Ungewollte Wolle aus Berge (Nauen): Merinoschafe stehen auf der Roten Liste der Haustierarten!

Wolle ist ein Naturprodukt – und doch will sie keiner haben. Je nach Schafrasse heißt es ein bis drei Mal im Jahr: Die Wolle muss ab. Doch für die Wolle finden sich kaum Abnehmer. Schäfer Helmut Biermann aus Berge hält Merinofleischschafe. Diese Rasse ist für ihre seidig-weiche Wolle bekannt. Dennoch ist die Wolle für den Schäfer nur noch ein Zuschussgeschäft. Er hofft, dass sich das eines Tages einmal wieder ändern wird.
Die 230 Merinoschafe von Schäfer Helmut Biermann stehen tagsüber auf den Wiesen bei Berge. Abends geht’s für die Tiere zurück in den Stall. Hier bekommen sie zum Gras, das sie auf den Wiesen futtern, Kartoffeln, Getreide und Rüben. Die Kraft brauchen sie, denn es tummeln sich auch viele Lämmer im goldgelben Stroh.
Merinoschafe kommen ursprünglich aus Nordafrika, es ist eine Feinwoll-Rasse. Merinofleischschafe, wie Helmut Biermann sie züchtet, liefern neben der Wolle aber auch Fleisch. Das ist für den Schäfer sehr wichtig, denn mit der Wolle lässt sich kein Geld mehr verdienen. “Die Wolle ist ein Zuschussgeschäft”, sagt der 57-jährige.
90 Prozent der Merinowolle in unseren Mützen und Pullovern kommen inzwischen aus Australien und Neuseeland. Der Markt in unseren Breiten wird also von den Produkten vom anderen Ende der Welt bestimmt. Der Grund: Einrichtungen für die Behandlung von Rohwolle sind in Deutschland schon lange verschwunden. Schafe leben “draußen”, die Wolle ist entsprechend verunreinigt. Das heißt: Nach dem Scheren muss sie in speziellen Wollwäschereien gereinigt werden. Doch die letzte Wollwäscherei in Deutschland schloss bereits 2009. Die nächsten Wollwäschereien stehen in Belgien, Polen und Österreich.
Abhilfe ist in Sicht. In Weseram, einem Dorf nahe Brandenburg/Havel, wird gerade eine Wollwäscherei geplant. Gemeinsam mit dem ILU (“Institut für Lebensmitteltechnologie und Umweltforschung”) soll auf dem Vierseitenhof von Schafhalterin Katja Behling eine neue Anlage entstehen. Für kleinere Betriebe, sagt sie und hofft, hier eine Lücke zu schließen. Denn für viele Schafhalter stellt sich die Frage, wohin mit der Wolle?
Einfach wegwerfen darf man sie nicht. “Als tierisches Nebenprodukt gehört die Rohwolle in die Kategorie 3”, erklärt Katja Behling. Das ist die gleiche Kategorie, in der auch der Umgang und die Entsorgung von Schweineborsten oder getöteten Eintagsküken geregelt ist. Die Schafe nicht zu scheren, wäre aber auch keine gute Idee. “Die Tiere sind über Jahrhunderte auf die Wollproduktion hin gezüchtet worden”, erläutert Katja Behling.
Dem stimmt Helmut Biermann zu. Seine Merinoschafe werfen die Wolle nicht einfach ab. Zwei bis drei Mal im Jahr werden sie geschoren. Manche Schäfer scheren die Tiere selbst. Wer einen Schafscherer beauftragt, muss etwa drei Euro pro Schaf bezahlen. Da kommt aufs Jahr einiges an Geld und Wolle zusammen. 1.200 Kilogramm Wolle sind es bei Helmut Biermann.
Manche Schäfer verschenken die Wolle, denn sie gilt als guter Dünger. Die Merinowolle von Helmut Biermanns Schafen ist zum Düngen viel zu schade.
Zum Glück für die Schäfer sind Schafe Allroundkünstler. Schäfer können deswegen auf verschiedene Weisen mit ihnen Geld verdienen – etwa mit der Landschaftspflege. Doch die ist nicht überall gefragt. Rund um Berge gibt es Ackerland, da braucht es keine Landschaftspflege durch die Schafe, sagt Helmut Biermann.
Die einst sehr beliebten Merinofleischschafe sind selten geworden, nur wenige der rund 7.200 Schafe auf Brandenburgs Wiesen gehören noch der Rasse an. So haben sie es auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Haustiere gebracht. Für die Erhaltungszucht solcher Rassen gibt es Prämien. Zusätzlich hat Helmut Biermann einen Schlachtbetrieb. Die Nachfrage nach Lammfleisch stieg im letzten Jahr, sagt der Schäfer. Und hofft, dass er dies eines Tages auch von seiner Wolle sagen kann. (Text/Foto: Silvia Passow)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 227 (2/2025).
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