Angefragt in Falkensee: Was hat es mit dem Vorkaufsrecht bei Grundstücksverkäufen auf sich?
Der Geschäftsvorgang ist eigentlich ein ganz einfacher. Jemand besitzt ein Grundstück mit oder ohne Haus und möchte es an eine andere Person verkaufen. In diesem Fall kann die betroffene Gemeinde oder Stadt ein sogenanntes Vorkaufsrecht geltend machen – und selbst zum Käufer werden. Aber keine Angst: So etwas passiert nur sehr selten und eigentlich nur dann, wenn der Grundstückskauf besonders wichtig für die Allgemeinheit ist. Etwa, wenn an dieser Stelle eine Schule gebaut werden soll.
So stellen sich das viele Familien in der Großstadt vor. Sie haben mit den Jahren etwas Geld zur Seite gelegt, stehen auf gutem Fuß mit ihrer Bank und liebäugeln damit, endlich ins Grüne zu ziehen. Etwa von Berlin nach Falkensee. Vor Ort haben sie bereits das richtige Grundstück gefunden und haben sich mit dem willigen Verkäufer auch schon über den zu entrichtenden Kaufpreis geeignet.
Wenn Verkäufer und Käufer sich also einig sind, kann ein im Kaufvertrag beschriebenes Grundstück mit oder ohne Haus ganz schnell einen neuen Besitzer finden. Beim Notar werden einfach nur noch rasch die Verträge unterschrieben, Geld wechselt den Besitzer und beide Parteien könnten glücklich bis an ihr Lebensende weiterleben.
Ist es aber wirklich immer so einfach? Nicht ganz. Denn mitunter kann die Gemeinde oder die Stadt, in dessen Einflussbereich das zu übertragende Grundstück liegt, ein sogenanntes Vorkaufsrecht geltend machen und statt des ursprünglichen Käufers selbst in den bestehenden Vertrag eintreten.
Mehr weiß Dezernent Dr. Harald Sempf von der Stadt Falkensee: “Der Notar, der den wirksam abgeschlossenen Kaufvertrag beurkundet, wird in der Regel von den Vertragsparteien beauftragt, bei der Stadt anzufragen, ob ein Vorkaufsrecht besteht.Besteht kein Vorkaufsrecht oder möchte die Stadt ein bestehendes Vorkaufsrecht nicht ausüben, stellt sie ein Negativzeugnis aus.”
Nur wenn dieses Negativzeugnis vorliegt, kann sich der neue Besitzer nach dem Kauf in das Grundbuch des Grundstücks eintragen lassen.
Muss man jetzt als Käufer eines schönen Grundstücks immer Angst haben, dass einem die Stadt den auserkorenen Grund und Boden direkt vor der Nase wegschnappt?
Dr. Harald Sempf: “Nein, die Stadt darf ihr Vorkaufsrecht nur dann geltend machen, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. In den meisten Fällen wird das der Fall sein, wenn die Stadt an der entsprechenden Stelle schon immer vorhatte, eine Kita, einen Sportplatz, eine neue Schule, einen Hort, einen Fahrradweg, eine Straße oder vielleicht eine Fahrradabstellanlage zu errichten. Diese Vorhaben sind dann aber in der Regel schon lange bekannt und in einem entsprechenden Bebauungsplan, kurz B-Plan genannt, hinterlegt. Wir möchten hier als Stadt nur absichern, dass wenn ein Grundstück im Planungsgebiet verkauft wird, wir wenigstens gefragt werden, ob wir das Grundstück nicht vielleicht haben möchten. Die Frist läuft drei Monate ab Kenntnis des gesamten Kaufvertrages, wenn ein bestehendes Vorkaufsrecht ausgeübt werden soll. Besteht kein Vorkaufsrecht oder soll ein bestehendes Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden, läuft die Frist schon ab der Kenntnis, dass ein Kaufvertrag abgeschlossen wurde.”
Die Stadt tritt in diesem Fall durch eine einseitige Erklärung in den bereits geschlossenen Kaufvertrag ein und kann das Grundstück anstelle des ursprünglich vorgesehenen Käufers erwerben.
Dr. Harald Sempf: “Die Stadt müsste dann allerdings auch den bereits vereinbarten Kaufpreis bezahlen, damit der Verkäufer durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht finanziell schlechtergestellt wird. Stellt die Stadt allerdings fest, dass der im Vertrag vereinbarte Kaufpreis unverhältnismäßig hoch und damit spekulativ ist, kann sie einen Gutachter bestellen, der den tatsächlichen Wert des Grundstücks feststellt – und den Kaufpreis entsprechend senken. Der Verkäufer darf allerdings selbst vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Stadt das Vorkaufsrecht geltend machen möchte, er der Stadt das Grundstück aber nicht verkaufen möchte. In der Regel muss aber gar nicht über die Sache gestritten werden. Die meisten Grundstücksbesitzer in Falkensee wissen aufgrund öffentlicher Absichtserklärungen schon ganz genau, dass ihre Grundstücke im öffentlichen Interesse liegen – und bieten sie ggf. gleich der Stadt zum Kauf an.”
Das gesetzliche Vorkaufsrecht der Städte und Gemeinden wird in den Paragrafen §§ 24–28 vom Baugesetzbuch (BauGB) genau beschrieben. Fachanwälte helfen ggf. Verkäufer und Käufer dabei, die juristische Materie genau zu erfassen und zu verstehen.
Dr. Harald Sempf: “Das Vorkaufsrecht der Stadt gilt immer nur bei unbebauten oder bebauten Grundstücken, nicht aber beim Verkauf einer Eigentumswohnung. Das Vorkaufsrecht kann grundsätzlich, wie es der Name schon sagt, auch nur bei Kaufverträgen relevant werden, also nicht bei Schenkungen, bei Tauschverträgen, bei der Vermögensaufteilung einer Erbengemeinschaft oder bei Scheidung, bei der Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft oder wenn der Kauf innerhalb der Familie stattfindet. Ein Vorkaufsrecht entfällt auch dort, wo ein Grundstück an öffentliche oder kirchliche Stellen übertragen werden soll. Im Grunde genommen kann man ganz klar sagen: Wird ein Grundstück bereits entsprechend der Vorgaben eines vorhandenen Bebauungsplans und der städtebaulichen Zielsetzung genutzt, so wird die Stadt kein Vorkaufsrecht ausüben. Die Verkäufer haben übrigens auch immer noch das Recht, eine sogenannte Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen.”
Was ist nun aber, wenn die Stadt dringend eine neue Schule bauen möchte, an genau der anvisierten Stelle aber gerade niemand ein dringend benötigtes Grundstück verkaufen möchte? Kommt es dann zu einer Enteignung?
Dr. Harald Sempf: “Das Eigentum ist in Deutschland ein sehr hohes Gut, es ist verfassungsmäßig gesichert. Eine Enteignung ist damit ein sehr schwerer Eingriff. Diese Entscheidung macht man sich auch als Stadt nicht leicht – und sie zieht in der Regel auch immer eine gerichtliche Auseinandersetzung nach sich. Eine Enteignung kann ohnehin nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Oft geht es im Alltag immer nur um wenige Quadratmeter, etwa, wenn wir eine Straße ausbauen und sie dadurch etwas breiter wird. Da muss man sich dann aber im Einzelfall einigen. Das sind mitunter schwierige Auseinandersetzungen. Aber das ist letztendlich auch Tagesgeschäft.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 225 (12/2024).
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