Kino-Filmkritik: Juror #2

Clint Eastwood ist ein Gigant im Kino – und das bereits seit Jahrzehnten. Er hat den Western als Schauspieler mit “Für eine Handvoll Dollar” und “Hängt ihn höher” geprägt, war der grimmige “Dirty Harry” mit den coolen Sprüchen und konnte in “Die Brücken am Fluss” sogar die Romantiker von sich überzeugen. Als Regisseur war er auch nicht eben faul. Mit “Sadistico” fing es an, mit “Space Cowboys” machte er uns viel Freude, auch “Million Dollar Baby” und “Sully” gehören zu seinem Oeuvre.
Aber auch mit 94 Jahren tritt der Oscar-gekürte Mann einfach nicht in den Ruhestand. Mit “Juror #2” legt Clint Eastwood als Regisseur einen klassischen Gerichtsfilm vor, in dem es um ein ganz besonderes moralisches Dilemma geht.
Justin Kemp (Nicholas Hoult) ist angehender Familienvater. Seine Frau steht kurz vor der Geburt des ersten Kindes. Da passt es dem jungen Mann eigentlich überhaupt nicht in den Kram, als Jury-Mitglied auserwählt zu werden. Justin soll sein Urteil in einem Mordfall abgeben: In einer Bar kam es zu einem schlimmen Streit zwischen einem betrunkenen Pärchen. Sie ist im nächtlichen Unwetter auf die Straße gelaufen, er hinterher. Einen Tag später wird ihre schrecklich zugerichtete Leiche in einem Abgrund neben der Straße gefunden.
Für die Staatsanwältin Faith Killebrew (Toni Collette) ist der Fall völlig klar: Der Freund der Toten war es. Doch die Indizienlage ist unklar, ein nächtlicher Zeuge nicht wirklich plausibel. Klar, dass die Verteidigung berechtigte Zweifel in der Jury wecken möchte.
Justin Kemp wird schnell klar: Der aufbrausende Freund der Toten ist tatsächlich unschuldig. Denn anscheinend hat er selbst die Frau mit seinem Kotflügel über die Leitplanke gestoßen: Im dichten Regen war er davon ausgegangen, ein Reh erwischt zu haben.
Der Film “Juror #2” beschäftigt sich intensiv mit diesem moralischen Problem. Soll sich Justin Kemp für die Unschuld des Beschuldigten einsetzen? Oder soll er ihn ins Gefängnis schicken, damit er sich unbehelligt um seine eigene Familie kümmern kann? Clint Eastwood zeigt auf, wie auch die anderen Jury-Mitglieder eigentlich nur daran denken, schnell wieder nach Hause zu dürfen – und an der Wahrheit nicht wirklich interessiert sind. Bis ein pensionierter Polizist (J.K. Simmons) doch etwas genauer hinsieht. Und einen Stein ins Rollen bringt, der sich nicht mehr aufhalten lässt.
“Juror #2” ist ein wenig zu bedächtig inszeniert. Nachdem dem Zuschauer klar geworden ist, dass der falsche Täter auf der Anklagebank sitzt, passiert zu wenig im modernen “Film noir”. Der Film lässt dem Zuschauer zu viel Zeit zum Nachdenken und macht aus dem moralischen Dilemma ein Kammerspiel mit zu langen Pausen. Erschwerend kommt hinzu, dass eigentlich niemand im Film wirklich sympathisch wirkt. Der Zuschauer fiebert mit niemandem mit. Auch Justin Kemp ist keiner, den man vor dem Knast bewahren möchte. Am Ende bleibt nur die Erkenntnis, dass es mitunter nur ein bisschen zu viel Regen auf der Straße bedarf, damit man vom unbescholtenen Bürger zum Mörder wird. Der Film startet am 16. Januar in den deutschen Kinos. (CS / Bilder: Warner Bros. Pictures Germany)
Fazit: 3 von 5 Sternen
(FSK: 12)
Spieldauer: 114 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Hk5Z0Tuig94
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 226 (1/2025).
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