Kristina Hölzel: Regionale Geschichte (10): Schienen & Schätze
Mit dem Beginn der deutschen Eisbahngeschichte 1835 entstand rasch ein immer dichter werdendes Schienennetz. Die Strecke zwischen Berlin und Hamburg sollte über fünf eigenständige Länder des Deutschen Bundes verlaufen. In dem 1841 zwischen diesen Ländern geschlossenen Staatsvertrag wurden u.a. die Streckenführung und die Verrechnung der Transitzölle geregelt. In Spitzenzeiten arbeiteten bis zu 10.000 Menschen an diesem von der Berlin-Hamburger Eisenbahn-Gesellschaft und der Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn entwickelten Bauprojekt.
Die gesamte Strecke wurde im Dezember 1846 für den Personen- und Güterverkehr freigegeben. Das war eine große Erfolgsgeschichte.
Hier eine kleine Geschichte: Viele Bahnarbeiter kamen in den Dörfern entlang der Bahnlinie unter und sorgten nicht nur für Unruhe auf den dörflichen Tanzböden, sondern auch für frisches Geld. Der Ortschronist Fritz Müller (1886 – 1978) berichtete in seinen Dorfgeschichten von einem Seegefelder „Hausschlachter“: Der geschäftstüchtige Mann soll nach damaligen Verhältnissen ein kleines Vermögen mit dem Verkauf von Lebensmitteln an die Bahnarbeiter gemacht haben. Um seine Einkünfte nicht versteuern zu müssen, vergrub er den größten Teil unter einem Apfelbaum auf seinem Grundstück. Seine Frau, die ihn lange überlebte, sprach zwar vom „Schatz unterm Apfelbaum“, doch Genaueres schien sie nicht zu wissen. Nach ihrem Tod geriet das Ganze in Vergessenheit. Als Jahre später ein neuer Besitzer das Grundstück beräumte, fand er unter besagtem Baum tatsächlich einen Krug mit vermoderten Papiergeld und Münzen. Schnell verbreitete sich die Kunde und so kam es, wie es kommen muss: Er musste den Schatz den Behörden übergeben.
Zurück zur großen Geschichte. Die Fahrt zwischen Berlin und Hamburg verkürzte sich 1846 dank der Bahn von Tagesreisen auf damals rund neun Stunden. Mit der Fertigstellung des Seegefelder Bahnhof im Jahr 1849 nahm auch der Vorort- und Ausflugsverkehr einen enormen Aufschwung.
1893 wurde im 1871 gegründeten Deutschen Reich eine Angleichung der Zeiten notwendig, um gültige Fahrpläne ausarbeiten zu können. Wenn man in den Seegefelder Bahnhof einfuhr, konnte man am Hauptgebäude (Foto um 1910) neben der Bahnhofsuhr den Schriftzug „Hamburg 200 Kilom. – Seegefeld. – Berlin 20 Kilom.“ entdecken. Informationen auf einen Blick.
Eine Beschilderung und Zäune sicherten zunächst die Bahnübergänge, später folgten Schranken. Der Bahnhof Seegefeld erhielt erst 1927 den Namen Falkensee.
Der Berliner Mauerbau 1961 manifestierte die deutsche Teilung nach dem 2. Weltkrieg. Damit endete nicht nur die klassische Bahnverbindung zwischen Berlin und Hamburg, sondern auch die seit 1951 bestehende S-Bahnverbindung. Nach der Flucht des Lokführers Harry D. mit dem Personenzug 2192 im Dezember 1961 nach Westberlin wurden die Gleise in Albrechtshof gekappt.
1989 hatte sich die Reisezeit mit der Interzonen-Verbindung zwischen Berlin und Hamburg auf vier Stunden verlängert. Mit der Wiedervereinigung wurde 1996/97 die Strecke im Rahmen des Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“, VDE Nr. 2, saniert und elektrifiziert. Die in den Jahren 1932 („Schienenzeppelin“) und 1933 (Schnelltriebwagen „Fliegender Hamburger“) aufgestellten Geschwindigkeitsrekorde von 160 km/h wurden erst 1997 gebrochen.
1996/97 baute man die alten Bahnhöfe in Falkensee und Finkenkrug zurück. Der rund 90 Jahre alte Falkenseer Fußgängertunnel wurde zugeschüttet. Mit den neuen Unterführungen änderte sich die innerstädtische Verkehrsführung markant. Das alte Bahnhofsgebäude, den Älteren noch als „Mitropa“ bekannt, brannte nach 1996 zwei Mal. Der Abriss erfolgte erst nach 2009. Zuvor wurden auch zwei dazugehörige Wohngebäude direkt an der Bahnstrecke abgerissen. Inzwischen erinnert nur das alte zugewucherte Schrankenwärterhäuschen aus rotem Backstein an die Seegefelder Schienengeschichte.
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 234 (9/2025).
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