Die Pendler kommen: Wustermark baut seinen Bahnhof um!

Da kommt etwas auf uns zu. Oder bessrer gesagt: Da kommt gar nichts mehr. Ab August 2025 herrscht Stillstand im Havelland. Die Bahnstrecke zwischen Berlin und Hamburg soll neun Monate lang komplett gesperrt werden, um eine Generalsanierung durchführen zu können. Das betrifft die Bahnhöfe in Falkensee, Brieselang und Nauen. Die Pendler, die morgens nach Berlin müssen, suchen sich andere Wege. Wustermark ahnt dies und bereitet sich vor.
Heiko Richter, Bürgermeister von Falkensee, prophezeit: “Ihr habt alle keine Vorstellung, was da auf uns zukommt.”
Was er meint: Wenn im August diesen Jahres plötzlich keine Bahn mehr in Falkensee, Brieselang und Wustermark hält, dann können die dort wohnenden Menschen, die aber in Berlin arbeiten, nicht einfach ins Home Office gehen. Sie werden sich andere Wege suchen, um in die Hauptstadt zu gelangen. Einige werden ins eigene Auto steigen und versuchen, in Eigenregie durch die verstopften Straßen an ihr Ziel zu gelangen. Andere nutzen bestimmt den bereitgestellten Schienenersatzverkehr in Form von Bussen. Es wird aber auch Pendler geben, die auf dem Weg zur Arbeit morgens die Bahnhöfe in Dallgow-Döberitz und in Wustermark ansteuern werden.
Wustermark bereitet sich vor, so Bürgermeister Holger Schreiber: “Bei der Sanierung der Bahntrasse zwischen Hamburg und Berlin steht Wustermark aufgrund der strategischen Lages seines Bahnhofs bei den Pendlern total im Fokus. Insbesondere für die Menschen aus Brieselang und Nauen ist unser Bahnhof sehr leicht zu erreichen. Wir rechnen damit, dass viele Bürger aus dem Umland auf unseren Bahnhof ausweichen werden und ihr Auto in Wustermark parken wollen. Nichts wäre fataler, als wenn wir völlig unvorbereitet in diese Situation nach dem 1. August hineinlaufen, weil die Pendler plötzlich alle zu uns kommen, wir aber gar nicht dazu in der Lage sind, den zusätzlichen Verkehr aufzunehmen.”
Ein Plus an Verkehr ist aber nicht nur aufgrund der privaten Autos zu erwarten. Holger Schreiber: “Nach Aussagen des VBB wird unser Bahnhof Wustermark auch der neue strategische Anlaufpunkt von mehreren Überlandbussen aus dem nordbrandenburgischen Raum sein. Da fahren zusätzliche Busse aus Wittenberge, Perleberg oder Kyritz über die B5-Achse zu uns, um auf diesem Wege Fahrgäste aufzunehmen oder abzuwerfen. Fahrgäste, die bislang oft noch nicht einmal wussten, dass es Wustermark überhaupt gibt.”
Wustermarks Bürgermeister glaubt nicht, dass Pendler, die in Perleberg oder Kyritz wohnen, mit dem Auto nach Berlin fahren werden: “Die Situation für PKWs in Berlin ist ja heute schon eine Katastrophe. Man findet keinen Parkplatz. Außerdem wird das tägliche Autofahren bis nach Berlin den Menschen aus Nordbrandenburg schnell zu teuer werden. Deswegen denken wir, dass Bahnfahrer von außerhalb auch weiterhin versuchen werden, mit dem öffentlichen Nahverkehr zur Arbeit zu gelangen. Nur eben über Wustermark.”
Bislang ist die Verkehrsführung am Bahnhof Wustermark alles andere als optimal. Es führt eine enge Straße zum Bahnhof, dort gibt es einen Wendepunkt, die Busse fahren den gleichen Weg wieder zurück, das war es.
Holger Schreiber: “Stand jetzt haben wir fünf bis sechs Busse in der Stunde, die unseren Bahnhof Wustermark anfahren. Diese gute bestehende Anbindung war ja auch ein Grund dafür, warum das neue Gymnasium in Wustermark entstehen soll. Ab August rechnen wir aber morgens mit bis zu zwanzig Bussen in der Stunde. Das ist ohne Umstrukturierungen vor Ort gar nicht zu meistern, sonst kommen die Busse nicht mehr vor und nicht mehr zurück.”
Dabei sind die privaten PKWs noch gar nicht berücksichtigt, die zeitgleich zum Bahnhof drängen. Holger Schreiber: “Wir haben zurzeit 200 Park-and-Ride-PKW-Stellplätze am Bahnhof. Das wird nicht reichen für das, was da ab August auf uns zurollt.”
Wustermark ist inzwischen bekannt dafür, Probleme schnell und effizient anzugehen. So wundert es nicht, dass die Gemeinde längst einen Plan dafür hat, wie sie durch die neun Monate kommt, bis die Bahn endlich 280 Kilometer Gleise, Weichen und Bahnhöfe generalüberholt hat.
Was ist geplant? Alles dreht sich um eine Ackerfläche, die die Gemeinde zum Glück bereits vor einigen Jahren gekauft hat, um in ferner Zukunft einmal den Parkbereich zu “qualifizieren und zu entwickeln”. Diese Ackerfläche liegt direkt vor dem Bahnhof. Sie soll nicht asphaltiert, aber ausreichend befestigt werden, um an dieser Stelle auf etwa 6.100 Quadratmetern Fläche einen zusätzlichen Parkraum zu schaffen. Auf diese Weise könnte man 221 zusätzliche Parkplätze schaffen. Holger Schreiber: “Der VBB geht davon aus, dass wir mindestens 150 zusätzliche Stellplätze brauchen. Reichen unsere neuen Parkplätze nicht aus, so könnten wir die Parkplätze auch noch verdichten oder etwas mehr vom verfügbaren Ackergelände zum Parkplatz umwidmen. Im allergrößten Notfall könnte man Flächen, die nicht in unserem Besitz sind, anfragen und mit entwickeln.”
Eine neu zu errichtende Straße würde diesen neuen Parkplatz von Osten her auf 150 bis 200 Meter Länge umrunden, um an die bestehende Straße anzuschließen. So würde eine neue Einbahnstraße entstehen, die den neuen Parkplatz umrundet. Die Busse müssten also nicht mehr aneinander vorbei, sondern würden von “rechts” an den Bahnhof heranfahren, die Fahrgäste ent- und einladen – und “links” wieder vom Gelände fahren.
Holger Schreiber: “Wir rechnen mit einem hohen Busaufkommen. Direkt vor dem Bahnhof müssten wir leider 78 bereits vorhandene Stellplätze wegnehmen, damit die Busse dort wie Perlen auf einer Kette anhalten können. Zugleich würden wir auf der neuen östlichen Zufahrtsstraße spezielle Haltebuchten für Busse anlegen. So kann ein Busfahrer auch einmal Pause machen und auf die Toilette gehen, ohne den Verkehr aufzuhalten.”
Der Plan hört sich sehr gut an, auch die erste Projektskizze ergibt Sinn. Aber: Ist es nicht sehr sportlich, all das noch bis zum August zu bauen?
Holger Schreiber: “Ja, wir sind eigentlich schon viel zu spät dran, das muss man so sagen. Aber wir waren sehr schnell mit unserer Planung und haben diese auch schon dem VBB, der Deutschen Bahn und dem Ministerium für Infrastruktur vorgestellt. Wir haben auch das Feedback, dass dies eine richtig gute Lösung sei. Hier haben auch mit dem Landrat Gespräche geführt und sind mit dem Landkreis Havelland als Genehmigungsbehörde im besten Einvernehmen, das alle notwendigen Genehmigungen effektiv abgestimmt werden. Auch Baufirmen müssen noch gesucht werden. Insbesondere die neue Straße muss professionell gebaut werden, sie muss ja voll besetzte Busse tragen können.”
Die Gemeinde Wustermark wird sich den ganzen Stress mit der Planung und der Durchführung antun. Es gibt aber ein großes Aber. Holger Schreiber: “Wir sind zu allen Schandtaten bereit. Aber wir müssen auch klar sagen: Wir können das nicht finanzieren. Es geht um 900.000 Euro Investitionsvolumen, das wir vor Ort brauchen. Die Diskussion rund ums Geld hat den ganzen Prozess leider in die Länge gezogen. Aber mit der Deutschen Bahn und mit dem Ministerium für Infrastruktur gehen solche Abstimmungsprozesse auch nicht so schnell, wie wir uns das wünschen. Jetzt ist vereinbart, dass die Deutsche Bahn die Straßenbaumaßnahmen finanziert und das Ministerium die temporäre Herstellung der neuen Park-and-Ride-Parkplatzanlage. Da geht es nicht um eine klassische Förderung, sondern um eine Kostenübernahme. Das LiVT Uwe Lehnert Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und Tiefbau arbeitet bereits als Planungsbüro am Projekt, die Bodengutachten und Vermessungen laufen alle schon. Im Mai soll der Baubeginn sein. Das ist schon alles sehr sportlich.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 227 (2/2025).
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