Heiraten in Schwarz: Als die Eltern noch der Hochzeit zustimmen mussten!

Gerd-Christian Treutler aus Falkensee ist promovierter Historiker mit dem Schwerpunkt Landesgeschichte. Er kennt sich bestens aus mit dem Schicksal des kleinen Mannes in den letzten Jahrhunderten und zwar vor allem am Standort Brandenburg. Somit ist er genau der richtige Gesprächspartner, wenn es darum geht, die besonderen Sitten und Gebräuche beim Heiraten in der Vergangenheit zu beleuchten.
Gerd-Christian Treutler hat ein Faible für die Vergangenheit. Er ist der erste Vorsitzende in der “Brandenburgischen Genealogischen Gesellschaft Roter Adler”(www.bggroteradler.de), die bereits über 250 Mitglieder hat. Die BGG stellt online Datenbanken für die Ahnenforschung zur Verfügung, spürt aber auch rein wissenschaftlich dem Familienleben in der Vergangenheit nach. In der Gesellschaft erscheinen eine Zeitschrift, ein Jahrbuch, viele Fachbücher und eine Belletristikreihe mit fachlich fundierten Fakten aus der Vergangenheit. Die BGG hält auch regelmäßig Präsenzveranstaltungen ab – wie den monatlich stattfindenden “Geschichtssalon”.
Ja, wie war denn das Heiraten damals, Anno dazumal?
Gerd-Christian Treutler: “Tatsächlich war es so, dass Hochzeiten völlig unterschiedlich abliefen, je nachdem, ob es um eine Heirat in den bäuerlichen, handwerklichen, kleinbürgerlichen oder großbürgerlichen Schichten ging. Im Adel oder Hochadel liefen die Hochzeiten wieder ganz anders ab. Auch die Einmischung der Obrigkeiten fiel sehr unterschiedlich aus.
Noch vor 300 Jahren gab es regelrechte Kleiderordnungen für die verschiedenen Familienfeste, so auch für Hochzeiten. Wer was anziehen durfte, wie lange gefeiert wurde, welches Essen aufgetragen werden durfte, alles wurde geregelt. Der Hintergedanke im brandenburgischen Preußen war dabei, dass der Kurfürst oder der König nicht wollten, dass sich die Menschen für ihre Hochzeit überschuldeten. Sie sollten ja weiterhin noch Steuern bezahlen können.
Noch bis ins 19. Jahrhundert hatten übrigens auch die Eltern ein Mitbestimmungsrecht. Ähnlich verhielt es sich bei Ehescheidungen, die es bereits seit dem 18. Jahrhundert gibt.
Die jungen Paare konnten damals übrigens nicht einfach durchbrennen, denn die Freizügigkeit für Reisende zwischen den Staaten war viel geringer als heute. Man erhielt einen Pass auch nicht per se, sondern immer nur für eine konkrete Reise, die angemeldet werden musste.
Bis weit ins 18. Jahrhundert gab es auch eine sogenannte Schollengebundenheit. Da hatte auch der Gutsherr Mitsprache darüber, wer heiraten (und vielleicht den Pachtbereich verlassen) durfte und wer nicht. Militärpersonen unter Friedrich II. mussten den Regimentskommandeur um Zustimmung bitten. Klarer Fall: Heiraten war damals keine reine Privatangelegenheit.”
Was kann man denn zu Mitgift und Aussteuer sagen?
Gerd-Christian Treutler: “Dazu gab es keine gesetzlichen Festlegungen, das war eher gelebte Tradition. Damals war es ja noch so, dass das Vermögen der Frau mit der Hochzeit in die Verwaltung des Mannes überging. In der Bundesrepublik war das ja noch bis 1958 der Fall.
Die Mitgift war auf jeden Fall eine Zahlung des Brautvaters gegenüber dem Bräutigam. Ob oder wie viel – das war private Verhandlungssache.
Die Aussteuer ist anders zu bewerten. Dabei handelte es sich um eine traditionelle Form der Erstausstattung für das neue Ehepaar. Da ging es um Haushaltsgegenstände, hauptsächlich aber um Wäsche, die mit in die Ehe gebracht wurde. Diese Aussteuer wurde oft schon Jahre vorher vorbereitet. Das war im mittel- und westeuropäischen Raum Tradition, vor allem im ländlichen Raum.”
Hat die Braut eigentlich schon immer ganz in Weiß geheiratet?
Gerd-Christian Treutler: “Tatsächlich sind weiße Hochzeitskleider erst ab den 1920er Jahren für die breite Masse in Mode gekommen. Obwohl es sie auch schon früher gegeben hat. Das erste weiße Hochzeitskleid ist belegt aus der Zeit um 1600, als Maria von Medici geheiratet hatte. Obwohl ihr Kleid auch nicht richtig weiß war.
Die breite Bevölkerungsmehrheit konnte sich damals aber gar kein Festtagsgewand leisten, das man nur an einem einzelnen Tag trägt. Geheiratet wurde deswegen in einem Sonntagsstaat – oder bestenfalls in einem ganz neuen Sonntagsstaat, der dann aber weiter aufgetragen wurde. Insofern war der äußere Anblick bei einer Hochzeit vor 100 Jahren noch ein ganz anderer. Denn geheiratet wurde damals vor allem in Schwarz. Das war die vorherrschende Farbe bei den Sonntagsanzügen und Kleidern.”
War es früher wirklich so, dass die Frauen unbefleckt in die Ehe gehen mussten?
Gerd-Christian Treutler: “Das wurde von Region zu Region anders geregelt. Die Vorgabe war aber schon eher diese: Die Frau musste ohne Kinder in die Ehe gehen. Es war nie geregelt, dass die Frau jungfräulich in die Ehe gehen muss. Das wurde auch nicht kontrolliert.
Hatte die Frau ein uneheliches Kind oder war schwanger, konnte das wohl noch bis ins 19. Jahrhundert hinein zu einem Eklat mit dem Pfarrer führen. Wobei das natürlich auch vom Pfarrer abhing. Es gab orthodoxe und auch schon recht liberale Zeitgeister. Manche Pfarrer waren froh, wenn sie schwangere Frauen noch rasch verheiraten konnten, um die Sache ‘in Ordnung zu bringen’. Oder wenn ein Kind vorhanden war und der Bräutigam es als seins angenommen hatte. Entsprechende Einträge in den Kirchenbüchern findet man viele. Es gibt aber auch Einträge, da hat der Pfarrer die Braut verdammt und die Heirat in der Kirche verweigert. Dann musste die Hochzeit außerhalb der Kirche Zuhause bei den Familien vollzogen werden.
Man konnte sich seinen Pfarrer damals auch nicht aussuchen. Man war gebunden an den Pfarrer in seiner Gemeinde.”
Was hatte es denn damals mit den Aufgeboten auf sich?
Gerd-Christian Treutler: “Aufgebote mit der Ankündigung einer bald stattfindenden Hochzeit waren ganz wichtig, sie waren sogar gesetzlich vorgeschrieben. Das Aufgebot musste am Heimatort der Brautleute an drei aufeinander folgenden Sonntagen angeschlagen werden. Das wurde auch ganz genau im Kirchenbuch vermerkt.
So konnte sich jemand, der gegen die Hochzeit vielleicht Einwendungen zu machen hatte, melden.”
In welchem Alter wurde denn damals geheiratet?
Gerd-Christian Treutler: “So um 1750 herum gab es ein vorgeschriebenes Mindestalter für Männer und Frauen, die heiraten wollten. Das lag damals bei Männern bei 18 Jahren, bei Frauen bei 14 Jahren. Tatsächlich war es aber so, dass so jung noch niemand geheiratet hat. Es sei denn, ein Kind war im Anmarsch. Das durchschnittliche Heiratsalter im 18. und 19. Jahrhundert lag so bei 25 Jahren. Das lag ganz klar daran, dass der Mann seine Familie auch ernähren musste.
Bevor der Mann nicht 25 Jahre alt war, hatte er in der Regel noch nicht seine Gesellen- und Wanderjahre abgeschlossen. Die Zünfte und Gilden regelten auch, wann jemand seinen Meister machen konnte. Das ging oft erst dann, wenn ein anderer Meister verstorben war oder in den Ruhestand gegangen ist. Auf den Höfen selbst musste auch oft erst die Nachfolge geklärt werden. Meist wurde im Alter zwischen 25 und 30 Jahren geheiratet. Die Männer haben sich auch keine jüngeren Frauen genommen. Durch die Jahrhunderte hinweg waren Männer und Frauen bei den Hochzeiten gleich alt, mit höchstens ein, zwei Jahren Unterschied. Ausnahmen gab es höchstens bei den Witwern. Da konnte es durchaus passieren, dass ein älterer Mann eine junge Frau heiratete.”
Ich denke einmal, so etwas wie Hochzeitsreisen gab es “früher” auch nicht?
Gerd-Christian Treutler: “Reisen war der großen Masse der Bevölkerung gar nicht möglich. Das war eine Angelegenheit des Adels. Junge Adlige sind durchaus schon einmal nach Italien gereist, um Auslandskenntnisse zu sammeln. Und das hat man manchmal durchaus mit einer Hochzeitsreise verknüpft. Das richtige Reisen wurde dem Bürgertum erst im späten 19. Jahrhundert ermöglicht. Da sorgte das Aufkommen der Eisenbahn in den 1840er und 1850er Jahren dafür, dass größere Bevölkerungsschichten endlich dazu in der Lage waren, Reisen zu unternehmen. Das war dann auch die Geburt des Tourismus. Man könnte durchaus behaupten, dass die Idee, eine Hochzeitsreise zu planen, eine Marketing-Masche der ersten Touristik-Unternehmer war.” (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 229 (4/2025).
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