Kristina Hölzel: Regionale Geschichte (6): Clowns und Helden

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschlossen einige Falkenhagener Bauern, ihr Land an verschiedene Vermarktungsgesellschaften zu verkaufen. Eine dieser Gesellschaften war die Berliner Mehlfirma Nieschalke & Nitsche. Ab 1907 entstand mit 125 Hektar die größte neue Kolonie, die Gartenstadt Falkenhagen-West.
Die eiszeitliche Düne in Höhe der Sonnenstraße setzte der weiteren Bebauung entlang der Hansastraße zunächst ein Ende. Ab 1912 bezog man auch das Gebiet von der Düne bis zur heutigen Friedrich-Engels-Allee mit ein.
An der Hansastraße zwischen der heutigen Elbeallee und der Rheinstraße sollte ein Heim zur Erholung für Meister bzw. Mitglieder der Bäckerinnung und deren Angehörige entstehen. Das war reines Marketing, denn man erhoffte sich durch die an die Innung vollzogene großzügige Schenkung von 4.120 Quadratmeter Land weitere Mehlankäufe.
Schnell war der Vergnügungspark, im Volksmund „Bäckerheim” genannt, ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische und Besucher. Man warb in den 1930ern mit dem Slogan “Naturpark mit Schießstand und Kegelbahn”. Einer Anzeige auf einem Not-Stadtplan von 1946 ist zu entnehmen, dass der Tanz- und Vergnügungsbetrieb sofort nach dem 2. Weltkrieg weiterging. 1949 fanden hier vom 1. bis zum 20. August die ersten sogenannten „Ferienspiele“ für die Kinder der Schulen I (Am Anger), II (Hertzstraße) und IV (Rathenaustraße) statt.
Viele ältere Falkenseer werden sich an Clowns, Riesenräder, Jahrmärkte, Kleintierausstellungen, einen Hundetrainingsplatz und an das kleine Übungsgelände für Fahrschüler erinnern können. In der Konsum-Gaststätte fanden neben dem normalen Ausschank auch Betriebs- und Abschlussfeiern sowie Tagungen örtlicher Betriebe statt.
Ziemlich wild wurde es dann in den 1980ern. Das Gelände bot genügend Platz für die motorisierten Rennfahrer der vom Motorclub Staaken-Falkensee mehrfach veranstalteten Witwe-Bolte-Rallye.
Ein Zeitzeuge berichtete mir: Das Fahrzeug-Vorbereitungscamp befand sich am Bäckerheim. Schon dort bestaunte das interessierte Publikum die frisierten Fahrzeuge. Da war alles am Start. Es roch nach Rizinusöl. Von da ging es über die Karl-Liebknecht-Straße zu einer Geschwindigkeitsprüfung. Nach der Zieldurchfahrt am „Keglerheim“ (heute „Kronprinz“) raste man weiter über die Friedrich-Engels-Allee erneut zum Bäckerheim zwecks Checks und dann weiter über die Hansastraße mit einer Slalom-Geschicklichkeitsprüfung. Im Netz finden sich noch Fotos aus dieser Zeit.
Der Falkenseer Herbst 1989 sollte einigen Jugendlichen in Erinnerung bleiben. Wie in den Jahren zuvor endete am Bäckerheim am 7. Oktober ein Fackelumzug zu Ehren des DDR-Geburtstages.
Die örtliche Volkspolizei provozierte die gegen die Regierung demonstrierenden Jugendlichen. Die daraufhin ausgeübte staatliche Gewalt war nicht hinzunehmen. Wie dem 2014 erschienenen Buch „Stasi in Falkensee“ zu entnehmen ist, fand auf Druck der Bevölkerung im Finkenkruger Capitol eine Aussprache zwischen Vertretern des Staates und den betroffenen Jugendlichen statt. Kurz: Die Polizisten mussten sich öffentlich bei den von ihnen Drangsalierten entschuldigen.
Nach 1990 fand hier noch ein paar Mal ein Zirkus seinen Platz. Nun ist es ruhig auf dem Gelände. Mutter Natur hat das Zepter übernommen und herrscht über den größten Teil des Areals. Die verfallenen Gebäude wurden irgendwann abgetragen. Die Bezeichnung „Bäckerheim“ für diesen „Lost Place“ verblasste nach Jahrzehnten.
Heute leuchten die roten Ferienhausfassaden der Sterntal Havelland GmbH aus einem Stück des Wäldchens heraus und wie damals kann man hier in der Natur aber nahe der Stadt Erholung finden.
Quellen: u.a. „Chronik Falkensee 1945 – 1961“, “Falkensee wie es früher war” (1990), „Stasi in Falkensee“ (2014)
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