1. Igelplausch in Brieselang: Jeder Igel zählt!

Unser einheimischer Igel ist das “Wildtier des Jahres 2024”. Früher war er fast in jedem Garten auszumachen. Inzwischen ist er sehr selten geworden, er steht seit Oktober ’24 sogar auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Die neu gegründeten “Igelmuttis Brieselang & Potsdam-Nord” kümmern sich um verletzte und unterernährte Igel. Um den Havelländern wichtiges Wissen über die Stachelritter zu vermitteln, haben sie am 23. März zum 1. Igelplausch gebeten. Über 40 Personen folgten der Einladung.
Wenn wir über unseren einheimischen Igel sprechen, ist vom europäischen Braunbrustigel die Rede. Er lebt nicht im Wald, sondern liebt urbane Landschaften. Sehr gern ist er deswegen in unseren Gärten unterwegs, um in der nächtlichen Dämmerung auf Insektenjagd zu gehen.
Der Igel wird bis zu sieben Jahre alt und kann ausgewachsen fast zwei Kilo wiegen. Igel sind Einzelgänger, sie haben feste Reviere, die bis zu vier Quadratkilometer groß sein können. Die Igel paaren sich im Mai und Juni, die Jungtiere kommen im August und September auf die Welt.
In der warmen Jahreszeit verkriechen sich die Tiere tagsüber gern unter Laubhaufen, unter Hecken oder unter Totholz. Sobald es im Herbst kalt wird, bauen sie sich ein gut isoliertes Nest aus Stroh – und gehen für mehrere Monate in den Winterschlaf. Igel haben abgesehen vom Uhu, vom Dachs und leider auch von einigen Hunden mit Jagdtrieb keine natürlichen Feinde in der Natur. Trotzdem geht es ihnen schlecht. Ihre Zahl geht immer mehr zurück.
Woran das liegt, weiß Barbara Kliver aus Brieselang, die zu den im August 2024 neu gegründeten “Igelmuttis Brieselang & Potsdam Nord” (Kontakt: Igelmuttis@gmx.de) gehört. Die Igelmuttis sind kein Verein, sondern eine Interessengemeinschaft, die unter dem Dach der Wildtierrettung Berlin-Brandenburg (www.wildtierrettung.de) agiert.
Barbara Kliver: “Igel sind reine Insektenfresser. Sie können mit Äpfeln, die vom Baum gefallen sind, wie man es oft in Kinderbüchern sieht, nichts anfangen. Sie suchen nach Engerlingen, Käfern, Raupen und anderen Insekten, die sie erbeuten können. Nacktschnecken, die viele Havelländer im Garten haben, fressen sie nur im äußersten Notfall. Durch das allgemeine Insektensterben, aber auch aufgrund der vielen naturfeindlich und steril angelegten Gärten, finden die Igel kein Futter mehr. Viele verhungern in den Gärten, man erkennt diesen Zustand oft am sogenannten Hungerknick zwischen Kopf und Rumpf. Während ein gesunder Igel kugelrund ist, erscheint ein ausgehungerter Igel äußerst schmal und mit eingefallenem Nacken.”
Katja Lampe wohnt in Fahrland. Auch sie kümmert sich in ihrer Freizeit aufopferungsvoll und bis zu vier Stunden am Tag um die ihr anvertrauten Igel: “Viele Igel werden auf den Straßen überfahren oder verletzt. Viele unnötige Verletzungen sehen wir aber auch, weil die Igel im Garten von einem Mähroboter angefahren werden oder von einer Motorsense erwischt werden. Auch mit dem ganz normalen Rasenmäher kann man einen Igel leicht verletzen, wenn er sich im hohen Gras versteckt hat. Ich laufe deswegen vor dem Mähen immer meinen Garten ab.”
Zu den Igelmuttis gehört auch die sehr erfahrene Simone Berger, die für die Wildtierrettung tätig ist und die ein wandelndes Lexikon ist.
Viele Menschen würden ebenfalls gern etwas für die Igel tun. Aber man kann auch leider so unendlich viel falsch machen. Katja Lampe: “Viele Menschen nehmen einen fast verhungerten Igel bei sich auf und füttern ihn sofort. Oft sterben diese Igel nach dem Füttern, weil ihr ganzes Verdauungssystem noch nicht mit so viel Nahrung umgehen kann. Besser ist es, erst einmal nur Wasser zu reichen und uns zu kontaktieren. Die Notrufnummer der Wildtierrettung ist die 0162-3177177. Wer ein verletztes Tier findet, das mit Fliegeneiern oder mit Maden übersäht ist, kann diese gerne abbürsten oder mit der Pinzette entfernen. Hier zählt jede Minute, da die Maden einen Igel wirklich im Nu auffressen können. Aber ansonsten: Bitte uns kontaktieren, wir wissen, was zu tun ist.”
Viele Menschen würden gern erfahren, wie sie denn helfen können und worauf genau zu achten ist. Aus diesem Grund haben die Igelmuttis am 23. März zu einem Informationsnachmittag eingeladen, nämlich zum 1. Igelplausch. Der fand in der Hafenkneipe des SG Wasserfreunde Brieselang e.V. am alten Freibad statt. Über 40 Neugierige folgten der Einladung – und bekamen in einem einstündigen Vortrag jede Menge Wissen vermittelt.
Tatsächlich können die Igelmuttis Unterstützung gebrauchen. Barbara Kliver: “Wir suchen Päppler, die unter der Anleitung unserer Profis mangelernährte Igel wieder zu mehr Gewicht verhelfen. Da geht es um etwa 30 Minuten Zeitaufwand am Tag. Allerdings muss man klar sagen: Igel machen Arbeit. Und sie können ganz schön müffeln. Später im Jahr geht es darum, Igel mit zu wenig Gewicht sicher durch den Winter zu bringen.”
Katja Lampe: “Wir suchen auch Leute, die uns beim Auswildern helfen. Hier sollte ein naturnaher Garten vorhanden sein, der fern von stark befahrenen Straßen liegt. In diesem Garten sollten keine Dünger oder Gifte ausgebracht werden, es braucht eine Wasserquelle und es sollte für eine Übergangszeit noch zugefüttert werden. Der Garten braucht auch wilde Ecken zum Verstecken und ggf. ein Schlafhaus.”
Die Igelmuttis sehen ihre Aufgabe darin, so viele Igel wie nur möglich zu retten. Wer einen Igel in Not findet, muss nicht zwingend aus Brieselang kommen. Barbara Kliver: “Wir nehmen auch Tiere aus Falkensee, Dallgow-Döberitz, Schönwalde-Glien oder Nauen auf. Am besten ist es immer, über die Wildtierrettung Kontakt aufzunehmen. Die geben einen Fund weiter und wir schauen, wer von uns noch Kapazitäten hat.”
Gern können Gartenbesitzer bei Barbara Kliver ein selbstgebasteltes Igel-Futterhaus erwerben, das sicher vor Ratten ist: “Mit den Einnahmen aus diesen Futterhäusern bestreiten wir unsere Arztkosten oder kaufen Medikamente ein. Gern kann man uns über PayPal auch eine Spende zukommen lassen, die Adresse ist die Igelmuttis@gmx.de. Wer über ein Futterhaus Igel in der freien Natur füttern möchte, sollte uns ebenfalls im Vorfeld kontaktieren. Igel vertragen nicht jedes Futter, wir empfehlen proteinreiches Katzennassfutter ohne Gelee und Soße oder Hundenassfutter mit hohem Fleischanteil ohne Getreidezugaben. Meine Igel mögen auch ungewürztes schlotziges Rührei oder gebratenes Rinder- oder Geflügelhack.” (Text/Fotos: CS / Igelfoto: Katja Lampe)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 229 (4/2025).
Seitenabrufe seit 25.03.2025:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige
