Kristina Hölzel: Regionale Geschichte (1) – Schäfchen & Mäuse
Als 1898 der Mühlenmeister Franz Reinicke die gerade von Seegefelder und Falkenhagener Gewerbetreibenden gegründete Spar- und Darlehenskasse gerichtlich eintragen ließ, weideten noch Schafe auf dem Grundstück, wo sich heute das markante Gebäude der Berliner Volksbank befindet. Wachstum fördern und in der Not den Mitgliedern helfen, das war der Grundsatz.
Der enorme Zuzug nach Gründung der Stadt im Jahr 1923 bescherte der Bank viele neue Mitglieder. Die Wirtschaftslage nach den Turbulenzen des Ersten Weltkrieges, dem Zusammenbruch des Kaiserreiches und der nachfolgenden Hyperinflation hatte sich beruhigt.
Längst waren die für den Geschäftsbetrieb angemieteten Räumlichkeiten in der Bredower Straße zu eng.
Der Bankvorstand reichte am 22. August 1929 die Planung für ein prächtiges Bankgebäude bei den zuständigen Behörden ein. Mit einem erweiterten Geschäftsumfang war auch die Umfirmierung in “Spar- und Kreditbank e.G.m.b.H.” notwendig.
Mitten in den Bauvorbereitungen löste der New Yorker Börsencrash Ende Oktober 1929 weltweite kaskadenartige Schockwellen in der Finanzwelt aus. Es folgten wirtschaftliche Zusammenbrüche, Pleiten und Arbeitslosigkeit. Davon beeindruckt wollte man in Falkensee etwas bescheidener bauen.
Im Juni 1930 begannen die Bauarbeiten in einem atemberaubenden Tempo, sodass das Geschäftshaus nach fünf Monaten Bauzeit am 29. Oktober 1930 bezogen werden konnte.
Architekt war der bekannte Paul Ueberholz aus Berlin. Von außen machen heute immer noch die beiden Portalfiguren “Sparsamkeit” und “Segen” (Geben) das Gebäude einzigartig. Die Erstausstattung, ein gediegenes Interieur mit Glasbeleuchtung im Art-Deco-Stil, dunklem Holz und Ledervorhang, ist inzwischen Geschichte.
1931 brechen auch in Deutschland Banken zusammen. Einige Falkenseer gerieten eines Tages in Panik, weil sie kein Geld mehr bekamen. Wütende Menschen zogen von der Ecke Germanenstraße (heute Poststraße) die Bahnhofstraße entlang. Dann: Schüsse fielen auf das Wohnhaus des amtierenden Bankvorstehers Gieseler am Seegefelder Anger. Es kam niemand zu Schaden, eine Wanduhr wurde getroffen.
Während es in den kommenden Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung gab, waren die Zeichen für einen neuen Krieg unverkennbar. Ab 1939 arbeiteten die Angestellten von 7:30 Uhr bis 19:30 Uhr, trotz häufiger Bombenalarme musste die Tagfertigkeit aller Bankunterlagen gesichert werden.
Die Stunde Null rückte unvermeidlich näher.
Am 24. April 1945 kam das Bankgeschäft zum Erliegen. Das Bankgebäude wurde von Einheiten der Roten Armee eingenommen, die Schließfächer wurden geplündert.
Schwere Jahre. Besatzungszonen, zwei Währungen, zwei deutsche Staaten, der Mauerbau 1961.
1970 wurde die Spar- und Kreditbank in “Genossenschaftsbank für Handwerk und Gewerbe Falkensee” umbenannt. Doch diesen Namen trug die Bank nur ein Jahr. Eine Genossenschaftsbank konnte kein Volkseigentum sein. So firmierte man schließlich unter dem Namen “Genossenschaftskasse für Handwerk und Gewerbe der Deutschen Demokratischen Republik Nauen – Sitz Falkensee”. Zuvor war es 1973 zur Fusion mit der “Genossenschaftsbank Nauen” gekommen.
Mit der Zeitenwende 1989/90 stand ein neues Wirtschafts- und Bankensystem vor der Tür. Doch dank kluger Handlungsweisen konnte diese Bank 1998 ihr 100jähriges Bestehen feiern. In den zwischenzeitlich um- und ausgebauten Büroräumen befindet sich heute eine Filiale der “Berliner Volksbank”. (Quelle: u.a. Festschrift, erschienen im Januar 1998) (Text: Kristina Hölzel)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 225 (12/2024).
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