Straßenkatzen ohne ein Zuhause im Havelland
Sie leben an vielen Orten auf der Welt. Oft versteckt, scheu, krank. Straßenkatzen ohne ein Zuhause bei einem Frauchen oder Herrchen gibt es aber nicht nur in Südeuropa, sondern auch bei uns im Havelland. Die Tiere vermehren sich unkontrolliert, die Kitten sterben in der Regel jung. Der “Tierschutzverein Falkensee – Osthavelland e.V.” kümmert sich um das Katzenleid und fordert seit langem eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Freigängerkatzen.
Ganja balgt gern mit anderen Katzen und erobert mit Vorliebe Kratzbäume. Das Erstaunliche daran: Ganja ist blind. Der kleine Kater gehörte zum Wurf einer Straßenkatze. Ohne Zuhause, schlecht ernährt und krank.
“Er hatte Katzenschnupfen”, erklärt Tierärztin Monika Kruschinski, Vorsitzende des “Tierschutzvereins Falkensee-Osthavelland” (www.tierschutz-falkensee.de). Hinzu kam Pech. Ganjas Geschwister wurden ein paar Tage vor ihm gefunden, sie wurden früher behandelt und umsorgt. Klein-Ganja hielt sich mit seinen schwer entzündeten Augen versteckt. Er kam etwas später zu Monika Kruschinski. Sie päppelte ihn auf, doch für sein Augenlicht kam die Hilfe leider zu spät.
Straßenkatzen versorgen, einfangen, kastrieren. Darin sieht der Tierschutzverein seine Aufgabe. Die erwachsenen Katzen sind meist nicht vermittelbar, sie sind zu wild, zu scheu – sie werden wieder am Fundort ausgesetzt. Doch die Jungen, sie haben noch eine Chance. Sie kommen in die Obhut des Vereins. Oft sind sie aber krank. “Ihr Immunsystem ist angegriffen”, erklärt Monika Kruschinski.
Im “Katzenschutzreport” des Deutschen Tierschutzbundes bestätigen sich Monika Kruschinskis Erfahrungen. 99 Prozent aller Straßenkitten sind krank, heißt es hier. Die Überlebenschancen auf der Straße sind schlecht, laut Report erreichen 75 Prozent der Straßenkitten nicht ihren sechsten Lebensmonat.
Katzen können zwei bis drei Mal im Jahr Junge bekommen. Im Durchschnitt werden vier bis sechs Junge geboren. Aus zwei “verliebten” Katzen werden so nach nur einem Jahr acht Katzen. Nach zwei Jahren haben die zwei Katzen 32 Nachkommen, nach drei Jahren sind es 128 Katzen, nach fünf Jahren 2.048 Katzen.
Um solchen Katzenschwemmen und dem damit verbundenen Katzenelend entgegenzuwirken, setzt sich Monika Kruschinski seit Jahren für eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Freigängerkatzen ein. In Berlin gibt es eine solche Katzenschutzverordnung bereits seit rund zwei Jahren. Im Havelland hat die Stadt Premnitz eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen eingeführt.
“Das Land Brandenburg hat den Weg für eine solche Kastrationspflicht auf Kreisebene bereits freigemacht”, sagt Monika Kruschinski.
Nun wären die Gemeinden und Landkreise am Zug. Zwei Kommunalpolitiker habe sie jüngst angesprochen, bisher ohne Erfolg, sagt sie und mahnt. Das Problem vermehrt sich beständig, im wahrsten Sinn des Wortes.
Der “Tierschutzverein Falkensee-Osthavelland” ist mit 34 Jahren einer der ältesten Tierschutzvereine im Land. Statt einer zentralen Unterbringung, wie bei einem Tierheim, sind die Katzen hier auf rund zehn private Pflegestellen aufgeteilt. Ehrenamtliche Mitglieder pflegen die erkrankten Katzen gesund und päppeln und zähmen die Kitten. In drei Pflegestellen leben alte und kranke Katzen. Diese finden in aller Regel kein neues Zuhause.
Die Kastration und die Versorgung von Straßenkatzen stehen ganz oben auf der Agenda. Bei regelmäßig durchgeführten Fangaktionen gehen mal drei, mal fünf und auch schon mal neun Katzen auf einen Streich in die Falle. Andersherum gibt es besonders vorsichtige Katzen. Da kann es Wochen dauern, bis auch bei denen die Falle zuschnappt. Die Katzen werden von einem Tierarzt untersucht und anschließend kastriert. Danach gehts für die Katzen zurück an den Fundort. Ehrenamtliche Helfer des Vereins haben hier Futterstellen im Freien eingerichtet.
170 Euro kostet die Kastration einer Katze, bei Katern ist der Eingriff weniger aufwendig und kostet deswegen nur 110 Euro. Das Land Brandenburg gab bislang über Fördermittel 58 Euro für die Katze und 20 Euro für den Kater dazu. Allerdings nur, solange der Fördertopf gefüllt war. Waren die finanziellen Mittel ausgeschöpft, gab es kein Geld mehr. Für die Differenz zwischen Kastrationskosten und Förderung sprang bisher der Landkreis ein. Doch auch der Landkreis muss sparen und hat deswegen seine Förderung halbiert.
Da klang es zunächst gut, dass ab 2025 die Fördersätze vom Land angehoben werden. 150 Euro für Katzen, 90 Euro für Kater. “Das hilft aber nur, wenn insgesamt mehr Geld zur Verfügung steht. Und genau das kann noch keiner sagen”, sagt Monika Kruschinski. Mit weniger Straßenkatzen ist nicht zu rechnen, fügt sie hinzu.
In den ersten zehn Monaten dieses Jahres hat der Verein bereits 46 Kater und 102 Katzen kastriert, sagt die Vereinsvorsitzende. “Oft machen uns Bürger auf freilebende Katzen mit unterschiedlich alten Kitten aufmerksam”, sagt Monika Kruschinski. Dabei fallen einzelne Orte immer wieder auf, besonders viele Meldungen kommen zurzeit aus Nauen.
Sind die Katzen krank oder verletzt, entstehen weitere Tierarztkosten für die Behandlung. Bis Mitte Oktober waren das in diesem Jahr 21.500 Euro, dabei wurden 600 Euro für die Operation an Ganjas Augen fällig. Bezahlt werden diese Rechnungen mit dem Geld aus Spenden, Fördermittel gibt es hierfür kaum. Gespart werden kann an dieser Stelle aber auch nicht, denn nur gesunde Katzen können vermittelt werden. Katzen in ein liebevolles Zuhause übergeben, das ist für das Tierschutz-Team der schönste Moment. 65 Katzen und Kater konnte der Verein in diesem Jahr in ein neues Zuhause geben. Auch Ganja hatte viel Glück und hat tatsächlich eine liebevolle Familie gefunden.
Wer helfen möchte: Neben der Möglichkeit zur Geld- und Futterspende gibt es eine Amazon-Wunschliste vom Verein und in vielen regionalen Märkten eine Futterspendenbox. Im Hagebaumarkt in Nauen wird es in diesem Jahr wieder einen Wunsch-Weihnachtsbaum für die Katzen des Vereins geben. Außerdem ist es möglich, eine Patenschaft für eine der alten und kranken Katzen zu übernehmen. (Text/Fotos: Silvia Passow / Foto mit Käfigen: Tierschutzverein)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 225 (12/2024).
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