Dafür geben die Konsumenten auch gern zwei, drei Euro mehr aus. Sie müssen die regionalen Produzenten natürlich dafür auch kennen. Dafür sind pro-agro-Aktionen wichtig, wie man sie etwa auf der BraLa vorfindet, der “Brandenburger Landwirtschaftsausstellung”. Hier ist stets der pro-agro-Regionalmarkt zu finden, der im runden Zirkel 20 bis 30 regionale Erzeuger vorstellt. So lassen sich die regionalen Produkte auch gleich beim Erzeuger probieren und bei Gefallen einkaufen. Sie sind ja mit Ihrem Sanddorn auch immer dabei. Probiert man da auch einmal bei den anderen?
Dorothee Berger: “Natürlich probieren wir dann auch einmal die Produkte von den anderen Ausstellern. Das ist ja für uns eine tolle Gelegenheit, über den eigenen Tellerrand zu schauen, mit anderen Herstellern zu kommunizieren und ganz allgemein etwas für die Vernetzung und die Zusammenarbeit zu tun. Mitunter passiert es bei solchen Veranstaltungen auch, dass wir überlegen, etwas zusammen auf die Beine zu stellen. So haben wir etwa mit einem anderen Anbieter zusammen ein Sanddorn-Rapsöl entwickelt, weil wir auf einer Messe ganz spontan den Gedanken dazu hatten. So entstehen auf den Märkten wahnsinnig gute Kooperationen.
Auf der BraLa ist so etwa immer auch der Spargelhof Klaistow mit seinen Spargel- und Heidelbeer-Produkten mit dabei. Tonys Obstweine, die Fleischerei Bär, die Süßkartoffeln aus Glindow oder das Templiner Brauhaus gehören auch zu den beliebten Erzeugern, die bei den Besuchern gut ankommen.”
Mir fehlen ein Label “Made im Havelland” und eine entsprechende Shop-Seite im Internet, auf der ich all diese regionalen Produkte einkaufen kann. Oder kleine lokale pro-agro-Ladengeschäfte in den Orten.
Dorothee Berger: “Wenn ich auf die letzten dreißig Jahre zurückblicke, dann gab es das alles schon einmal. Es gab Versuche, Regionalläden oder Online-Shops zu realisieren. Es gab auch Initiativen von Dritten, so etwas zu tun. Aber es ist am Ende doch ein sehr schwieriges Werk, sich nur auf die regionalen Produkte zu konzentrieren.
Unser Ziel ist es deswegen eher, regionale Produkte so selbstverständlich zu machen, dass sie im ganz normalen Supermarkt angeboten werden. Es darf für die Verbraucher keine Besonderheit mehr sein, eine regionale Gurke zu kaufen, sondern es sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt für mich, dass regionale Produkte selbstverständlich werden. Regionale Produkte sollten keine Besonderheit, kein Urlaubs-Souvenir und kein Geschenk sein, sondern eine Alltäglichkeit, die ich als erste Wahl einkaufe und nicht, weil ein importiertes Produkt von weit weg plötzlich ausverkauft oder zu teuer geworden ist.”
Als kleiner Junge war ich auf Amrum im Urlaub. Da durfte ich mit dem Krabbenkutter mitfahren. Die frisch gefangenen Krabben wurden noch an Bord gekocht und am Hafen sofort literweise verkauft. Das mag ich so an regionalen Produkten mit kurzer Vermarktungskette: Frischer geht es gar nicht.
Dorothee Berger: “Nein, frischer als vom regionalen Erzeuger geht es einfach nicht. Wichtig ist dabei ja auch, dass die Qualität überzeugt. Bei uns in Deutschland gilt weiterhin ‘Made in Germany’. Das bedeutet, dass es viele strenge Gesetze gibt, die die Herstellung von vorne bis hinten begleiten. Die Hersteller haben oft genug auch den Anspruch, die strengen Vorgaben noch einmal zu toppen, um den Kunden wirklich die allerbeste Qualität zu bieten.
Ein Beispiel. Bei uns in der Region Werder gibt es einen Hofladen. Da kocht die Frau immer einen ganz besonderen Himbeerfrucht-Brotaufstrich. Der ist so lecker, dass ich mit dem Fahrrad immer einen Umweg am Hofladen vorbeifahre, um mir ein Glas zu holen. Und das, obwohl wir doch selbst Marmelade produzieren.”
Nun geht es bei pro agro ja nicht nur um Essen und Trinken, sondern auch darum, die Menschen aufs Land zu ziehen, damit sie hier vielleicht Urlaub machen. Dafür wurde extra ein Katalog “Landurlaub Brandenburg” aufgelegt. Was steht da drin?
Dorothee Berger: “Der Landurlaub Brandenburg versucht verschiedene Dinge zu kommunizieren. Da geht es zunächst einmal wirklich darum, Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Land vorzustellen. Wo kann man übernachten, wer bietet was an, wie nimmt man Kontakt auf?
Es gibt hier aber auch einen land- oder agrartouristischem Hintergrund. So weist der Katalog auch darauf hin, dass manche Höfe, die eine Übernachtung anbieten, auch einen Hofladen betreiben, eigene Back- oder Wurstwaren verkaufen oder es den Besuchern erlauben, sich die Produktion aus der Nähe anzusehen.”
Jetzt kommen wir ein wenig auf der dunklen Seite an. Mindestlohn, fehlender Nachwuchs, zu viel Bürokratie, fiese Auflagen, Inflation. Ich nehme mal an, dass die Mitglieder von pro agro auch auf die eine oder andere Art gebeutelt werden. Womit haben Sie am meisten zu kämpfen und was wäre eine Forderung an die Politik, was sich ändern müsste, damit es Ihnen besser geht?
Dorothee Berger: “All diese Themen werden in diesen Tagen sehr intensiv diskutiert. Zunächst einmal: Wir sind sehr zufrieden, dass wir offene Ohren finden, die an den richtigen Stellen zuhören, wenn wir unsere Themen platzieren.
Tatsächlich gibt es für uns viele Herausforderungen. Fangen wir doch bei der Bürokratisierung an. Tatsächlich sagt jeder Landwirt und jeder Hersteller in der Ernährungswirtschaft, dass die bürokratischen Hürden immer größer werden. Dabei geht es nicht nur darum, dass viele Vorschriften schwer zu fassen sind. Inzwischen ist es so, dass einige Hersteller ganz einfach Ideen und Projekte wieder fallenlassen, weil die bürokratischen Hürden für eine Umsetzung einfach zu groß sind. Ich glaube aber, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Wir kämpfen gemeinsam darum, dass die Bürokratie in Brandenburg, in der Bundesrepublik und auch auf der Europa-Ebene abgebaut wird.
Ein weiteres Problem ist der steigende Mindestlohn. Hier sprechen wir mit der Politik immer wieder über einen eigenen Mindestlohn für Saisonarbeiter, die uns etwa bei der Ernte helfen. Hier wünschen wir uns Ausnahmen vom eigentlichen Mindestlohn, damit wir überhaupt noch rentabel ernten können. Nur so kann das regionale Obst und Gemüse auch weiterhin erschwinglich bleiben. Sonst können wir Birnen oder Spargel nicht mehr zu einem akzeptablen Preis anbieten. Da gibt es zurzeit viele Diskussionen und man wird neue Regelungen finden müssen.
Dann müssen wir natürlich auch über den Nachwuchs in der Ernährungswirtschaft und in der Landwirtschaft reden. Wie können wir die jungen Menschen dafür motivieren und auch begeistern? Warum lohnt es sich für sie, Landwirt zu werden? Und was ist das Schöne an dem Beruf? Wir müssen auch in der Ernährungswirtschaft stark genug sein, um junge Menschen zu überzeugen, in diesem Bereich eine Ausbildung anzunehmen. Dabei helfen auch Formate wie die bereits erwähnte Landpartie, die Grüne Woche, die BraLa oder das Brandenburger Schlachtfest, das jährlich im MAFZ stattfindet.
Dabei geht es ja auch um die sogenannten grünen Berufe, die doch zurzeit absolut im Trend liegen. Tatsächlich suchen viele junge Menschen nach einer Tätigkeit, bei der es nicht nur um einen monetären Lohn geht, sondern um einen echten Sinn im Leben. Und ich glaube, genau diese Sinnhaftigkeit können wir doch ganz gut liefern.”
Gibt es denn noch einen Wunsch an die Bürger, den die Landwirtschaft gern äußern würde?
Dorothee Berger: “Ja, den gibt es. Ich habe das ja vorhin schon angedeutet. Regional sollte immer die erste Wahl sein. Ich möchte, dass sich der Bürger wirklich bereits beim Einkaufen bewusst macht, was es für die heimische Landwirtschaft bedeutet, wenn er sich statt für ein regionales Produkt für eins aus Griechenland, Spanien oder meinetwegen auch Österreich entscheidet.”
Eine schnelle Frage zum Thema: Gibt es denn eine wie auch immer geartete Kommunikation mit den Kunden? Sprich: Bekommen Sie auch so etwas wie Leserbriefe, in denen steht, ob ein gewisses Produkt lecker ist oder nicht?
Dorothee Berger: “Bei der Kommunikation mit den Bürgern helfen vor allem die sozialen Netzwerke ganz ungemein. Wir haben im pro agro Verband tatsächlich viele Mitglieder, die in diesem Bereich sehr aktiv sind und die auch sehr erfinderisch vorgehen. Ich denke da nur an den Ökohof Brodowin, der eine wirklich tolle Kommunikation über die sozialen Netzwerke verantwortet. Die bekommen über diese Netzwerke genau das Feedback gespiegelt, das Sie eben erwähnt haben.”
Eine letzte Frage zum Schluss bringt uns wieder zum Anfang zurück – zum Sanddorn. Können Sie selbst nach all den Jahren noch immer Sanddorn schmecken, anfassen, riechen und sehen – oder haben Sie die Nase voll? Und wo sehen Sie Ihre Firma in 20 Jahren?
Dorothee Berger: “Der Sanddorn ist kein Thema, das ich auch nur eine Minute zur Seite stellen kann oder möchte. Bei uns in der Familien hat es Tradition, dass es an jedem Morgen zum Frühstück für alle immer einen Shot mit dem hundertprozentigen Saft gibt. Wir denken, das hält uns fit und gesund.
Darüber hinaus konsumiere ich natürlich nicht in aller Breite täglich all unsere Sanddorn-Produkte. Es macht aber immer wieder großen Spaß, sich neue Produkte einfallen zu lassen. So haben wir in diesem Jahr eine Sanddorn-Knusperwaffel kreiert, das ist einmal etwas Süßes mit Sanddorn.
Ich scherze: In 20 Jahren möchte ich mit dem Sanddorn die Weltherrschaft übernommen haben.” (Fragen / Fotos: CS)
Bei der Erstellung des YouTube-Videos half uns Marvin Zinke aus Brandenburg an der Havel.
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