Wichtiges Wissen aus dem Havelland: Wer versteht die neue Grundsteuer?

Einmal im Jahr ist es Bürgerpflicht, den Geldbeutel zu zücken: Die Eigentümer von Grund und Boden in Deutschland müssen ihre Grundsteuer bezahlen. An diesem Wert, der da zu entrichten ist, wurde viele Jahre lang nicht geschraubt. Zu lange. Deswegen wurde die Grundsteuer nun grundlegend auf den Kopf gestellt und erneuert. Was das nun in Euros für die Eigentümer von Grundstücken und Häusern bedeutet, ist vielen noch nicht ganz klar. Es ist an der Zeit, etwas Mathematik anzuwenden.
Wofür ist die Grundsteuer (GrSt) eigentlich da? Es ist eine Steuer auf das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung. Wer Grund und Boden besitzt, muss dafür eine Steuer entrichten. Die Grundsteuer wird einmal im Jahr von den Kommunen und den Gemeinden erhoben. Es ist eine Einnahme, die in den Kommunen und Gemeinden verbleibt.
Die Idee hinter der Grundsteuer ist diese: Wer ein Grundstück besitzt, profitiert von der Infrastruktur im Ort. Der Ausbau der Infrastruktur kostet allerdings Geld. Mit der Grundsteuer sollen sich die Häuslebesitzer an diesen Kosten beteiligen.
Die Grundsteuer wurde bislang auf der Basis von sogenannten Einheitswerten berechnet. Während aber die Grundstückspreise und auch der Wert der auf ihren stehenden Häuser in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer weiter in die Höhe kletterten, hat sich eigentlich niemand so recht um die Einheitswerte gekümmert.
In den alten Bundesländern wurde bislang auf Werte aus dem Jahr 1964 zurückgegriffen. In den neuen Bundesländern im Osten kamen sogar noch Zahlen aus dem Jahr 1935 zum Einsatz.
Das sei ungerecht, urteilte das Bundesverfassungsgericht und gab kund, dass ab dem Jahr 2025 keine Grundsteuer mehr auf der Basis der alten Zahlen erhoben werden darf.
Raimond Heydt aus der Stadtverordnetenversammlung Nauen bringt es auf den Punkt: “Das Bundesverfassungsgericht hat die alte Regelung als verfassungswidrig verworfen und verlangt, dass der Gesetzgeber zukünftig den Wert eines Grundstücks stärker berücksichtigen soll.”
Die Folge war, das im Jahr 2023 die Eigentümer von 24 Millionen Wohn- und 12 Millionen Gewerbeimmobilien zum Stift greifen mussten, um aktuelle Daten passend zu ihrem Grund und Boden an die Finanzämter zu übermitteln.
Die Folge war ein heilloses Durcheinander. Auch, weil viele Eigentümer mit dem Zusammentragen der erforderlichen Daten völlig überfordert waren. Die ursprüngliche Frist zur Abgabe der Zahlen wurde in der Folge vom 31. Oktober 2022 noch einmal bis Ende Januar 2023 verlängert.
Zugleich wurden drakonische Verspätungszuschläge und Geldstrafen bis zu 25.000 Euro in Aussicht gestellt – für alle, die ihre Grundsteuererklärung nicht rechtzeitig übermitteln würden. Tatsächlich fehlt selbst heute noch gut ein Fünftel der Grundsteuererklärungen. Darunter werden viele Eigentümer sein, die sogar einen Widerspruch gegen die neue Grundsteuererhebung ausgelöst haben.
Eine mögliche Gefahr: Hat das Finanzamt keine verlässlichen Daten, kann es eine Schätzung vornehmen. Diese wird eher nicht zu Gunsten der Eigentümer ausfallen.
Immerhin: Wer als Eigentümer Häuser oder Wohnungen vermietet, kann die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung direkt an die Mieter weitergeben.
Ein großes Versprechen der Politik: Man möchte ja gar nicht mehr Steuern als vorher einsammeln, das Verfahren soll nur gerechter werden. Bei der Grundsteuerreform soll nur das Bewertungsverfahren vereinfacht werden. Der wichtige Satz lautet: Die Reform soll aufkommensneutral sein. Übersetzt bedeutet dies: Einige Eigentümer zahlen mehr, andere weniger. Unterm Strich sollen aber die Kommunen und Gemeinden nicht mehr Grundsteuern einnehmen als vorher.
Um einen neuen Einheitswert zu berechnen, gibt es in Deutschland drei verschiedene Methoden, die zum Einsatz kommen. Brandenburg hat sich zusammen mit zehn weiteren Bundesländern die Methode mit dem größtmöglichen Aufwand ausgesucht. Das dabei zum Einsatz kommende “Bundesmodell” ist darauf angelegt, den tatsächlichen Wert der Grundstücke und der auf ihnen errichteten Häuser möglichst genau zu errechnen.
Dabei spielen der Bodenrichtwert, die Art der Nutzung, die Wohnfläche, die Art der Immobilien, die Anzahl der Garagen und Stellplätze, die Grundstücksfläche und das Gebäudealter eine Rolle.
Die Grundsteuer selbst wird in vier Schritten berechnet. Zuerst legt das Finanzamt einen neuen Einheitswert fest. Passend dazu wird eine Steuermesszahl bestimmt. Sie liegt zwischen 2,6 und 3,5 Promille. Multipliziert man den Einheitswert mit der Steuermesszahl, dann ist das Resultat der Steuermessbetrag. Der muss nun noch mit dem Hebesatz der Gemeinde oder der Stadt multipliziert werden. Erst am Ende dieser mathematischen Gleichung steht die Höhe der Grundsteuer fest.
Das bedeutet im Klartext: Solange die Kommune den Hebesatz noch nicht festgelegt hat, kann ein Grundstücks- oder Hausbesitzer noch gar nicht wissen, wie hoch seine Grundsteuer tatsächlich ausfallen wird. Die Gemeinden und Städte versuchen alle, ihre Hebesätze noch im Januar festzulegen, sie müssen aber noch durch die Gemeindevertretungen oder Stadtverordnetenversammlungen abgesegnet werden.
Den Gemeinden und Städten wurde “von oben” ein bestimmter Hebesatz empfohlen. Sind die Kommunen allerdings der Meinung, dass sie viel genauer mit den vagen Zahlen jonglieren können, dürfen sie auch einen anderen Hebesatz festlegen.
Die Kommunen können dabei gleich zwei Hebesätze bestimmen. Einen für die Grundsteuer A wie “agrarisch”, die alle land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke betrifft. Und einen für die Grundsteuer B wie “baulich”. Diese Grundsteuer fällt für alle bebauten und unbebauten, privaten sowie gewerblichen Grundstücke an.
Mario Baumung ist der Kämmerer der Gemeinde Dallgow-Döberitz: “Eigentlich gibt es theoretisch auch noch die Grundsteuer C. Die kann von der Gemeinde verlangt werden für baureife Grundstücke. So könnte man Druck aufbauen, dass sie endlich bebaut werden. Dafür sehen wir aber in Dallgow-Döberitz keine Veranlassung.”
Dallgow-Döberitz hat über die Grundsteuer B im Jahr 2024 genau 1,329 Millionen Euro eingenommen. Die geforderte Aufkommensneutralität bei der Grundsteuerreform verlangt, dass dieser Wert 2025 nicht überschritten wird.
Mario Baumung: “Das bedeutet nicht, dass die Grundsteuer für jeden Bürger gleich bleibt. Ein Faktor, der ab sofort mit hineinspielt: Bislang war bei den Gewerbegrundstücken ein gewisser Anteil ihres Gewinns mit in der Grundsteuerberechnung enthalten. Dieser Posten ist nun herausgefallen. In der Folge haben die Gewerbetreibenden einen deutlich geringeren Messbetrag. Sie zahlen also nach der Reform weniger Grundsteuer. Damit das steuerliche Gesamtaufkommen aber gleich bleibt, müssen die anderen Grundstückseigentümer das auffangen und ausgleichen. Das sind die normalen Eigentumsbesitzer von Eigenheimen. Sie werden also mehr bezahlen müssen.”
Der Gemeinde Dallgow-Döberitz wurde vom Finanzamt empfohlen, einen Hebesatz von 260 Prozent anzusetzen. Vorher lag der Hebesatz bei 430. Die Gemeindevertretung hat den Hebesatz allerdings im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsaufgabe auf 215 Prozent gesenkt, um ganz auf Nummer Sicher zu gehen und die Aufkommensneutralität zu wahren.
Mario Baumung: “Wir sind in Dallgow-Döberitz äußerst vorsichtig an die Sache herangegangen. Kommt es allerdings tatsächlich so, wie das Land es vorausgesagt hat, dann fehlen uns am Ende des Jahres 230.000 Euro bei der Grundsteuer. In diesem Fall müsste der Hebesatz im nächsten Jahr angepasst werden, um das zu kompensieren. Ich persönlich bin der Meinung, dass es in Ordnung wäre, den Hebesatz sogar etwas zu erhöhen, damit wir wenigstens die Inflation mit in die Grundsteuer einfließen lassen können.”
Wie sieht es in der Stadt Nauen mit dem Hebesatz aus? Raimond Heydt vom Finanzausschuss der Stadtverordnetenversammlung Nauen: “Da Nauen bereits lange im Sog der Stadt Berlin wächst, liegen die Grundstücks- und Immobilienwerte bei uns vor Ort über dem Bundesdurchschnitt. Deshalb wurde im Rahmen der Haushaltssatzung für das Jahr 2025 der Grundsteuerhebesatz für bebaute Grundstücke von 425 Prozent auf 295 abgesenkt. Der neue 130 Prozentpunkte niedrigere Grundsteuerhebesatz soll nach den Berechnungen der Verwaltung dazu führen, dass unterm Strich die Einnahmen für die Stadt gleich bleiben.”
Man hört, dass Grundstückbesitzer in der Kernstadt Nauen nun etwas mehr Grundsteuer zu bezahlen haben, die in den ländlichen Ortslagen etwas weniger.
Wie sieht es in Falkensee mit dem Hebesatz aus? Bürgermeister Heiko Richter: “Der Grundsteuerhebesatz wird in der Stadtverordnetenversammlung von Falkensee am 29. Januar 2025 voraussichtlich in Höhe von 210 Prozent beschlossen. Dies ist die Empfehlung aus dem Transparenzregister Brandenburg.”
Und weiter: “Eine verbindliche Aussage dazu, in welchen Gebieten Falkensees die Grundsteuer ab 2025 steigt oder sinkt, kann nicht getroffen werden. In fast allen Gebieten Falkensees und bei allen Grundstücksarten gibt es Grundstücke, bei denen die Grundsteuer im Vergleich zu den Vorjahren steigt bzw. sinkt. Ein Vergleich ist nicht ohne weiteres möglich. Vergleichbar sind lediglich die Bodenrichtwerte der einzelnen Stadtteile.”
Spitzenwerte werden bei den Bodenrichtwerten im Bereich des Falkenhagener Sees (Ufergrundstücke bis zu 800 €/m²) und im Zentrum (600 bis 1.200 €/m²) erreicht.
Heiko Richter: “Im Vergleich einzelner Grundstücksarten ergibt sich folgender Trend: Bei Einfamilienhäusern ist mit einer leichten Steigerung der Grundsteuer zu rechnen, bei Mietwohngrundstücken und Wohnungseigentum mit einer leichten Reduzierung. Bei Geschäftsgrundstücken kommt es zu einer starken Reduzierung und bei unbebauten Grundstücken zu einer starken Steigerung.”
In Brieselang liegt der neue Hebesatz für die Grundsteuer B bei 190 Prozent.
In Schönwalde-Glien wurde der Hebesatz für die Grundsteuer B auf 210 Prozent angesetzt. “Ob mit der Grundsteuerreform das Ziel des Urteils des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich erreicht wurde, ist fraglich. Zwar wird die neuberechnete Grundsteuer nun erhoben, doch liegen uns keine Informationen über etwaige Widersprüche von Grundstückseigentümern beim Finanzamt vor. Besonders die Bewertung einzelner Grundstücke und ihrer Gebäude erscheint an einigen Stellen nicht nachvollziehbar”, sagt Bürgermeister Bodo Oehme.
Heike Roigk ist die Kämmerin von Wustermark: “Wir haben unsere Hebesatz-Satzung bereits beschlossen. Bei der Grundsteuer B hat uns die Regierung einen Wert von 300 Prozent empfohlen, wir haben einen Satz von 310 beschlossen. Unsere Bescheide wurden alle Anfang des Jahres bereits verschickt.”
Wustermark hat sehr viele Gewerbegrundstücke, bei denen die Grundsteuer wie bereits erklärt deutlich gesenkt wird. Hier werden die Wustermarker Eigentümer der Einfamilienhäuser etwas mehr bezahlen müssen, um das auszugleichen.
Heide Gauert leitet in Falkensee den Verein “Haus & Grund Falkensee e.V.”, in dem viele Eigentümer von Einfamilienhäusern oder Mietshäusern aus der Region Mitglied sind, um gemeinsam ihre Interessen zu wahren.
Sie sagt: “Unsere Mitglieder haben Angst. Wir werden am 13. Februar im Falkenseer Musiksaal eine Versammlung durchführen. Wir haben dazu auch die Stadt und die Kämmerin eingeladen. Sie sollen uns erklären, wie die Stadt den Hebesatz berechnet. Wir haben all unseren Mitgliedern empfohlen, Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid einzulegen. Das habe ich auch gleich als erstes getan.” (Text/Fotos: CS)
Hinweis: Alle Fakten sind nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Wir übernehmen keine Garantie für die Inhalte.
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