Kristina Hölzel: Regionale Geschichte (7): Für immer jung
Falkensee im Juni 1945. Wie stark musste der Drang für einen kulturellen Neustart gewesen sein, dass man sich bereits einen Monat nach dem endgültigen Schweigen der Waffen mit Unterstützung der Militärverwaltung singend zusammengefunden hatte? Landesweit kam es im Sommer 1945 in großen Städten der sowjetischen Besatzungszone rasch zur Öffnung von Theatern und Opernhäusern. Im Mittelpunkt stand nach dunkler Zeit die Wiederbelebung der deutschen Klassik des 18. Jahrhunderts.
So gefördert, stand dem Zusammenschluss einiger regionaler Männerchöre zum „Falkenseer Männerchor 1945“ nichts im Wege. Die Sänger folgten der Falkenhagener und Seegefelder Tradition von 1884 und 1919. Gründungsdatum ist der 11. Juni 1945. (siehe Fotocollage oben rechts)
Initiator war ein Sänger des 1919 gegründeten und 1933 aufgelösten Arbeiter-Gesangvereins „Morgenrot“. Auch viele traditionsbewusste Mitglieder des zahlenmäßig größten 1884 in Falkenhagen gegründeten Männergesangvereins „Bergeshöh`n“ stießen hinzu. Die neue „Chorgemeinschaft“ wurde zum Sammelpunkt für weitere Chöre und Sänger, z.B. aus Falkenhöh und Spandau.
Ganz wichtig, so berichtet mir ein Sangesbruder, war es vielen, bei der Namensgebung des Chores auf das Gründungsjahr hinzuweisen. Deshalb heißt der Chors seit 80 Jahren „Falkenseer Männerchor 1945“ (ab 1990 e.V.). Die kriegsüberlebenden Gründungsmitglieder waren zwischen 33 und 61 Jahre alt.
1947 versammelten sich 70 Sänger, Solisten und Musiker zu einem großen Konzert im ALA Falkensee. Ein dankbares Publikum schätzte die versprühte Hoffnung in einer sehr schweren Zeit.
Bereits 1949 holten die sangesfreudigen Herren des Chores bei dem ersten Sängerwettstreit der Nachkriegszeit in Nauen einen begehrten Wanderpokal, den sie 1950 in Leegebruch verteidigen konnten.
1955 machte die Festschrift zum 10-jährigen Gründungsjubiläum deutlich: Dieser mitgliederstarke Chor war ein kultureller Mittelpunkt unserer Stadt. Man zählte 55 Mitglieder und 19 Förderer.
Damals fand man sich dienstags zum Proben im Neu-Seegefelder „Bayerischen Hof“ ein. Die Räumlichkeiten wechselten, der Dienstagabend blieb.
Die fleißigsten Unterstützerinnen waren stets die Ehefrauen. Sponsoren gab es natürlich auch. In den 80er Jahren war es z.B. der VEB Bau Nauen.
Zwischen 1989 und 2005 blieb mit rund 30 Sängern die Mitgliederstärke relativ konstant. Das älteste Mitglied war damals Jahrgang 1922, das jüngste 1965.
Zum Repertoire gehören wie zu Beginn klassische Volkslieder, natürlich auch Stimmungs- und Weihnachtslieder. Gesungen wird auf regionalen Veranstaltungen, offiziellen Jubiläen, Jugendweihe-Feiern, zum Karneval, zur Freude von Seniorinnen und Senioren, aber auch zu privaten Anlässen.
1997 machte der Chor überregional Schlagzeilen. Heino konnte nicht wissen, dass ein durch den 2. Weltkrieg politisch aufgeladenes Volkslied gemeinsam mit unserem Chor im MAFZ Paaren/Glien besser nicht zu singen war. Die medial aufgeladene Diskussion über diese Entscheidung sorgte für massive Drohungen und Anfeindungen einzelner Chormitglieder. Ihre Philosophie spiegelt sich im Namen wider. Beide Seiten blieben bei ihren Standpunkten.
Das – und auch viele weitere Erlebnisse schweißten diese Gemeinschaft immer weiter zusammen. Ein Höhepunkt war der Auftritt im Jahr 2004 mit den Ural-Kosaken-Chor in der Seegefelder Kirche. Diese sehr erfolgreiche Zusammenarbeit wurde in späteren Jahren noch zwei Mal wiederholt. Heute fehlen neben liedfestem Publikum auch die Sänger mittleren Alters. Das 80. Jubiläum wurde mit inzwischen nur noch 15 Sängern gemeinsam mit den unterstützenden Ehefrauen in kleiner Runde zünftig gefeiert.
Eine Verjüngungskur steht an. „Für immer jung“ sangen Karel Gott und Bushido gemeinsam, vielleicht ist das eine Anregung für die Zukunft. (Kristina Hölzel)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 231 (6/2025).
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