Vertragt euch: Peter Blaudszun ist seit 30 Jahren Schiedsmann in Schönwalde-Glien!
Wenn Nachbarn sich zoffen, kann es laut werden. Und nicht selten sind die Streithähne auf beiden Seiten so uneinsichtig, dass letztlich nur noch der Gang vor Gericht als Option übrig bleibt. Um die Gerichte zu entlasten, ist zunächst die Konsultierung einer ehrenamtlich tätigen Schiedsperson verpflichtend. Sie versucht, einen für beide Seiten vertretbaren Kompromiss zu finden. In Schönwalde-Glien ist Peter Blaudszun bereits seit 30 Jahren als Schiedsperson tätig. Und das durchaus mit Erfolg.
Der Baum, dessen Laub im Garten des Nachbarn landet. Hühner, die stinken und viel zu laut sind. Eine Hecke, die zu hoch wächst und den Garten der Nachbarn verdunkelt. Eine Kettensäge, die ausgeliehen, aber nie zurückgebracht wurde. Es gibt so viele Dinge, über die man sich voller Leidenschaft streiten kann.
Damit nicht jeder kleine Zwist vor dem Gericht landet, gibt es in vielen Städten und Gemeinden ehrenamtlich bestellte Schiedspersonen. 16 sind es zurzeit im Amtsgerichtsbezirk Nauen, dazu zählen auch “Streitschlichter” aus Falkensee, Brieselang, Dallgow-Döberitz, Ketzin, Wustermark und Nauen.
Schönwalde-Glien darf sich glücklich schätzen. Hier wirkt bereits seit 30 Jahren Peter Blaudszun (79) als Schiedsperson. Der ursprünglich aus Berlin stammende und 1984 nach Schönwalde-Glien gezogene Rentner, der sich auch im “Theater in der Scheune” engagiert, hat in dieser Zeit über 300 Streitfälle auf seinem Tisch gehabt. Die Hälfte davon konnte er zwischen “Tür und Angel” lösen, beim Rest waren intensive Schiedsgespräche am runden Tisch nötig. In den meisten Fällen konnte eine Lösung gefunden werden.
Vergleiche, die anschließend schriftlich fixiert werden, sind übrigens bindend. Sie können vor Gericht 30 Jahre lang eingeklagt werden und sind als Titel vollstreckbar. Der Vergleich, der vor Ort getroffen wird, ist juristisch gesehen ein Vertrag zwischen den Nachbarn. Aus diesem Grund schaut auch immer noch einmal Nauens Amtsgerichtsdirektor Jan Boecker auf die Akten.
Der Gang zum Schiedsmann hilft dabei, einen unvoreingenommenen Blick auf eine Streitsituation zu erhalten – und eine objektive Einschätzung der Lage aus dem Blickwinkel eines unbeteiligten Dritten. Dank der ehrenamtlichen Arbeit der Schiedsperson wird am Ende nur ein symbolischer Obolus an Gebühren fällig. 15 Euro sind es, wenn es keinen Vergleich gibt, 25 bis 75 Euro, wenn eben dieser Vergleich ausformuliert werden muss.
In sehr vielen Fällen hat Schiedsmann Peter Blaudszun bislang Einigkeit unter seinen Streithähnen erzielen können – eine solide Bilanz. Um seine ehrenamtliche Arbeit über einen Zeitraum von nunmehr 30 Jahren zu würdigen, fand am 4. Dezember eine Ehrung im Rathaus Schönwalde-Glien statt. Bürgermeister Bodo Oehme: “Seit dem 22. November 1994 übt Herr Blaudzun sein Amt ununterbrochen aus und trägt maßgeblich zu einem friedlichen Miteinander in unserer Gemeinde bei.”
Amtsgerichtsdirektor Jan Boecker hatte als Anerkennung der langjährigen Arbeit eine offizielle Urkunde für Peter Blaudszun mitgebracht. Und er staunte: “Sie sind tatsächlich der erste Schiedsmann im Bezirk des Amtsgericht Nauen, der es geschafft hat, 30 Jahre im Schiedsamt hinter sich zu bringen. Und Sie werden es noch wenigstens zehn Jahre lang bleiben. Dass Sie die Anstrengungen dieses Amts 30 Jahre lang auf sich genommen haben, scheint mir aber auch ein deutliches Zeichen zu sein, dass es Ihnen Spaß gemacht hat.”
In den 30 Jahren wurde Peter Blaudszun sieben Mal neu zum Schiedsmann gewählt. Jan Boecker: “Schon bei unserem ersten Treffen hatte ich den Eindruck, dass Sie alles mitbringen, was einen Schiedsmann so ausmacht. Sie sind ein aufmerksamer Gesprächspartner, Sie können zuhören, Sie können heraushören, was bei den Parteien das wirkliche Problem ist. Und Sie haben genug Ideen, um für die jeweiligen Probleme eine Lösung zu finden.”
Peter Blaudszun erinnerte sich: “Das Land Brandenburg hatte 1992 damit begonnen, erste Schiedsstellen einzurichten. Im September 1994 kam Bodo Oehme auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht Schiedsmann werden möchte. Ich hatte ihn gesagt, er solle mir drei Wochen Zeit geben, in der Hoffnung, er kommt nicht noch einmal darauf zurück. Da kannte ich ihn aber schlecht: Nach drei Wochen stand er wieder vor meiner Tür. Ich sagte dann, ich mache das nur, wenn die Gemeindevertreter mich einstimmig wählen. Alle haben Ja gesagt – und ich habe meine Zeit zur Verfügung gestellt. Wenn ich einmal Ja sage, dann ziehe ich es durch. So sind 30 Jahre daraus geworden.”
Was sagt der drei Dekaden lang wirkende Schiedsmann über seine Tätigkeit? Peter Blaudszun: “Wir behandeln im Schiedsamt alle Fälle, die aus dem bürgerlichen Recht kommen und die wir uns anschauen müssen, bevor ein Gericht in Anspruch genommen werden kann. Da geht es etwa um Nachbarschaftsstreitigkeiten, um die Einforderung von Schulden, um die leichte Körperverletzung, um den Hausfriedensbruch oder um die Verletzung des Briefgeheimnisses. Wirklich typisch für Schönwalde-Glien sind die Blätter, die im Herbst vom Baum fallen. Da kommt es zum Streit, wer die Blätter wegmachen muss. Oft schwelt im Hintergrund aber ein ganz anderer Streit. Da muss man zwischen den Wörtern herausfinden, was die Leute wirklich für ein Problem haben. Ich habe eine Erfolgsquote von 62 Prozent. Die Quote war schon einmal deutlich höher, aber inzwischen bringen viele Nachbarn ihre Anwälte mit – und das macht einen Vergleich mitunter schwieriger.”
Wie kann man eigentlich die Dienste des Schiedsmanns für sich in Anspruch nehmen? Peter Blaudszun: “Wir haben uns in Schönwalde-Glien darauf geeinigt, dass jemand, der im Ordnungsamt vorstellig wird, meine Kontaktdaten bekommt. Dann kann mich diese Person anrufen und wir vereinbaren einen Termin. Ob eher Männer oder eher Frauen zu Streitigkeiten neigen, kann ich gar nicht sagen. Manchmal müssen die Männer auch im Auftrag ihrer Frauen tätig werden.”
Wie lange wird Peter Blaudszun noch weiter als Schiedsmann arbeiten? Dazu sagte er im Rathaus: “Solange es meine Gesundheit zulässt. Die neue Legislaturperiode dauert ja wieder fünf Jahre. Wenigstens so lange bin ich noch dabei, wenn ich es durchhalte.”
Marlies Miericke-Soelch stand Peter Blaudszun 15 Jahre lang als Stellvertreterin zur Seite. Sie erinnerte sich: “In meinem kuriosesten Fall in Schönwalde-Glien ging es um Bienen. Ein Nachbar hatte Angst vor den Bienen nebenan, er fühlte sich gestört. Die Bienenhaltung müsse an einen anderen Ort, obwohl sie bereits seit Jahrzehnten im Garten der Nachbarn stand. Aber der Wind hätte gedreht und deswegen würden die Bienen nun durch den eigenen Garten fliegen. Ansonsten hatte ich viele Streitigkeiten Alt gegen Jung und leider noch immer Ost gegen West.” Gerade bei einem Zuzug kommt es oft zu Konflikten, wenn die Lebensweisen der neu Zugezogenen mit denen der schon lange im Ort lebenden Schönwalder aufeinanderprallen.
In Schönwalde-Glien ändert sich mit der neuen Legislaturperiode aber etwas. Marlies Miericke-Soelch hört als Schiedsperson auf. Peter Blaudszun rückt auf ihre Stelle und wird damit Stellvertreter des neuen Schiedsmanns. Das ist ab sofort Marcus Dehler (43). Er stammt aus Hennigsdorf, wohnt aber seit 1993 in Schönwalde-Siedlung und seit 2019 im Dorf. Ursprünglich hat er als Kfz-Mechaniker gearbeitet, inzwischen ist er Unfall-Sachverständiger für eine Versicherung im Bereich Mobilität, Kfz und Autos.
Marcus Dehler über seine Motivation, als Schiedsperson tätig zu sein: “Ich interessiere mich sehr für den Ort und spüre eine starke Verbundenheit. Am Anfang durfte ich mit Peter mitlaufen, inzwischen hatte ich bereits meinen allerersten Termin als verantwortliche Schiedsperson.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 226 (1/2025).
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