Havelland Kliniken: Wie die Wechseljahre die Psyche und das Herz beeinflussen!

Am 8. März wurde der Internationale Frauentag begangen. Angesichts dieses besonderen Tages ist es angebracht, auch einmal das Thema Frauengesundheit in den Fokus der Aufmerksamkeit zu stellen. Insbesondere die Wechseljahre in der Lebensmitte einer Frau stellen den gesamten Hormonhaushalt noch einmal völlig auf den Kopf. Was das psychisch und auch physisch auslösen kann, erzählen Birgit Schätzmüller als Oberärztin der Psychiatrischen Klinik an den Havelland Kliniken und Professor Dr. Martin Stockburger als Kardiologe und Leiter der Medizinischen Klinik 1. (ANZEIGE)
Was man im Volksmund als “Wechseljahre” bezeichnet, wird im medizinischen Fachjargon das “Klimakterium der Frau” genannt. Dabei handelt es sich um den Zeitabschnitt der hormonellen Umstellung am Ende der fruchtbaren Lebensphase – zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr.
Ist die Frau in den Wechseljahren eigentlich anfälliger dafür, eine Depression zu bekommen?
Birgit Schätzmüller arbeitet seit 2001 für die Havelland Kliniken (www.havelland-kliniken.de). Vor Ort ist sie die leitende Oberärztin in der Psychiatrischen Klinik. Und sie fasst erst einmal die äußeren Einflüsse zusammen, die neben dem Klimakterium auf eine Frau in der Mitte ihres Lebens einwirken: “Zunächst muss man festhalten, dass eine Frau Anfang 50 mit zum Teil gravierenden Lebensveränderungen und neuen Aufgaben konfrontiert wird. Genau in diesem Alter sind meistens schon die Kinder ausgezogen, sodass es die Frauen mit dem Leeres-Nest-Syndrom zu tun bekommen. Da ändert sich meist auch die Beziehung zum Partner und man schaut sich wieder etwas genauer an und überlegt: Möchte ich mit diesem Partner den Rest meines Lebens verbringen? Da kommt es mitunter zu Trennungen und zu einem neuen Alleinsein, was viele Frauen so gar nicht kennen. Beruflich ändert sich oft auch noch einmal etwas – und nicht immer zum Positiven. Außerdem werden die Frauen mit dem Abschied vom Jungsein und der Möglichkeit, Kinder zu bekommen, konfrontiert. Der eigene Körper wird älter. Es treten vielleicht zum ersten Mal Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierensteine und eventuell auch Krebserkrankungen auf. Zugleich werden die eigenen Eltern mitunter zum Pflegefall oder versterben. Bei all diesen Veränderungen und Herausforderungen braucht man schon eine gewisse seelische Stabilität.”
Und dann kommen ja auch noch die hormonellen Veränderungen hinzu?
Birgit Schätzmüller: “Ganz genau. In den Wechseljahren werden die Hormone Östrogen und Progesteron deutlich vermindert produziert, der Hormonpegel sinkt. Wir wissen, dass diese Hormonumstellung dazu führt, dass Frauen schlechter schlafen. Und dieses Schlafdefizit führt leicht dazu, dass die Frauen gereizt sind oder eine niedergeschlagene Stimmung entwickeln. Das führt zu einem Energieverlust und einem Antriebsmangel – genau in der Zeit, in der aber große psychische Entwicklungsaufgaben bewältigt werden müssen.”
Sich stark verändernde Lebenssituationen im Verbund mit einer großen Hormonumstellung und dem Verlust der eigenen Fruchtbarkeit – ist das der Kick, der dafür sorgen kann, dass im Klimakterium vermehrt Depressionen auftreten können?
Birgit Schätzmüller: “Tatsächlich haben wir es im Rahmen der Wechseljahre häufig damit zu tun, dass Frauen mit depressiven Verstimmungen zu uns zur Behandlung kommen. Unsere Aufgabe ist es dann herauszufinden, ob ein behandlungsbedürftiges depressives Syndrom vorliegt oder nicht. Ein depressives Syndrom würden wir psychotherapeutisch behandeln, ggf. würden wir, je nach Schwere der depressiven Symptomatik, ein Antidepressivum empfehlen. Aber – es können auch Symptome auftreten, die erst einmal an eine Depression denken lassen, die man aber nicht so behandeln würde. Hier zeigt eine Hormonersatztherapie mit bioidentischen Hormonen oft ein gutes Resultat – und die Symptomatik geht zurück. Das kann eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität bedeuten. Hier sollten die Frauen mit ihrem Gynäkologen sprechen, ob das eine mögliche Therapieform wäre.”
Zusammengefasst würde das heißen: Es muss in den Wechseljahren nicht zwingend eine Depression vorliegen, auch wenn es sich so anfühlt. Manchmal sind es doch tatsächlich nur die Hormone.
Birgit Schätzmüller: “Unsere Patientinnen profitieren oft auch von einem multimodalen Therapiesetting, das Einzelgespräche, Gruppengespräche, Physiotherapie, Bewegungstherapie, Atemtherapie, Musiktherapie, Ergotherapie und mitunter auch eine Schreibtherapie mit einschließt.”
Professor Dr. med. Martin Stockburger ist Internist und Kardiologe. Seit 2012 leitet er die Medizinische Klinik 1 in den Havelland Kliniken. Sein Hauptaugenmerk liegt in der lebensrettenden Behandlung von Patienten mit einem Herzinfarkt.
Der Herzexperte bringt die Wechseljahre auch mit dem Risiko von Frauen in Einklang, ab der Lebensmitte einen Herzinfarkt zu erleiden: “Frauen sind vor den Wechseljahren aufgrund ihrer hormonellen Situation ein wenig besser vor Herzinfarkten geschützt als Männer. Dieser Schutz verliert sich aber in den Wechseljahren. Jetzt häufen sich plötzlich Herzkranzgefäßverengungen, -verkalkungen und -verfettungen. Das Problem ist nur, dass in den Wechseljahren so viele neue Beschwerden auftauchen, dass es mitunter schwierig ist, die Vorankündigungen eines nahenden Herzinfarktes richtig einzuordnen. Wir Ärzte reden ja bei den Wechseljahren oft von einer rückwärts erlebten Pubertät. Bevor wir einem möglichen Herzinfarkt aber mit EKG, Ultraschall, Belastungsuntersuchungen oder einem CT mit Herzkatheter die passende Diagnostik gegenüberstellen, muss die Patientin in ihrem häuslichen Umfeld aber erst einmal begreifen, dass sie ein Problem mit dem Herzen haben könnte – und sich entsprechend rechtzeitig medizinische Hilfe suchen.
Tatsächlich fällt es dem medizinischen Laien oft schwer, die passenden Worte zu finden. Der eine spricht davon, dass es hinter dem Brustbein brennt, der andere redet von einer Luftnot, wieder ein anderer glaubt, dass er eine Bronchitis hat.
Prof. Dr. Martin Stockburger: “Der richtige Fachterminus wäre Angina pectoris. Aber den kennt natürlich auch nicht jeder. Tatsächlich ist es so, dass Männer oft recht klar von einer Enge hinter dem Brustbein sprechen, sobald sich ein Herzinfarkt ankündigt. Frauen sind da unspezifischer, da können es auch Schmerzen in der Schulter oder sogar Schmerzen im Unterkiefer sein. Frauen in den Wechseljahren können aber oft noch gar nicht einschätzen, welcher körperliche Zustand bei ihnen normal ist oder eben nicht.”
Auffallend ist auch, dass Frauen mitunter nicht um ärztliche Hilfe bitten, weil sie niemanden zur Last fallen möchten. Prof. Dr. Martin Stockburger: “Wenn es um eine plötzlich auftretende Luftnot oder um eine Enge in der Brust geht oder wenn die Schulter oder der Arm schmerzen, dann sollte man im Zweifelsfall den Rettungsdienst rufen. Gerade vor kurzem erst kam eine Patienten mit einem großen Herzinfarkt selbst zu uns ins Krankenhaus gefahren, weil sie den Rettungsdienst nicht belästigen wollte. Das ist falsch, dafür ist er ja da.”
Ein erhöhtes Cholesterin, Rauchen, Übergewicht, ein hoher Blutdruck, wenig Bewegung: All das kann einen Herzinfarkt befeuern oder ihn beim Älterwerden auslösen.
Dr. Martin Stockburger: “Tatsächlich ist die Sterblichkeit in Berlin und in Brandenburg, wenn es um Herzdurchblutungsstörungen geht, sehr sehr hoch. In Berlin ist die Herzinfarktsterblichkeit sogar auf Rekordniveau – im bundesweiten Vergleich. Das liegt nicht an der Qualität der Krankenhäuser. Sondern weil die Menschen die Rettungskette gar nicht erst erreichen oder verstehen. Sie nehmen die Hilfe nicht in Anspruch – und sterben, bevor ein Arzt ihnen beistehen kann. In Brandenburg liegt die erhöhte Sterblichkeit eher an der ausgeprägten Risikokonstellation – wir haben zu viele Diabetiker, Übergewichtige, Bluthochdruckpatienten und Raucher.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 228 (3/2025).
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