Die Falkenseer Nordumfahrung ist jetzt Geschichte!

Für die einen schien sie die Rettung aus dem Verkehrschaos zu sein, für andere war sie ein bürokratisches Planungsmonster ohne Nutzen, das Naturschutzgebiete zerstört. Die Rede ist von der Nordumfahrung, die den Verkehr aus Falkensee fernhalten und ihn “außen herum” an der Stadt vorbei führen sollte. Seit Jahrzehnten sorgte die Nordumfahrung für Diskussionen, jetzt ist sie endgültig vom Tisch.
Wohin mit den vielen Autos? Mitten durch Falkensee sollten sie jedenfalls nicht fahren.
Um die PKWs aus der Gartenstadt fernzuhalten und die Straßen zu entlasten, gab es lange Jahre die Überlegung, eine sogenannte Nordumfahrung in Form einer neuen Landesstraße 201 zu bauen.
Die “Bürgerinitiative Schönes Falkensee” (BISF), 1999 gegründet, um “das monströse und teure Bauvorhaben” zu verhindern, fasst noch einmal zusammen, welche Strecke die Nordumfahrung einmal nehmen sollte: “Die Trasse der Nordumfahrung sollte vom Kreisverkehr am Spandauer Platz ausgehend an der Südspitze des Falkenhagener Sees entlang führen, durch das Wäldchen auf die ehemalige und mittlerweile überwiegend zugewachsene Schneise der ehemaligen Grenze einschwenken, sich am Eiskeller und Spandauer Forst vorbei Richtung Schönwalde-Glien ziehen und von dort über die naturbelassenen Felder bis zum Bahnübergang an der Nauener Chaussee fortgeführt werden. Die Prognosen für die Kosten reichten von 30 bis 60 Millionen Euro für den Bau.”
Von Anfang an sorgte die Nordumfahrung für erhitzte Gemüter. Es gründeten sich Interessengemeinschaften und Bürgerinitiativen sowohl für als auch gegen die Nordumfahrung. Vor allem im Jahr 2008 kochten die Emotionen noch einmal richtig hoch, als die Baupläne öffentlich im damaligen Bayerischen Hof auslagen und es galt, den Straßenbau im Planfeststellungsverfahren noch mit möglichst vielen Einwendungen zu verhindern.
Der Gegenwind war so hoch, dass schlussendlich keine Entscheidung für die Nordumfahrung gefällt wurde. Das Verfahren “schwebte” wie eine dunkle Wolke über Falkensee. Viele Projekte kamen nicht so recht voran, weil es immer wieder hieß: “Moment, an dieser Stelle könnte ja einmal die Nordumfahrung gebaut werden”.
Umweltschützer führten damals den seltenen Juchtenkäfer (auch als Eremit bekannt) als Argument gegen die Nordumfahrung auf. Der Bäume bewohnende Riesenkäfer soll damals in der Falkenseer Kuhlake gesichtet worden sein.
Das wohl sichtbarste Zeichen dafür, dass es einmal eine Planung für die Nordumfahrung gegeben hat, ist sicherlich die ins Leere führende Abfahrt am Kreisverkehr Spandauer Straße und L20. Hier führen ein paar Meter Asphalt auf einer nie genutzten Abfahrt in Richtung See.
Nun kam aber plötzlich wieder Bewegung in die Angelegenheit. Falkensees Bürgermeister Heiko Richter: “Das Brandenburgische Landesamt für Bauen und Verkehr hat uns mit Schreiben vom 7. November 2024 informiert, dass das Planfeststellungsverfahren für den Neubau der Landesstraße L20/L201 – Ortsumgehung Falkensee – eingestellt worden ist.”
Die “Bürgerinitiative Schönes Falkensee” nahm diesen Umstand “hocherfreut zur Kenntnis” und verkündete via Pressemitteilung, dass die Falkenseer Nordumfahrung nun endgültig Geschichte sei: “Im Amtsblatt für die Stadt Falkensee vom 21. Dezember ist die formale ‘Bekanntmachung über den Beschluss zur Einstellung des Planfeststellungsverfahrens für den Neubau der Landesstraße L 20/L201, Ortsumgehung Falkensee’ enthalten. Demnach erklärte der Vorhabenträger, der brandenburgische Landesbetrieb Straßenwesen, gegenüber der zuständigen Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde, die betreffenden Projektplanungen nicht weiter zu verfolgen.”
Die BISF hatte aber schon im Vorfeld damit gerechnet, dass es immer schwieriger werden würde, die alten Pläne in die Realität umzusetzen: “Immer strengere Umweltschutzvorschriften ließen das Vorhaben in den letzten Jahren immer unwahrscheinlicher werden.”
Marc-Oliver Wille erinnerte sich in der Pressemeldung: “Die BISF gründete sich 1999, um gegen das (…) Bauvorhaben vorzugehen, das die lebenswerte Natur im Norden Falkensees verschandelt hätte. Neben negativen Auswirkungen auf den Umwelt- und Klimaschutz konnte die BISF auch nachweisen, dass die verkehrlichen Effekte äußerst gering gewesen wären, da nur vergleichsweise wenige Fahrzeuge nach den Prognosen die Umfahrung genutzt hätten und viele Fahrzeuge weiterhin durch bzw. in die Stadt gefahren wären.”
Günter Chodzinski, von Anfang an Vorsitzender der BISF: “Die Freude ist riesig! Es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass gerade im Jahr unseres 25-jährigen Jubiläums die Nordumfahrung endgültig begraben wird. Das haben wir auf unserem Neujahrsempfang Anfang des Jahres gebührend gefeiert.“
Marc-Oliver Wille, Verkehrsexperte der Bürgerinitiative, ergänzte: “Mit dem Aus der Nordumfahrung entfallen für die Stadt Falkensee auch die Beschränkungen durch die freigehaltene Trasse. So kann nun endlich etwa am Gewerbegebiet Nord frei und zum Wohle der Stadt geplant werden. Ich hoffe, dass die Stadtverwaltung die Chancen ergreift und der neue Bürgermeister nicht an überholten Planungen festhält.”
Aus Sicht der Bürgerinitiative kann nun Geld gespart werden, das an anderer Stelle wesentlich besser angelegt wäre.
Günter Chodzinski: “Wir können schon stolz sein, dass wir uns als anfangs kleiner Verein gegen die scheinbar übermächtigen Planer beim Landesbetrieb und die Befürworter in Stadt und Land behaupten konnten. Letztlich haben sich die besseren Argumente für Natur und Umwelt durchgesetzt. Außerdem haben uns viele Bürgerinnen und Bürger unterstützt. Dies kann auch ein Ansporn für mehr Bürgerbeteiligung und für andere Bürgervertretungen sein, sich nicht alles gefallen zu lassen.”
Bürgermeister Heiko Richter: “Mit der Einstellung dieses Verfahrens ergeben sich für die Stadt Falkensee jedoch nach wie vor mehrere grundsätzliche Fragen bezüglich des bestehenden Bedarfs für den Ausbau der Verkehrswege in Falkensee. Die Stadt Falkensee hat deshalb das zuständige Ministerium um Auskunft gebeten. Eine Beantwortung durch das Ministerium ist zwischenzeitlich noch nicht erfolgt.”
Fakt ist: Die Nordumfahrung ist nicht per se überflüssig geworden. In Falkensee werden zeitgleich mehrere Geschossbauten errichtet, die viele neue Autos in die Stadt bringen werden. Und wenn der Erlenbruch in Schönwalde-Glien mit 1.500 neuen Wohneinheiten entsteht, fahren noch mehr Menschen über die Spandauer Straße nach Berlin. (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 227 (2/2025).
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