Fundus mit Geschichte im Falkenseer Museum: Private Sternwarte mit geheimen Knopf zum Ausschalten der Straßenbeleuchtung!

Das Falkenseer Museum sammelt mit großem Eifer Objekte, Fotos, Gemälde, Skulpturen und andere Dinge, die etwas über die Vergangenheit der Gartenstadt erzählen. Seit Corona gab es leider keine Vorstellung der Neuzugänge mehr. Am 21. Februar war es endlich wieder so weit: Museumschefin Gabriele Helbig stellte spannende Exponate vor und erzählte passend dazu bewegende Geschichten.
Damit hätte so auch niemand gerechnet. Im Museum der Stadt Falkensee sitzen nicht nur Menschen, die neugierig zu erfahren wünschen, was sich vor vielen Jahrzehnten in der Gartenstadt zugetragen hat. Sondern – es sind echte Detektive, die sofort mit Spürsinn, Einfallsreichtum und Beharrlichkeiten der Geschichte hinter den Dingen nachspüren, die ihnen über den Zaun gereicht oder per Post zugeschickt werden.
Vor Corona gab es jährlich die Veranstaltung “Fundus mit Geschichte”, bei der die Neuzugänge im Museum (www.museum-galerie-falkensee.de) vorgestellt wurden. Das ist über Corona eingeschlafen. Doch der Event wurde am 21. Februar zu neuem Leben erweckt. Vor vollen Zuschauerreihen stellte sich die Museumsleiterin Gabriele Helbig an einen Tisch, der mit vielen neuen Exponaten bestückt war, und erzählte Geschichten, die so spannend waren, dass die Gäste auf ihren Stühlen neugierig an ihren Lippen klebten.
So zeigte sie ein messingfarbenes Tischteleskop, das tatsächlich in Falkensee hergestellt wurde, um damit in die Sterne zu schauen. Es wurde von Alfred Wilke gefertigt, der in der Ringstraße wohnte – und dort auch eine kleine, private Sternwarte auf seiner Dachterrasse betrieb.
Gabriele Helbig: “Zu DDR-Zeiten gab es einen verborgenen Schalter an der Laterne vor Wilkes Tür. Mit diesem Schalter konnte Alfred Wilke die gesamte Straßenbeleuchtung in der Ringstraße ausschalten. Wenn es nachts vor Ort dunkel wurde, wussten alle Nachbarn, dass Wilke wieder in die Sterne schaute.”
Dort entdeckten Wilke und sein Neffe Michael Gressmann sogar zwei Kleinplaneten in unserem Sonnensystem, die nach ihnen benannt wurden. Helbig: “Es gibt nur drei Astronomen in Deutschland, nach denen Kleinplaneten benannt wurden. Zwei von ihnen stammen aus Falkensee.”
In Falkensee wirkte, lebte und starb auch der Dichter René Max Adolf Schwachhofer, der Bücher wie “Blick aus drei Fenstern” verfasste und sogar ein Gedicht über Falkensee geschrieben hat, das überraschend kurz ausfällt. Ab sofort verfügt das Museum nicht nur über seine Werke, die man laut Gabriele Helbig gern einmal in einer Lesung neu ins Gedächtnis rufen möchte, sondern auch über die originale Reiseschreibmaschine der Marke “Continental”, die um 1930 gefertigt wurde und auf denen Schwachhofers Werke verfasst wurden. Gabriele Helbig: “Wir sammeln nicht nur die Objekte, sondern auch die Geschichte dahinter.”
Einmal mehr hatten die neuen Objekte aber auch etwas mit den beiden Weltkriegen zu tun. Da ging es etwa um den Falkenseer Soldat August Schreiber aus dem Füselier Regiment 35, der im Ersten Weltkrieg um 1914 mit Bleistift in eine schmale Kladde schrieb und in diesem Tagebuch seine Eindrücke aus den Schützengräben vor Ypern in Belgien festhielt. Also genau dort, wo die Deutschen ein Jahr später zum ersten Mal Chlorgas gegen die alliierten Truppen eingesetzt haben: “Es ist hier für uns ein schweres Kämpfen, nicht wegen dem Feind, sondern wegen der Überschwemmung, teilweise stehen wir bis an die Knie im Wasser.”
Aus einer anderen dunklen Phase Deutschlands stammt ein ganzer Packen Briefe, die der damalige SS-Unterscharführer Werner Wohlgemuth 1941 verliebt an die von ihm angehimmelte Lieselotte Bodtke in Falkensee geschrieben hatte. Werner Wohlgemuth arbeitete damals als Wachmann im KZ Auschwitz. In seinen Briefen schreibt er aber nicht über das Böse im KZ, sondern berichtet fröhlich über das schöne Wetter oder einen Ausflug zu Pfingsten mit den Kumpels.
Gabriele Helbig: “Ich habe die Briefe gelesen. Ich fühlte mich dabei sehr an die Worte ‘Banalität des Bösen’ von Hannah Arendt erinnert. Wir haben lange überlegt – und uns entschieden, die Briefe aufzuheben und für die Zukunft zu bewahren. Und – Liselotte hat Werner nie erhört. Sie hatte damals wohl mehrere Eisen im Feuer.”
Neue Exponate haben das Museum aus London, aus Nussdorf in Bayern und sogar aus dem fernen Nizza erreicht. Die Geschichte mit Nizza ist wieder eine ganz besondere. In Nizza war ein alter Franzose verstorben. Sein gesamter Hausstand landete auf der Straße. Ein Berliner blätterte in alten Büchern – und fand einen Umschlag mit persönlichen Fotos, die unmittelbar nach der Befreiung des Arbeitslagers im KZ Sachsenhausen Außenlager Falkensee entstanden waren. Der Berliner erkannte die historische Bedeutung der Bilder, nahm sie mit – und schickte sie an das Museum. Gabriele Helbig: “Das sind ganz besonders wertvolle Aufnahmen, die uns viele neue Erkenntnisse geben. Offenbar waren die einzelnen Baracken damals auch noch einmal einzeln eingezäunt. Und erstmals sehen wir die Unterkunft der SS. Die Bilder haben uns erreicht, kurz nachdem wir die Infostelen im Geschichtspark aufgestellt hatten. Wir hätten sie dafür noch gut verwenden können.”
Anderthalb Stunden dauerte der Vortrag der Museumsleiterin. Vorgestellt wurden Glasdias, Gemälde, Skulpturen, eine in Falkensee hergestellte Präzisionswaage, Bücher und die gebundene Heimatzeitung “Falkensee in Wort und Bild”, die zwei Mal in der Nazizeit erschienen ist und Institutionen, Vereine und Adressen sammelt: “Ein guter aufrichtiger Freund und Kamerad kann und soll das Buch sein.”
Klar wurde am Ende nur: Das Museum platzt aus allen Nähten, eine dem Museum angebotene Schrankwand “Falkensee” musste so schon abgelehnt werden. Der angedachte Erweiterungsbau auf dem bereits angekauften Nachbargrundstück muss dringend her. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 228 (3/2025).
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