Scheibes Glosse: Golf spielen
Es wird Zeit für einen neuen Sport. An der frischen Luft gemütlich einen Spaziergang wagen, einen kleinen Ball durch die Luft sausen lassen und viele neue Menschen kennen lernen – das verspricht Golf. Doch der elegante Sport birgt leider seine Tücken und sorgt alle paar Meter dafür, dass sich seine begeisterten Anhänger volle Kalotte zum Horst machen können.
Meine erste Berührung mit dem Breitensport Golf (60 Millionen Spieler, 35.000 Golfplätze weltweit) hatte ich auf Hawaii, genauer gesagt auf der Insel Maui. Auf dem Weg zum Strand führte uns das Asphaltband mitten über einen Golfplatz. Auf dem Weg lag plötzlich ein Golfball. Den fand ich so hübsch, dass ich ihn aufgehoben und mitgenommen habe. Die nächsten Minuten begleitete mich das unschöne Gebrüll des Golf-Flights, dem dieser Ball anscheinend gehörte.
In den allermeisten Golf-Anlagen in den USA darf jeder Mann und jede Frau ins Golf-Kart steigen, um die Schläger zu schwingen. Ob sie Ahnung vom Sport haben oder nicht, ist dabei völlig egal. Das ist in Deutschland natürlich ganz anders. Hier braucht man erst eine spezielle Ausbildung, die Platzreife. Wer die Platzreife nicht hat, darf nur auf winzigen Kinderplätzen mit sechs Minibahnen eine Runde drehen.
Immerhin lernt man beim Platzreife-Kurs, dass es für jede mögliche Entfernung zum Loch einen eigenen Schläger gibt, dass die eigenen Hosentaschen bald vollgestopft sein werden mit Bällen, Tees, Pitchinggabeln und Markierungs-Münzen – und dass es nicht gern gesehen wird, wenn man sein Golf-Bag samt Schlägern ins nächste Wasserhindernis wirft, nur weil wieder ein Ball in die falsche Richtung geflogen ist.
Man lernt auch sehr schnell, dass es im Sport genau drei extrem schwierige Bewegungsabläufe gibt: Das Abspringen beim Stabhochsprung, das Lösen der Sehne beim Bogenschießen und natürlich der Schwung beim Golfen. Einfacher wäre es sicherlich, den Golfball mit seinen 300 bis 450 kleinen “Dellen” (dimples) mit dem Fuß über die 18 Bahnen zu treten, die zu einem Golfplatz gehören.
Eine Golf-Runde dauert auch so lange, weil sich die Spieler vorher erst noch “einschlagen” müssen – auf der Driving Range. Hier schlägt man Bälle ab, als ob man es erst noch lernen müsse. Und wenn die Bälle endlich schnurgerade fliegen, geht es auf zum allerersten Loch, wie die Golfbahnen auf das Finalziel hin gern benannt werden.
Wenn man am Abschlag steht, auf die sich vor einem ausbreitende Bahn schaut und den Ball auf das hölzerne Tee setzt, ist plötzlich auf einmal alles anders als auf der Driving Range. Rechts und links laden Bäume, hohe Wiesen und tiefe Tümpel dazu ein, den Ball “zu fressen”, sobald man beim Schlag auch nur die leiseste falsche Bewegung macht. Und tatsächlich kann man nun schnell in eine Art “Golf-Panik” gelangen.
Für fehlgeleitete Bälle gibt es jede Menge Fachbegriffe. Der “hook” lässt den Ball am Ende der Flugbahn plötzlich nach links abdrehen, beim “slice” geht es nach rechts. Keinen Fachbegriff gibt es leider für die demütigende Geräuschkakofonie, wenn der Ball hölzern krachend in eine Waldpassage einschlägt und mit einem infernalen “Klonk” von Stamm zu Stamm springt, bevor er so im hohen Gras landet, dass man ihn nie wiederfindet.
Golf ist gut für die Gesundheit. Man ist vier Stunden im leicht erhöhten Pulsbereich unterwegs und läuft bei 18 Löchern gut und gern 20.000 Schritte. Vor allem dann, wenn man den Ball mal nach rechts und mal nach links schlägt – und deswegen alle Bahnen im Zickzack-Muster absolviert.
Dabei ist man im Einklang mit der Natur. Im hohen Rough, in dem der Ball gern landet, trifft man auf Zecken, Mücken und Kletten.
Apropos Tiere. Vögel mag der Golfer in Form von Birdies, Eagles und Albatrossen, denn das bedeutet, dass er besonders wenig Schläge zum Einlochen gebraucht hat. In Florida laufen aber auch schon einmal ausgewachsene Alligatoren über den Golfplatz. Landet der Ball auf einem solchen Tier, so darf ein neuer Ball ohne Strafpunkte in zwei Schlägerlängen Entfernung zum bissigen Tier gedroppt werden. Aha.
Regeln. Es gibt so viele, dass sie Bücher füllen. Leider ist es nicht erlaubt, Bälle im Sandbunker aufzuheben und sie mit der Hand in Richtung Grün zu werfen. Landet der Ball aber auf einem Wirtschaftsweg, darf man ihn rückwärts gehend “besserlegen”, nämlich ins Gras, das den Ball etwas erhöht, sodass er sich besser schlagen lässt. Das muss man alles nicht verstehen, nur befolgen.
Regeln unterstützen eine Sache, die sich auch im Golfsport immer wieder beobachten lässt – das Schummeln. Schaut gerade niemand, wird der eigene Ball schon mal so mit dem Fuß beiseite geschoben, dass er sich besser an einem Baum vorbeischlagen lässt. Einfacher ist es, die Schläge bewusst falsch zu zählen. Man spielt eine 6, ruft den Flight-Partnern eine 5 zu und schreibt sich eine 4 auf. So wird das gemacht.
Aber eigentlich wird Golf nur gespielt, um viel Geld ausgeben zu können. Für neue Schläger, die den Ball noch besser treffen. Für Bälle, die nicht mehr länger aus nur drei Bestandteilen bestehen, sondern aus vieren. Oder für einen Golf-Trolley, der vollautomatisch hinter dem Spieler herfährt.
Golf verspricht Helden, macht aus den Spielern aber viel lieber Narren – und das bei jedem Schlag aufs Neue. Da frage ich mich doch: Wann werden Sie denn zum Golf-Spieler? (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 233 (8/2025).
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