Kristina Hölzel: Regionale Geschichte (3): Im Jahre 1913

Schauen wir heute auf eine Seegefelder Ansicht. Diese Ansichtskarte wurde am 30. September 1913 von Seegefeld aus nach Spandau verschickt. 1913 lebten in den Dörfern Seegefeld und Falkenhagen nach Kirchenangaben ungefähr 4.100 Einwohner. Kaiserzeit. Vorkriegszeit. Wir blicken auf eine uns zunächst etwas fremd anmutende Straßenansicht: Links eine Front von Wohn- und Geschäftshäusern, dazu eine befestigte Straße mit Bürgersteig und in der Mitte eine Pferdekutsche mit stolzem Kutscher nebst Hund.
Ein paar Seegefelder haben sich in Position gestellt. Ein Kind hält die neue Straßenlaterne ganz fest umklammert, so als wollte es sagen:
Seht alle her! Sichtbarer Fortschritt für das kleine Dorf. Für unsere Augen unsichtbar waren jedoch die verlegten Trinkwasserleitungen, denn bereits 1914 nahm das Staakener Wasserwerk seinen Betrieb auf.
Vom kleinen Seegefeld nördlich der Bahnlinie liegend führte diese Hauptstraße (heutige Bahnhofstraße) vom Bahnhof aus nach Norden bis zum Nachbardorf Falkenhagen. Sie wurde im Bereich Seegefeld um 1907 fest ausgebaut. Die alte an der Grenze zu Falkenhagen befindliche Dorfschmiede verlegte man 1913 aus Sicherheitsgründen aus dem Straßenbereich heraus. Der an der Abbruchstelle der alten Schmiede befindliche dürftig eingezäunte Schlaggraben wurde mit Zustimmung der Verantwortlichen 1919 zugeschüttet. Die Straße erhielt jedoch erst 1928 eine Asphaltdecke.
Jahrhunderte lang stellte diese Hauptverbindung zwischen den Dörfern für ihre Nutzer in der nassen kalten Jahreszeit oder nach Unwettern eine Herausforderung dar: Modder, Schlammlöcher, Pfützen mit Bretter- oder Steinübergängen. Mit Gummistiefeln ging es dann zum Tanz, auf ein Bierchen in die zahlreich vorhandenen Vereinslokale oder zu einer politischen Versammlung. Die guten Schuhe immer dabei.
1913 hatte man sich längst an die im 19. Jahrhundert zum Motor von Industrie und Wirtschaft gewordene revolutionäre Eisenbahn als Verkehrsmittel für alle Bevölkerungsschichten gewöhnt. Was wäre aus Seegefeld und Falkenhagen geworden ohne Eisenbahn?
Der Bahnhof Seegefeld (seit 1927 Bahnhof Falkensee) war seit den 1880ern Vorort-Bahnhof. Der bot der wachsenden Anzahl von Reisenden und Pendlern einigen Service an.
Seit 1910 existierte auch ein Fußgängertunnel (nördlicher Zugang etwa in Höhe des heute existierenden kleinen Sparkassen-Parkplatzes). Dieser Tunnel konnte aufgrund des Ausbaus der ICE-Strecke 1996/97 nicht erhalten bleiben.
Während das damals selbständige Spandau quirlig städtisch daher kam, war Seegefeld zu dieser Zeit landwirtschaftlich geprägt. Um den Bahnhof herum entwickelte sich städtebaulich ein kaiserliches Flair. Was man entlang der damaligen Borsigstraße heute Potsdamer Straße bis zum Bayrischen Hof schlendernd entdecken konnte.
Blicken wir wieder auf die Karte. Links ein 1909 erbautes Wohn- und Geschäftshaus mit der Anschrift Seegefeld, Hauptstraße 1-4. Hier konnte man Tabak- und Schreibwaren beim Inhaber Max Wiesberg erwerben. Eine der ersten Seegefelder Gaslaternen ist zu sehen. Die Gasversorgung wurde durch die sogenannte Gasanstalt in der Finkenkruger Straße gesichert. Ein paar Schritte weiter an der nächsten Ecke sorgte ab 1902 das Colonial- und Feinkostgeschäft Weber für das leibliche Wohl der Bevölkerung.
Der Blick geht zum geschlossenen Wagen mit einem Gardinenfenster und zwei Pferdchen. Heute kaum noch vorstellbar, aber das war die regelmäßig verkehrende Omnibuslinie in Richtung Falkenhagener See. Zum festen Haltepunkt dieser Linie wurde dank des geschäftstüchtigen Wirtes der „Gasthof zum Deutschen Kaiser“ im Falkenhagener Dorfzentrum.
Rechts ist auf der Karte neben der Straßenbaumreihe hinten auf dem Grundstück der heutigen Commerzbank eine winzige Bauernkate ganz gut zu erkennen. Dort errichtete man 1936 ein markantes Wohn- und Geschäftshaus. Dessen Geschichte erzähle ich später.
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 227 (2/2025).
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