Scheibes Glosse: Purer Genuss

Was bei mir auf den Teller kommt, hat sich mit den Jahrzehnten meines Lebens durchaus geändert. Was mit Spaghetti in Ketchup begonnen hat, endet nun mit handgemachten Spargelravioli und gepickelten bunten Kirschtomaten. Das ist eine kulinarische Reise in 58 Jahren, die aber durchaus noch Platz dafür lässt, eine gute Currywurst von der Bude zu genießen.
Frühstück, Mittagessen, Abendbrot. Im Grunde genommen geht es dem Körper nur um die Aufnahme von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten. Aber wie so oft im Leben: Am Ende zählt das Wie.
Als Kind war es mir eigentlich völlig egal, was da auf den Teller kam. Ob Spaghetti mit Ketchup, Kartoffelbrei mit Würstchen oder Pommes mit egal welcher Beilage: Damit bin ich großgeworden. Komischerweise konnte ich als Kind überhaupt keine Pizza leiden.
Die ersten Bestrebungen, selbst in der Küche kreativ zu werden, reduzierten sich darauf, Nutella auf geschälte Bananen zu schmieren. Für ein frühes Date entwickelte ich ein Toast mit Mortadellawurst und darunter ein paar Scheiben rohen Knoblauchs. Das war nicht wirklich förderlich für ein Date, aber die Dame hat mich Jahre später trotzdem geheiratet.
In der Uni-Zeit war das Geld knapp. Da gab es natürlich jede Menge Fertiggerichte. Die Marke oder der Inhalt waren eigentlich egal, Hauptsache billig. Dabei lernte mein Körper zahllose Farbstoffe, Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker, Säuerungsmittel und Zuckerersatzstoffe kennen.
Aber – ich sollte in Sachen Kochen langsam Fortschritte machen. Mit meinem Studienkollegen Olli entwickelte ich unser typisches Studentenessen, das wenigstens drei Mal in der Woche auf dem Speiseplan stand: Balmfleisch aus der Dose mit grünen Bohnen. Büchse auf, alles in die Pfanne schütten, heiß machen, fertig.
Unser Unikollege Marco wiegte da bereits misstrauisch den Kopf. Sein Universalrezept, deutlich feiner aufgestellt: Schweinefilet, Brokkoli, Kartoffeln und eine schnell gemachte Soße aus Kräuterschmelzkäse und etwas Milch.
Ich mochte immer Leber gerne. Mein Versuch, sie selbst schön in der Pfanne anzurösten, bekam bereits an der Fleischtheke einen Dämpfer. “Für Ihre Katze?”, fragte die Bedienung skeptisch. “Ja, ja, für die Katze.”
Beim Restaurantbesuch ging es damals vor allem um Masse – der Geldbeutel wehrte alle Wünsche nach besserer Kost ab. Also wurde in der frühen Phase als Erwachsener vor allem die All-Animals-must-die-Pusztareis-Platte mit möglichst viel Fleisch aus dem jugoslawischen Sektor oder das All-you-can-Eat-Buffet beim Chinesen bestellt.
Beim Grillen Zuhause gab es nur das gute und vor allem äußerst preiswerte Nackensteak, das man einfach so lange auf der Glut brutzeln ließ, bis alles Fett verschwunden und das verbleibende Fleisch schön krustig auskaramellisiert war. Also so gut wie verbrannt.
Erst später lernte ich, dass gutes Essen nicht zwingend aus der Fritteuse kommt. Wobei sich die Qualität beim Essen zunächst in den ganz einfachen Dingen zeigt. Ein italienischer Koch sagte mir einmal: “Wenn du wissen möchtest, ob ein italienisches Restaurant gut kochen kann, bestelle dir Spaghetti Aglio e olio. Hier kann man so vieles falsch machen.”
Frisch zubereitete Spaghetti al dente, ein gutes Olivenöl, frischer Knoblauch, der dann mit nussigen Aromen leicht angebraten wird, dazu ein wenig Schärfe vom kleingeschnittenen Chili-Paprika – es gibt nichts Besseres. Mit etwas Parmesan und Brot zum Stippen hat man ein wirklich gutes Feinschmeckeressen.
Und plötzlich macht es dann Pling im Kopf. Und man versteht auf einmal, dass gutes Essen nicht teurer sein muss, sondern nur eben besser gemacht. Der Burger schmeckt eben gleich tausend Mal intensiver, wenn der Patty nicht aus dem Tiefkühler kommt, sondern aus frisch gewolftem Fleisch geformt wird. Wenn die Zwiebeln nicht roh auf den Burger kommen, sondern vorher in der Pfanne glasig geschwenkt wurden, sodass sie ein süßliches Aroma bekommen, was man mit etwas Rotwein sogar noch verfeinern kann.
Meine Frau sagt immer, das viele Essengehen für die Zeitung hat meine Geschmacksnerven versaut. Ich sage eher – geschult. Für das, was wirklich gut schmeckt. Es macht eben einen Unterschied, ob eine Bolognese aus frischen Zutaten in der Küche hausgemacht zubereitet wird oder aber aus dem Glas kommt.
Auf einmal macht es viel Spaß, sich in einem feinen Restaurant ein 5-Gänge-Menü mit Weinbegleitung zu gönnen, in dem etwa ein Schottisches Wildlachsfilet an Dill-Beurre-Blanc mit Kartoffelpüree, gebratenem grünen Spargel und getrockneten Tomatenflocken auf den Teller kommt.
Oder man genießt in Italien in einem klitzekleinen Familienrestaurant eine Spaghetti alle vongole nach einem alten Hausrezept mit frischen Venusmuscheln, die einfach nicht von dieser Welt sind. Mamma mia, es gibt eben doch nichts Schöneres auf der Welt als Essen. (Carsten Scheibe)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 231 (6/2025).
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