Feldküche Falkensee hört auf: Ralf Steinicke gibt kein Essen mehr aus!
Die Handwerker und auch die Rentner in Falkensee wissen ganz genau: Wenn unter der Woche der Hunger erwacht, dann ist Ralf Steinicke (60) für sie da. Von Montag bis Freitag steht seine grüne und mit Holz befeuerte Feldküche auf der sandigen Freifläche zwischen dem Bahnhof “Seegefeld” und dem ehemaligen Herlitz-Werk. Aus der Feldküche gibt es stets ein leckeres Essen zum kleinen Preis. Aber: Das war einmal!
2013 hat Ralf Steinicke seine grüne Feldküche von Georg Strauch übernommen. Seitdem steht er unermüdlich mit der Feldküche auf dem Feld schräg gegenüber vom ehemaligen Herlitz-Logistik-Hochlager, das zuletzt von Pelikan und der eCom betrieben wurde.
Wer die Straße der Einheit hinauffuhr, sah die Feldküche schon von weitem. In der Regel sah man dann auch gleich Ralf Steinicke in einem karierten Holzfällerhemd vor Ort hantieren. Zwei Tische mit Bänken hatte er neben der Feldküche mit aufgestellt, sodass Gäste ihr Essen gleich an Ort und Stelle aus der bunten Plastikschale heraus verputzen konnten. Das Geschirr wurde nach dem Essen sofort in einem großen Bottich ausgespült und gleich wieder für den nächsten Gast benutzt.
Denn Ralf Steinicke konnte sich über mangelnde Kundschaft nicht beschweren. Die lokalen Handwerker, viele Rentner, aber auch Angestellte aus den Firmen der Nachbarschaft gaben sich bei ihm die Klinke in die Hand. Sie wussten, dass sie aus der Feldküche ein grundsolides, leckeres Essen bekamen, reichhaltig, satt machend und vor allen Dingen auch für den kleinen Mann bezahlbar. Da war es auch völlig in Ordnung, wenn man seine Suppe bei Wind und Wetter im Freien löffeln musste. Bei Nieselregen setzte man sich einfach in sein Auto und ließ es sich eben dort schmecken.
Ralf Steinicke ist Spandauer. Zuletzt wohnte er in Falkensee. Nachdem die Kinder aber nach Bayern gezogen sind, war das Haus in der Gartenstadt zu groß. Jetzt wohnt der Koch wieder in Staaken.
Normalerweise steht Ralf Steinicke so lange an der Feldküche, bis der Winter hereinbricht. Dann macht er zu und kehrt erst Ende Februar oder im März wieder an seine Wirkungsstätte zurück. In diesem Jahr ist aber alles anders, so Ralf Steinicke: “Für mich ist jetzt Schluss, das war es, ich höre auf. Am 20. Dezember habe ich mein letztes Essen ausgegeben, nun hoffe ich, dass ich die Feldküche verkauft bekomme.”
In der Feldküche gab es die letzten Jahre über immer täglich drei Gerichte. Bei unserem Besuch Anfang Dezember waren die Königsberger Klopse schon ausverkauft, aber es gab noch einen Kartoffel-Gemüse-Eintopf mit Bockwurst oder die klassische Erbsensuppe mit Einlage, die jeden Tag fest gesetzt war.
Ralf Steinicke: “Ich bin Autodidakt, ich habe mir das Kochen selbst beigebracht. Bei mir gab es eigentlich durchweg deutsche Küche, die Ausnahme waren höchstens ab und zu einmal Spaghetti Bolognese. Schnitzel und Kotelett standen auch oft auf der Karte, echte Renner waren aber vor allem der Schichtkohl, das Eisbein, die Buletten und der Hackbraten. Meine Preise waren immer fair. Die Erbsensuppe kostete 3,50 Euro, mit Bockwurst 4,50 Euro. Für den Nebeneintopf nahm ich 5 oder 5,50 Euro, für das Tagesgericht 7 Euro. Das konnten sich meine Kunden leisten.”
Die dankten es ihm: “Dem Ralf müsste man ein Denkmal setzen. Bei jedem Wetter stand er hier im Freien und hat Essen ausgegeben. Dass er nun aufhört, ist ein echter Jammer”, diktiert uns ein Handwerker ins Aufnahmegerät.
Aber – warum hört er denn nun auf? Ist es das Alter, geht der Freiluftkoch in den Ruhestand? Mitnichten. Ralf Steinicke: “Ich hatte eine Küche in der Leipziger Straße, die mir zum Ende des Jahres gekündigt wurde. Ohne meine Küche kann ich aber kein Essen vorbereiten. Ich habe das ganze Jahr über versucht, etwas Neues zu finden. Aber es hat sich leider überhaupt nichts ergeben. So kann ich nicht weitermachen. Es musste letzten Endes eine Entscheidung getroffen werden. Und die lautet nun einmal leider: Im Dezember war Schluss. Aus und vorbei. Am Umsatz hat es jedenfalls nicht gelegen. Ich habe jeden Tag viele, viele Essen ausgegeben.”
Dem Feldküchen-Betreiber tut das Aus sehr Leid: “Ich gehe mit zwei tränenden Augen. Ich habe meinen Job sehr, sehr gern gemacht. Ich stand wirklich mit Herzblut auf der Wiese, und meine Kunden wissen das auch. Das wird mir sehr fehlen, das weiß ich jetzt schon. Ich wünsche allen meinen vielen Stammkunden, dass sie einen neuen Platz finden, an dem sie essen können. Und ich bin dankbar für die Zeit, die ich hier erleben durfte. Auch wenn es manchmal hart war. Die Kälte ist eine Sache. Mitunter war es aber schwieriger, bei extremer Sommerhitze an der trotzdem noch befeuerten Feldküche zu arbeiten.”
Das mit dem neuen Platz für die Kunden, an dem sie eine preisgünstige Mahlzeit bestellen können, das ist zurzeit noch ein frommer Wunsch. Der Handwerker-Mittagstisch “Mach mal Pause” hinter der Fleischerei Gädecke hat schon seit Jahren geschlossen, mit Guido Strehlow ist eine andere Feldküche schon vor langer Zeit nach Potsdam weitergezogen, und die Falkenseer Neuland Fleischerei mit ihrem Mittagstisch ist auch nicht mehr da. Wer jetzt in Falkensee Handwerker-Hunger hat, geht zu Püppi an den Finkenkruger Bahnhof, nutzt den Imbiss bei Gädecke oder schaut im Selgros-Bistro vorbei.
Ob sich wohl ein Käufer für die Feldküche findet? Vielleicht sogar jemand, der sie in Falkensee wieder in Betrieb nimmt? Ralf Steinicke: “Meine Falkenseer Feldküche hat Tradition. Sie ist sogar bei Google zu finden. Man nutzt die Feldküche übrigens nicht zum Kochen, sondern nur zum Warmhalten. Sie wird mit Holz befeuert, nicht mit Kohle.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 226 (1/2025).
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