Unser Havelland und EDEKA Dorfmann Zukunftsmarkt Video-Podcast (8): Im Gespräch mit Landrat Roger Lewandowski
“Unser Havelland” startet ein neues Format. Einmal im Monat laden wir uns eine interessante Person aus dem Havelland ein, um ein halbstündiges Gespräch mit vorbereiteten Fragen zu führen. So können wir ein Interview präsentieren, das bewusst den Rahmen sprengt und ein wenig mehr in die Tiefe geht. Im August war Roger Lewandowski unser Gast. Er ist der Landrat vom Havelland.
“Unser Havelland” lädt einmal im Monat eine interessante Person aus dem Havelland ein, um ein halbstündiges Expertengespräch zu führen. So können wir ein Interview präsentieren, das bewusst den Rahmen sprengt und ein wenig mehr in die Tiefe geht. Das Interview wird gekürzt und gestrafft auf vier Seiten im Magazin abgedruckt und auf die Homepage www.unserhavelland.de gestellt. Zugleich nehmen wir es aber auch als halbstündigen Experten-Podcast auf Video auf, das Sie auf unserem YouTube-Kanal (www.youtube.com/UnserHavelland) abrufen können.
Unser Interview findet immer vor Live-Publikum statt und zwar in der “Überschaubar” im neuen EDEKA Zukunftsmarkt in Nauen (www.zukunftsmarkt-dorfmann.de) von Christian Dorfmann – das ist zurzeit der nachhaltigste EDEKA-Markt in ganz Deutschland.
Der erste Gast für die neue Interview-Reihe war Christian Lohse, der 2-Sterne-Koch, der in Falkensee lebt. Für die Fortsetzung haben wir Robert Dahl eingeladen, den Inhaber von Karls Erlebnis-Dorf in Elstal. Anschließend war Birgit Faber bei uns, sie ist der Geschäftsführende Vorstand vom “Turn und Sportverein Falkensee e.V.”. Gern sprachen wir mit Olaf Höhn, dem Geschäftsführer von Florida Eis aus Spandau. Thilo Spychalski, der Geschäftsführer der Havelland Kliniken Unternehmensgruppe, saß auch schon am Mikrofon. Anschließend besuchte uns Ronald Rauhe aus Falkensee, Olympia-Sieger im Kajakfahren, mit seinen fünf Olympia-Medaillen. Im letzten Monat haben wir mit Dirk Eilert aus Dallgow-Döberitz gesprochen – er beschäftigt sich mit der Mimikresonanz-Methode.
In diesem Monat hatten wir Roger Lewandowski zu Gast im Experten-Podcast. Er ist der amtierende Landrat vom Landkreis Havelland.
Roger Lewandowski ist seit dem 1. April 2016 der Landrat vom Landkreis Havelland. 2024 wurde er erneut gewählt – für weitere acht Jahre. Wir freuen uns sehr, dass er sich für ein Interview mit “Unser Havelland” eine Stunde Zeit nehmen konnte.
Wir möchten gar nicht so groß in die Politik einsteigen, sondern viel eher herausfinden, was macht ein Landrat eigentlich, was macht den Landkreis aus, was bietet der? Da geht unsere Reise heute so ein bisschen hin. Und ich fange mal mit einer ganz einfachen Frage an. Können Sie uns etwas über das Havelland verraten?
Roger Lewandowski: “Also das Havelland ist ganz klar der schönste Landkreis im ganzen Land Brandenburg. Wir haben eine Fläche von 1.727 Quadratkilometern, also wirklich eine sehr große Ausdehnung. Das Havelland reicht von Berlin bis nach Sachsen-Anhalt, also fast bis an die Elbe. In der Ost-West-Ausrichtung kann man an die 80 Kilometer weit fahren und in der Nord-Süd-Richtung sind es noch einmal um die 40 Kilometer.
Wir haben mittlerweile etwa 174.000 Einwohner. Wir sind ein Landkreis, der weiter wächst. Auch unsere Prognose bis zum Jahre 2030/35 geht davon aus, dass wir weiter wachsen. Damit sind wir einer der wenigen Landkreise in Brandenburg, in denen das überhaupt noch der Fall ist.”
Als Havelländer geht mir immer ein wenig das Herz auf, wenn ich von außerhalb in den Landkreis zurückkehre und die kleinen Schilder am Straßenrand sehe: “Willkommen im Havelland”.
Roger Lewandowski: “Ja, das war eine tolle Nummer. Es war mir sehr wichtig, diese Schilder an den Straßen anzubringen, um auch etwas zur Identifikation der Bewohner mit dem Havelland beizutragen. Damit zeigen wir auch, dass wir ein Stück weit stolz auf unseren Landkreis sind.”
Wenn ich mir das Havelland unter dem wirtschaftlichen Blickwinkel ansehe: Was ist typisch für unseren Landkreis?
Roger Lewandowski: “Also wir haben ganz klar nicht DIE Industrie oder DEN einen Dienstleister bei uns, der die Wirtschaft des Landkreises dominiert. Bei uns ist alles etwas kleinteiliger, was aber auch ganz gut so ist. So sind wir konjunkturell nicht so anfällig, wie das vielleicht in dem einen oder anderen Landkreis der Fall ist.
Wir haben auf jeden Fall einen sehr starken Bereich Logistik. Wir haben ein Standbein im Bereich der Landwirtschaft, die ist bei uns sehr ausgeprägt und gehört einfach zum Landkreis mit dazu. Und wir haben ganz viele Handwerksbetriebe, die über den gesamten Landkreis verteilt sind.
Überraschend für viele ist, dass der Tourismus bei uns längst eine wirtschaftliche Größe ist. Das ist ein Wirtschaftszweig mit einer halben Milliarde Euro Umsatz. Allerdings ist das auf die ganze Region Havelland bezogen, die etwas größer ist als nur unser Landkreis.
Auch die optische Industrie in Rathenow darf man nicht auslassen, obwohl sie früher noch viel, viel größer war als heute.”
Sie werben ja seit Jahren unermüdlich “für das schöne Havelland”, sind aber selbst ein zugezogener Berliner, der in Charlottenburg aufgewachsen ist. Was macht für Sie das Havelland so liebenswert?
Roger Lewandowski: “In der Tat bin ich überzeugter Havelländer. Ich kann mir auch keinen anderen Ort vorstellen, an dem ich gern leben möchte.
Wie kommt man als Berliner ins Havelland? Es gab damals so einen Impuls: Wenn ich einmal eine Familie gründen möchte, dann im Grünen. So bin ich aufs Havelland gekommen. Es ist ja auch nicht wirklich weit weg von Charlottenburg.
Das Havelland hat mich als Wohnort einfach überzeugt. Die Verkehrsanbindung an Berlin ist super. Aber der Landkreis hat auch sonst sehr viel zu bieten. Wir haben Natur, wir haben Kultur. Es gibt ein Riesenangebot, wenn man etwas unternehmen möchte.
Der zweite Faktor, der das Havelland so besonders macht, das sind die Menschen. Wir haben unfassbar viele Menschen, die bei uns auf rein ehrenamtlicher Basis etwas auf die Beine stellen. Sie sorgen so dafür, dass das Havelland vielfältig und bunt ist – und dass hier jeden Tag etwas stattfindet. Ich bewundere diese Leute sehr, die sich ehrenamtlich engagieren und ihre Freizeit für andere einbringen. Deswegen ist mir das Ehrenamt auch so extrem wichtig. Ich versuche das als Landrat zu unterstützen, wo es nur geht.”
Wenn jetzt ein Tourist aus Bayern zu Besuch käme, der vorher nie auch nur ansatzweise bei uns in der Region zu Gast gewesen ist, welche fünf Dinge sollte er sich als Tourist anschauen?
Roger Lewandowski: “Das ist natürlich sehr schwierig zu beantworten, weil das Havelland deutlich mehr als nur fünf schöne Ausflugsziele zu bieten hat.
Ganz spontan denke ich da an den Gülper See und den Sternenpark. Tatsächlich befindet sich dort der dunkelste Ort in ganz Deutschland, es gibt dort nachts quasi keine Lichtverschmutzung. Man sieht in der Folge mit dem bloßen Auge Sternenbilder, die ansonsten im Verborgenen bleiben. Das ist ein tolles Erlebnis, das man auf eigene Faust angehen kann, für das man aber auch eine Führung buchen kann. Der Gülper See ist außerdem der größte See, den wir bei uns im Havelland haben. Da nisten und brüten ganz viele Vögel. Im Herbst sammeln sich dort die Vögel, die in den Süden fliegen.
Dann haben wir Ketzin an der Havel. Hier sieht man sehr schön, wie viele Bademöglichkeiten es an der Havel gibt. Paretz ist auch ein sehr sehenswerter Ort, sozusagen eine Idylle im Havelland, die dann auch noch von Schloss Paretz gekrönt wird. Auch Rathenow mit dem BUGA-Park oder dem Kirchberg ist immer einen Besuch wert.
Und wie könnte ich das vergessen, wir haben ja auch noch Ribbeck mit dem Schloss, mit der Birne und mit dem berühmten Fontane-Gedicht. Der ganze Ort ist inzwischen ein wirklicher Hingucker geworden. Und auch das Schloss haben wir ja neu belebt, da hat eine echte Entwicklung stattgefunden.”
Jetzt gehen wir ein bisschen vom großen Ganzen ins kleinere über. Wir haben gerade zwei riesengroße Stürme überstanden, wie wir sie seit Jahren nicht mehr im Havelland hatten. Ich wohne selbst bereits seit knapp 30 Jahre in Falkensee. Dass wir so viele umgefallene Bäume wie jetzt zu beklagen haben, daran kann ich mich nicht erinnern. Wie hoch wird der Schaden sein?
Roger Lewandowski: “Man kann so kurz nach dem Sturm noch gar nicht beziffern, wie groß der Sachschaden ist. Er ist sicherlich erheblich, weil in der Tat sehr viele Bäume umgefallen und Äste abgebrochen sind. Viele Bäume sind auf Autos gefallen, einige haben im Fallen Häuser getroffen, das habe ich selbst gesehen. Gott sei Dank gab es im Havelland keine Toten und beim letzten Ereignis auch keine Verletzten.
Es kommt mir auch so vor, dass wir so heftige Stürme so kurz nacheinander in den Jahren, in denen ich jetzt im Havelland lebe, noch nie zuvor hatten. Aber das ist jetzt nur ein Gefühl, ich habe da noch keine offiziellen Zahlen oder einen Vergleich.
Aber wenn man durch die Straßen gerade in Falkensee fährt, sieht man, was da alles noch an Holz herumliegt. Das wird sicherlich einige Wochen dauern, bis das alles beseitigt ist. Das ist schon heftig gewesen.
Da machen sich nun sicherlich auch die trockenen Sommer der letzten Jahre bemerkbar, die ja einen gewissen Einfluss auf die Standfestigkeit der Bäume haben. Die Bäume waren durch die Trockenheit auch in sich geschwächt, das wird auch eine Rolle gespielt haben.
Der erste Sturm durch das Tief ‘Ziros’ am 23. Juni hat vor allem im westlichen Havelland große Schäden angerichtet, während der noch stärkere Sturm am 26. Juni vor allem das östliche Havelland geschädigt hat – mit einem klaren Schwerpunkt in Falkensee.”
Wo und wie haben Sie persönlich den zweiten, noch stärkeren Sturm erlebt?
Roger Lewandowski: “Den zweiten Sturm habe ich in Rathenow miterlebt. Ich dachte, das wird bestimmt wieder heftig werden, auch, weil ein entsprechendes Unwetter angesagt war. Aber in Rathenow zog das Unwetter einfach über die Stadt hinweg. Es regnete zwar, und es stürmte auch ein wenig, aber das war es dann auch. Das Unwetter hatte ich stärker erwartet. Es zog auch sehr schnell über Rathenow hinweg.
Als ich aus dem Dienst nach Hause nach Falkensee gefahren bin, bin ich dem Unwetter sozusagen gefolgt. Ich sah während der ganzen Fahrt eine schwarze Front vor mir. In Falkensee habe ich dann die Schäden gesehen – und es wurde von Meter zu Meter immer schlimmer. Ich konnte auch sehr schnell nicht mehr die gewohnten Wege fahren, weil plötzlich ein Baum quer über der Straße lag. Und bei der nächsten Seitenstraße, über die ich ausweichen wollte, war es ganz genauso. Da habe ich schon gemerkt, dass in Falkensee ganz schön etwas heruntergekommen ist.
Wir haben zum Glück viel Unterstützung von anderen Feuerwehren aus dem Landkreis erfahren. Auch das Technische Hilfswerk war mit am Start. Neben den Kollegen aus dem Havelland kamen Helfer auch aus Potsdam, aus Berlin und aus Eberswalde. Da hat man schon gesehen, wie viele Einsatzkräfte man braucht, um das, was in Falkensee passiert ist, auch beherrschen zu können.”
Ich war schon ein wenig stolz darauf, dass unsere Havelländer, kaum dass der Sturm vorbei war, alle auf der Straße waren, um so schnell es nur geht dicke Äste von der Fahrbahn zu holen.
Roger Lewandowski: “Es gab eine unheimliche Hilfsbereitschaft auf den Straßen. Alle haben mit angepackt, damit die Straßen schnell wieder frei werden und Gefahren behoben werden. Das war schon bemerkenswert. Das ist genau das, was ich vorher schon angesprochen habe. Die Menschen im Havelland machen das Havelland aus.”
Eine Sache, die mir bei Ihnen auffällt: Seit Jahren nehmen Sie sich Zeit und besuchen tageweise die einzelnen Orte und Gemeinden im Havelland, um hier mit den Menschen zu sprechen, um ihre Firmen kennenzulernen und um in die Vereine zu gehen. Warum tun Sie das?
Roger Lewandowski: “Ich habe mit diesen Ortsbesuchen in der Tat damals angefangen, als ich Landrat wurde. Es ist mir wichtig, die Dinge nicht nur vom Schreibtisch aus zu entscheiden. Ich möchte wissen, was draußen vor sich geht. Damit ich mögliche Probleme hautnah mitbekomme, aber auch von Dingen erfahre, die tatsächlich sehr gut funktionieren.
Das gelingt am besten, wenn man draußen vor Ort ist und mit den Menschen spricht. Die sagen einem auch, wo der Schuh drückt und wie sich bestimmte Entscheidungen vom Landkreis auf sie auswirken. Ich habe dann auch die Möglichkeit, bestimmte Dinge zu erklären oder auch einmal auf dem kurzen Dienstweg zu helfen.
In vielen Bereichen haben mir diese Besuche zu einem späteren Zeitpunkt auch bei einer wichtigen Entscheidungsfindung geholfen. Da gebe ich auch gern ein Beispiel. Ich besuche nämlich immer wieder gern die Feuerwehren im Landkreis. Dabei wird mir auch immer die Schutzausrüstung der Feuerwehrleute gezeigt. Gerade bei den kleineren Feuerwehren gab es da noch sehr viel Verbesserungspotenzial, um es einmal nett zu sagen.
Wenn es schon Menschen gibt, die ehrenamtlich und freiwillig dafür sorgen, dass wir alle sicherer leben können, dann muss man auch für die Sicherheit dieser Menschen einstehen. Aus diesem Grund haben wir im politischen Umfeld ein Feuerwehr-Investitionsprogramm auf den Weg gebracht, bei dem das Hauptaugenmerk darauf liegt, die persönliche Schutzausrüstung in den Feuerwehren deutlich zu verbessern. Da ich die Feuerwehren weiterhin besuche, kann ich auch sagen, das ist gelungen. Es ist noch nicht alles perfekt, aber es hat sich sehr viel getan.
Wir sind übrigens die einzigen im Land Brandenburg, die so ein Programm aufgelegt haben. Es wird jedes Jahr mit einer halben Million Euro unterfüttert. Da können wir stolz drauf sein.”
Sie betonen immer wieder, dass gerade unsere jungen Havelländer nach der Schule möglichst im Landkreis bleiben sollen. Was zieht die jungen Leute in die Ferne und was müssen wir ihnen bieten, damit sie bei uns bleiben?
Roger Lewandowski: “Was zieht junge Leute in die Ferne? Neugierde etwa, wenn man nach den langen Schuljahren nun etwas erleben möchte. Oft ist es auch die Ausbildung oder ein Studium. Oder die Liebe schlägt zu und man zieht zu einem Freund oder zu einer Freundin. Mitunter sind es ganz banale Dinge.
So richtig etwas dagegen tun kann man nicht. Aber man kann etwas unternehmen, mit dem wir bereits begonnen haben. Wir können den jungen Menschen die Möglichkeiten aufzeigen, die es bei uns im Havelland gibt. Viele junge Havelländer wissen gar nicht, welche tollen Ausbildungen es vor Ort gibt. Und dass es sich lohnt, etwa nach einem Studium wieder ins Havelland zurückzukehren, um einen der tollen Berufe wahrzunehmen, die man hier ergreifen kann.
Extra dafür haben wir unsere jährliche Börse für Ausbildung und Studium ins Leben gerufen, die immer Anfang des Jahres im MAFZ Paaren stattfindet. Da holen wir unsere Schüler sehr früh ab und zeigen ihnen ihre Möglichkeiten auf.
Wir sind im Havelland auch bestens aufgestellt, was zukunftsträchtige Firmen anbelangt. Man denke z.B. nur in Nauen an die Firma PacTech, die im Mikrotechnologiebereich arbeitet. Oder an unseren Bahntechnologie-Campus in Elstal, in dem sich viele bahnaffine Unternehmen ansiedeln. Hier entsteht zurzeit eine hochmoderne Bahnakademie, die vor Ort auch Forschung und Lehre einbindet.”
Es gibt das östliche und das westliche Havelland – und irgendwie scheint da noch eine unsichtbare Grenze zwischen den beiden Landkreishälften hindurchzugehen. Woher kommt das?
Roger Lewandowski: “Ich glaube, das kann man nicht mit einem Satz beantworten. Ich bin der Meinung, das ist historisch gewachsen. Es gab ja früher zwei Landkreise, nämlich den Landkreis Nauen und den Landkreis Rathenow. Noch früher gab es die Landkreise Westhavelland und Osthavelland. Das ist natürlich ein Stück weit in den Köpfen der Menschen drin.
Vor 32 Jahren gab es nun aber die Kreisfusion und aus zwei getrennten Landkreisen wurde ein neuer.
Es braucht einfach etwas Zeit, damit diese beiden Landkreise auch wirklich zu einem zusammenwachsen. Für meine beiden Kinder, die im Havelland geboren wurden und die hier auch aufgewachsen sind, gibt es tatsächlich nur noch ein Havelland. So wird sich das meiner Meinung nach langsam auswachsen.
Man kann natürlich versuchen, und da gebe ich mir selbst immer sehr viel Mühe, eine gemeinsame Identität anzuregen. Etwa mit unserer grünen Knautschbirne, die wir als Symbol für das gesamte Havelland ansehen und entsprechend verteilen. Oder eben mit unseren gemeinsamen Veranstaltungen, auf denen wir genau diese Gemeinsamkeiten immer sehr betonen.
Aber so ein Gemeinsamkeitsgefühl, das kann man nicht verordnen, das muss man leben.”
Der Landkreis Havelland ist einer der größten Arbeitgeber im ganzen Landkreis. Welche Aufgaben muss die Verwaltung des Landkreises eigentlich stemmen?
Roger Lewandowski: “Also wenn man die alle nennen würde, könnte das durchaus ein paar Stunden dauern. Wir kümmern uns um die gesamte Daseinsvorsorge für unsere Bürger und nehmen darüber hinaus auch übertragene Landesaufgaben wahr.
Ich nenne einfach einmal ein paar Beispiele. So kümmern wir uns etwa um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die Havelland Kliniken mit Standorten in Nauen und Rathenow sind eine 100-prozentige Tochter des Landkreises.
Wir stellen auch die Mobilität im Landkreis sicher, etwa über unsere Busse. Das Unternehmen Havelbus ist eine weitere 100-prozentige Gesellschaft des Landkreises.
Weiter geht es mit der Abfallentsorgung, die jeder ganz selbstverständlich hinnimmt. Wir kümmern uns um die Verwertung und die Abholung des Mülls.
Der Bürger bekommt oft gar nicht mehr mit, dass er in seinem Alltag mehr Kontakt mit dem Landkreis hat als mit seiner Gemeinde. Da geht es etwa um die Kfz-Zulassung, das Sozialamt, das Jobcenter, das Jugendamt. Man könnte das beliebig weiterführen.
Viele Aufgaben bedingen natürlich auch, dass wir viele Beschäftigte haben, die all diese Aufgaben bewältigen, damit im Landkreis alles rund läuft. Allein bei uns in der Verwaltung arbeiten deswegen gut und gerne 1.100 Beschäftigte.
Wenn ich unsere ganzen Gesellschaften und Beteiligungen mit dazu zähle, kommen noch einmal um die dreieinhalbtausend Menschen dazu. Insgesamt liegen wir damit bei knapp 4.500 Beschäftigten. Damit sind wir der größte Arbeitgeber im ganzen Landkreis.”
Jetzt lesen wir immer wieder: Es ist kein Geld da, die Regierung muss sparen. Was bedeutet das für das Havelland?
Roger Lewandowski: “In der Tat. Das Geld wird knapper. Tatsächlich ist es so, dass die Steuereinnahmen noch immer sehr hoch ausfallen. Aber die Ausgaben steigen leider deutlich stärker als die Einnahmen.
Bundesweit haben wir etwa das Problem, dass unsere Krankenhäuser nicht auskömmlich finanziert sind und deswegen allesamt schwächeln. Wir haben uns im Landkreis mit einem großen Einvernehmen untereinander dafür entschieden, dass wir unsere Kliniken stützen, weil sie für uns unverzichtbar sind. Auch wenn das bedeutet, dass wir den Kliniken jedes Jahr bis zu 15 Millionen Euro für ihre Liquidität zur Verfügung stellen müssen.
Das belastet unseren Haushalt genauso wie die deutlich gestiegenen Jugend- und Sozialkosten. Auch die Personalkosten und die Inflation schlagen da voll zu. Was wir mehr an Geld bekommen, deckt das Mehr an Kosten leider nicht mehr ab. Das ist ein bundesweites Phänomen, das ist nicht nur im Havelland so.
Zum Glück haben wir im Havelland in der Vergangenheit immer gut gewirtschaftet. Das hat sogar dazu geführt, dass wir im letzten September als Landkreis komplett schuldenfrei waren, also keine Kredite mehr zu bedienen hatten. Da gibt es in ganz Deutschland nur wenige Landkreise, die das erreicht haben.
Die Freude war aber in der Tat nur sehr kurz, weil jetzt der Gürtel enger geschnallt wurde und die Zuweisungen vom Land für die Aufgaben, die wir wahrzunehmen haben, in vielen Bereichen einfach nicht mehr ausreichen. Deswegen fordern wir Landkreise übrigens deutschlandweit, dass die finanzielle Ausstattung besser werden muss.”
Wenn wir uns im Landkreis umschauen und die Infrastruktur, die Straßen und Brücken, die Schulen und die Fahrradwege zum Thema machen: Wie ist denn da der Status Quo?
Roger Lewandowski: “Ja, da kommen wir in einen schwierigen Bereich. Wir hatten ja bereits das Thema knappe Kassen. Wir müssen jetzt natürlich Prioritäten setzen.
Zum Glück kommen wir im Bereich Infrastruktur ganz gut voran. Über 90 Prozent unserer Kreisstraßen sind in einem sehr guten Zustand. Wir haben uns aber auch auf den Weg gemacht, um unsere kreisliche Radwegeinfrastruktur immer weiter auszubauen. Da stoßen wir mitunter auf das Problem, dass uns die Grundstücke gar nicht gehören, über die ein Radweg verlaufen soll. Da sind wir natürlich auch darauf angewiesen, dass uns die entsprechenden Eigentümer das benötigte Stück Land verkaufen. Daran scheitert ein Plan mitunter auch.
Beim Thema Breitbandanschluss würde ich es mir wünschen, dass es schneller vorangeht. Ende des Jahres werden wir wohl fertig sein mit unserem Weiße-Flecken-Programm. Dabei geht es zunächst um die Ertüchtigung auf 50 Megabit.
Wir haben eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um auszuloten, ob es denn auch möglich wäre, den Gigabit-Ausbau für den Landkreis anzugehen, sodass jeder Haushalt sogar einen Gigabit-Anschluss bekommen könnte. Das wäre bereits der nächste Schritt.
Gerade beschäftigt uns das Thema Schulen wieder. Wir sind ein wachsender Landkreis und das bedeutet, dass wir auch mehr Kinder haben werden, die eine Schule besuchen möchten. Aus diesem Grund möchten wir ein neues Gymnasium bauen – und zwar in Wustermark.”
Ab August wird die Hamburger Bahn volle acht Monate lang saniert. In dieser Zeit wird kein Zug mehr durch Nauen, Falkensee und Spandau fahren. Die alternative Bahnlinie, die durch Wustermark und Dallgow-Döberitz führt, wird dann wahrscheinlich doppelt und dreifach frequentiert werden. Auch werden deutlich mehr Autofahrer auf die Straße drängen. Ich habe gehört, Sie sind mit den Entscheidungen der Bahn nur bedingt zufrieden?
Roger Lewandowski: “Die Landkreisverwaltung und ich, wir beschäftigen uns mit dem Thema bestimmt schon anderthalb Jahre lang. Wir haben immer wieder mit der Bahn zusammengesessen. Und damit meine ich nicht nur uns aus dem Havelland, sondern auch die anderen Landräte, Bürgermeister und Amtsdirektoren, die ihren Verwaltungsbereich entlang der betroffenen Bahnstrecke haben. Wir haben dabei versucht, Lösungen für den ja zwingend notwendigen Schienenersatzverkehr zu finden.
Ich hätte mir etwa gewünscht, dass die Bahn keine Vollsperrung durchführt, sondern es nur eine einseitige Sperrung gibt, sodass ein reduzierter Bahnverkehr weiterhin möglich ist. Das war von der Bahn oder vom Bund nicht gewünscht. Jetzt bekommen wir also eine Vollsperrung – mit allen Problemen, die das mit sich bringt. Dass wir keinen hundertprozentigen Ersatz für die Bahn stellen können, ist glaube ich allen klar.
Der Standpunkt der Bürgermeister, der Amtsdirektoren und von mir ist aber: Dann sollte man alles tun, was nur denkbar ist, um den Bürgern so wenig Einschränkungen wie nur möglich zuzumuten. Da setzen wir an. Wir haben einiges gegenüber der Bahn erreicht und hier auch ein gutes Einvernehmen. Es sind aber auch etliche Punkte offengeblieben, bei denen wir noch deutlichen Nachbesserungsbedarf sehen. Das haben wir immer wieder kommuniziert. Aber die Bahn ist bedauerlicherweise nicht bereit, uns da noch ein Stück weiter entgegenzukommen.
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass man lieber von Anfang an ein wenig zu viel für die Bürger anbietet, um das Angebot dann, wenn der Schienenersatzverkehr gar nicht so intensiv angenommen wird, wieder zu reduzieren. Die Bahn geht den anderen Weg. Reicht das geplante Angebot nicht aus, weil es doch zu wenig Möglichkeiten für die Bürger bietet, wird eben in der anderen Richtung nachjustiert.
Wir würden lieber den anderen Weg gehen. Auch weil wir denken, dass das geplante Angebot nicht ausreichen wird und es schnell zu Engpässen beim Schienenersatzverkehr kommen wird. Genau das hätten wir eben gern verhindert. Leider muss man an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Für den Schienenersatzverkehr ist nun einmal die Bahn verantwortlich. Wir sind da, in Anführungszeichen, nur Bittsteller. Wir bleiben trotzdem dran, legen den Finger in die Wunde und nerven eben auch einmal.”
Jetzt kommt der Landrat, und das ist auch die letzte Frage, irgendwann von der Arbeit nach Hause und stellt seine Aktentasche in die Ecke. Er zieht die Schuhe aus, legt die Füße auf den Tisch. Was macht der private Roger Lewandowski, wenn er nicht Landrat ist?
Roger Lewandowski: “Ich treffe mich sehr gern mit Freunden. Ich spiele gerne Brettspiele. Und ich gehe furchtbar gern auf Flohmärkte. Auf den Flohmärkten suche ich leidenschaftlich gern nach ausgefallenen Dingen. Das sind oft Dinge aus vergangenen Zeiten, die man heutzutage gar nicht mehr kennt.
Erst letztens habe ich eine Art Häkelnadel entdeckt, die früher zum Einsatz kam, um ein Korsett aufzuschnüren. Ansonsten lese ich gern, vor allem Sachliteratur. Hier begeistern mich vor allem alte Bücher, weil mich die Denkweise von Menschen aus vergangenen Jahrzehnten interessiert. Wenn die Zeit da ist, reise ich, vor allem innerhalb von Europa. Meine Lieblingsländer sind Kroatien und Italien.” (Fragen / Fotos: CS)
Bei der Erstellung des YouTube-Videos half uns Marvin Zinke aus Brandenburg an der Havel.
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 233 (8/2025).
Seitenabrufe seit 5.10.2025:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige


