Unterwegs im Krämerwald hinter Wansdorf: Waldumbau durch Naturverjüngung!

Regelmäßig lädt Bodo Oehme als Bürgermeister von Schönwalde-Glien zu Wanderungen ein, auf denen die teilnehmenden Bürger sehr viel lernen können. Am 26. Januar stand eine “Winterwanderung” durch den Wansdorfer Krämerwald an. Der zuständige Revierförster Christoph Holstein führte durch den Wald, erzählte viele spannende Dinge und erklärte am Ende auch, warum der Wald mitten in Brandenburg eigentlich zu Berlin gehört.
Wenn man im Schönwalder Ortsteil Wansdorf in den Kirschweg einbiegt und diesem vom Ende der lokalen Bebauung folgt, landet man direkt am Krämerwald, der sich von hier aus schier endlos bis nach Kremmen zieht.
Am 26. Januar startete genau hier morgens um 10 Uhr die allererste Wanderung des Jahres mit Bürgermeister Bodo Oehme. Der hatte in der Vergangenheit mit seinem CDU Gemeindeverband Schönwalde-Glien u.a. bereits zu einer Grabenwanderung in der Siedlung, zu einer Erkundung des Erlenbruchs und zu einer Bootsfahrt auf dem Havelkanal eingeladen. Im Januar stand nun als “Winterwanderung” eine Begehung des Krämerwalds an.
An die achtzig Bürger fanden sich in einer glücklichen Regenpause am Waldrand ein, um hier den Förster Christoph Holstein von der zuständigen Revierförsterei Wansdorf kennenzulernen. Er sollte die Teilnehmer der Winterwanderung durch den Wald führen.
Die erste Überraschung: Die Revierförsterei Wansdorf gehört gar nicht zu Schönwalde-Glien, sondern zu den Berliner Forsten. Sie untersteht dem Forstamt Tegel, das in sechs Revierförstereien unterteilt an die 6.000 Hektar Waldfläche bewirtschaftet. Davon entfallen allein 1.389 Hektar auf die Revierförsterei Wansdorf. Warum dem Land Berlin Flächen mitten in Brandenburg gehören, das sollte am Ende der Waldbegehung erklärt werden.
Eine Waldwanderung in Zitaten:
Bodo Oehme: “Für uns in Schönwalde-Glien ist der Krämerwald ein wichtiges Naherholungsgebiet.”
Bodo Oehme: “Früher in der DDR hatten wir sehr viele Kiefernwälder. So konnten wir Harz gewinnen und hatten zugleich auch genügend Holz zum Bauen.”
Christoph Holstein: “Jetzt gilt es, aus diesen Kiefernbeständen wieder einen Mischbestand zu machen.”
Bodo Oehme: “1981 hätten Sie hier nicht in den Wald gehen dürfen. Das Gebiet nutzten die Kampfgruppen der DDR, um hier mit ihren Fahrzeugen zu üben. Die Kampftruppen kamen vor allem aus Hennigsdorf, um im Wald ihre Wehrertüchtigung abzuleisten. An manchen Stellen sieht man noch Niederungen im Wald, wo nicht nur theoretisch ein ganzer Panzer hineinpasst.”
Bodo Oehme: “Ein Stück weiter im Krämerwald, da ist der Ziegenkrug zu finden. Da gab es einen besonderen Meilenstein, der dort aufgestellt war. Beherzte Menschen haben den Meilenstein gesichert, als hier für den Krieg geübt wurde, und ihn nach Falkensee gebracht. Dort stand er lange auf dem Platz vor dem Rathaus. Inzwischen ist es mir gelungen, diese ‘Beutekunst’ von Bürgermeister Jürgen Bigalke wieder zurückzuholen. Der Meilenstein steht nun wieder dort, wo er hingehört, im Ziegenkrug. Zunächst noch als Leihgabe. Aber ich verhandele bereits mit dem neuen Bürgermeister Heiko Richter darüber, daraus eine permanente Übergabe zu machen.”
Christoph Holstein: “Die Forstwirtschaft bemüht sich angesichts des Klimawandels, den Wald zukunftsorientiert umzubauen. Wir können nämlich aufgrund des Klimawandels nicht sagen, wie sich unsere Vegetation verändert. Um das herauszufinden, müssten wir alle zusammen noch einmal eine neue Waldbegehung im Jahr 2175 machen.”
Christoph Holstein: “Das Absterben der Bäume im Wald hat aufgrund des Klimawandels deutlich zugenommen. Die Forstwirtschaft auf der ganzen Welt bereitet sich auf speziellen forstlichen Versuchsflächen darauf vor, unterschiedliche Baumarten auf ihre Klimaresistenz hin zu prüfen, die z.Z. noch gar nicht in unseren Wäldern vorkommen. Ein Beispiel dafür ist der Anbau der Kaukasischen Buche auf forstlichen Versuchsflächen in ganz Deutschland außerhalb von Waldflächen der Berliner Forsten. Die Kaukasische Buche kam mit dem Deutschen Klima sehr gut zurecht, abgesehen vom Klimakriterium Spätfrost zu Beginn der Vegetationszeit im Frühling. Ein solcher Spätfrost stellt für unsere heimischen Baumarten kein Problem dar. Die Kaukasische Buche hat die Spätfröste allerdings nicht verkraftet. Fazit: Die Kaukasische Buche ist für unsere Breiten nicht geeignet. Die Suche geht weiter. Erst in drei bis fünf Generationen wird man wissen, ob uns diese Forschungsarbeiten bei zunehmenden Klimaveränderungen auch wirklich erfolgversprechende Ergebnisse gebracht haben. Die Berliner Forsten pflegen und entwickeln bis dahin ihren Wald mit den von Natur aus auf unseren Waldböden seit Ewigkeit vorkommenden Baumarten.”
Christoph Holstein: “Wir haben hier im Krämerwald eine Naturwaldentwicklungsfläche auf der linken Seite des Kirschwegs eingerichtet, da ist der Wald komplett sich selbst überlassen. Der Wald ist vollkommen unbeeinflusst von Menschenhand, auch von der Forstwirtschaft. Als wir damit angefangen haben, sind mir plötzlich die Fichten abgestorben. Da dachte ich: Was mache ich denn jetzt? Wir haben dann beschlossen, den Wald sich selbst zu überlassen und einfach zu schauen, was weiter passiert. Es ist ein Paradies geworden. Jetzt habe ich auf der Waldfläche mit den alten, abgestorbenen Fichten auf einmal aus Naturverjüngung entstanden einen reichhaltigen Mischwald mit kleinen Buchen, Hainbuchen und Eichen, der Eberesche, der Birke und kleinen Fichten. Die Bäume haben sich alle selbst in der Fläche angesiedelt, ohne dass ich etwas tun musste. Heute ist der Baumbestand so dicht, da kann man kaum noch durchlaufen. Wichtig ist vor allem, dass es kleine und hohe Bäumchen gibt, dicke und dünne. Da ist eine Artenvielfalt entstanden, das glaubt man kaum. Diese Beobachtungsfläche gibt mir ganz klar den Hinweis, wie ich mit dem Wald in meinem Revier umgehen kann.”
Christoph Holstein: “Der Klimawandel schädigt unsere Eichen leider ganz massiv. Meine Eichen im Krämerforst, sie sterben. An den Baumstämmen entdecken wir Flecken, da suppt es fast schwarz aus dem Stamm. Wir sagen Schleimfluss dazu. Ich denke, das liegt an der Hitze und an der intensiveren Sonneneinstrahlung in Verbindung mit der geringeren Wasserverfügbarkeit für die Baumwurzeln im Waldboden. Mit dieser rasanten Klimaveränderung kommen unsere Bäume genetisch nicht klar. Bei den Eichen sterben oft in Verbindung mit dem Schleimfluss die Äste in den Kronen ab. Das ist dann der Beginn vom Ende eines Eichenbaums.”
Christoph Holstein: “Hier bei uns in der Revierförsterei Wansdorf haben wir es mit einem Umstand zu tun, den kennen andere Förstereien mit besseren Waldböden nicht. Unser Wald wächst in der Märkischen Sandbüchse. Der Sandboden ist nährstoffarm und hat keine Wasserhaltekraft. Das bedeutet: Es kann eine ganze Woche lang regnen. Dann ist die oberste Waldbodenschicht nass. Buddelt man aber nur wenige Zentimeter vom Oberboden weg, ist der etwas tiefer liegende Waldboden auf einmal wieder komplett trocken. Das bedeutet: Unser Wald braucht eine permanente Feuchtigkeit von oben. Die ist aber nicht mehr gegeben. Die größten Probleme haben die Birken, gefolgt von den Eichen und der Rotbuche.”
Christoph Holstein: “Alle Kiefern-Reinbestände mit Kiefern gleichen Alters, Höhe und Dicke sind allesamt von Menschenhand gepflanzt und zeigen weder eine Naturnähe noch einen Artenreichtum. Kiefern-Reinbestände sind sehr gefährdet und können wahlweise von einem Waldbrand oder einer Schadkäfervermehrung komplett vernichtet werden. In solchen Kiefern-Reinbeständen ohne eine Naturverjüngung sind kleinflächige waldbauliche Initialmaßnahmen extrem wichtig. Ich denke da an die Einbringung von Mischlaubholz und waldtypischen Sträuchern, um den Artenreichtum von Flora und Fauna zu erhöhen, etwas für die Klimaresistenz zu tun und um eine Widerstandskraft gegen die oben genannten Schadfaktoren aufzubauen.”
Bodo Oehme: “Wir haben das auch bei uns in Schönwalde-Glien während der Dürresommer gesehen. Die Birken sterben innerhalb von sechs Wochen ab und brechen ohne Vorwarnung auseinander. Deswegen pflanzen wir bei uns in der Gemeinde keine Birken mehr nach.”
Christoph Holstein: “Das Zauberwort für die Zukunft lautet Naturverjüngung. Dort, wo ein alter Baum stirbt und umfällt, entsteht eine Lücke im Wald. Das Licht gelangt an dieser Stelle wieder bis zum Waldboden und erlaubt es den dort gelandeten Samen, zu keimen und zu wachsen. In den Waldböden der Försterei Wansdorf wächst zuerst die spätblühende Traubenkirsche, dann die Birke, gefolgt von Hainbuche, Ahorn, Eberesche, Rotbuche und Eiche. Es folgen weitere Baumarten wie Kiefer und Fichte. Das passiert alles ganz von alleine. Die Natur entscheidet, welche Baumarten wir im Wald haben. Wenn wir einen Mischwald erreicht haben, brauchen wir nichts nachzupflanzen.”
Christoph Holstein: “Ich werde immer gefragt, warum wir umgefallene Bäume oder heruntergefallene Äste nicht wegräumen im Wald. Das würde ja nicht schön aussehen. Aber: Die Natur richtet sich nicht nach Schönheit. Die Natur macht Dinge, damit sie überlebt und damit die Artenvielfalt bestehen bleibt. In diesem toten Holz, da siedeln sich viele holzzersetzende Käferarten an. Die sind zum Teil so selten, die stehen unter Naturschutz. Wir haben eine sehr hohe Artenvielfalt bei uns. Das liegt an der naturgemäßen Waldwirtschaft. Und das ist es, worauf die Berliner Forsten abzielen.”
Christoph Holstein: “Die Alternative zur Naturverjüngung ist der gepflanzte Bestand. Da werden gezielt kleine Pflanzen in den Boden gesetzt.”
Christoph Holstein: “In dem von den Berliner Forsten bewirtschafteten Teil des Krämerwaldes wird das Holz nicht aus wirtschaftlichen Gründen eingeschlagen. Seit vielen Jahren wird dieser Erholungswald der Försterei Wansdorf naturgemäß gepflegt und entwickelt und damit in seiner Entwicklung weitestgehend der Natur überlassen.”
Christoph Holstein: “Zum Ende die Auflösung: Warum besitzt Berlin Wald und landwirtschaftliche Flächen im Land Brandenburg? Beginnend mit dem Jahr 1865 kaufte die Reichshauptstadt Waldflächen und landwirtschaftliche Flächen im angrenzenden Umland auf. So sollte die Versorgungslage der Berliner für die Zukunft gesichert werden. Der Wald bietet einfach eine Vielzahl an Schutzfunktionen – und ist somit von existenzieller Bedeutung für die Lebensqualität in Berlin. Er ist Wasserlieferant, Wasserspeicher und Wasserfilter, aber auch Frischluftlieferant, Lärmschutz und Erholungsgebiet. Durch den Ankauf der Waldflächen wurde der Wald auch vor einer weiteren Expansion Berlins und damit einhergehend einer Zersiedelung geschützt. Der damalige Magistrat von Berlin hat außerdem den Dauerwaldvertrag geschlossen, der besagt: Wo einmal Wald in Berlin ist, da wird dieser Wald immer bleiben. Dieser Dauerwaldvertrag gilt auch heute noch – und schützt unsere grüne Lunge auch in der Zukunft.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 228 (3/2025).
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