Frostige Schlehen in Falkensee: Die blauen Früchte werden nach dem ersten Frost geerntet!
An vielen Stellen in Falkensee stehen noch Schlehen-Büsche, so etwa im Geschichtspark. Oft stehen sie in dichten Hecken zusammen. Die stacheligen Büsche bleiben das ganze Jahr über unauffällig. Erst im Winter stechen sie einem plötzlich ins Auge. Das Laub ist von den Ästen gefallen – und Hunderte blauer Früchte in Murmelgröße bleiben übrig. Die meisten Menschen gehen achtlos und unwissend an den Früchten vorbei. Dabei lassen sich aus diesem Geschenk der Natur leckere Lebensmittel zubereiten – wie etwa der berühmte Schlehengeist.
Das Wissen um die Geheimnisse unserer einheimischen Natur geht immer mehr verloren. Nur wenige Menschen wissen noch, dass sich reife Hagebutten für mehr eignen als nur zur Verwendung als Juckpulver-Lieferant. Auch Maulbeeren, Quitten, Walderdbeeren und Bucheckern sind leckere Lebensmittel, die sich auf einem Spaziergang mit nach Hause nehmen lassen. Zuletzt hat ja immerhin der im Wald wild wachsende Bärlauch wieder etwas mehr Popularität in der Bevölkerung gewinnen können. Gerade der Winter hält noch so einige Überraschungen bereit, die sich ins Erntekörbchen legen lassen.
Einen echten Winterschatz spendiert so etwa der Schlehdorn (Prunus spinosa), der je nach Wohnort in Deutschland auch Schlehe, Sauerpflaume oder Schwarzdorn genannt wird. Von der Systematik her gehört der Schlehdorn zu den Rosengewächsen, seine Frucht ist keine Beere, sondern eine Steinfrucht wie die Kirsche. Oder die Pflaume.
Der Schlehdorn ist in Parkanlagen oft als Busch angelegt, der ungepflegt und unbeschnitten bis zu drei Meter hoch und bis zu 40 Jahre alt werden kann. Der Busch trägt nur im Sommer Laub, wirft seine Blätter also vor dem Winter vollständig ab. Lange Dornen erschweren es, sich der Pflanze zu nähern oder weiter in ein Schlehen-Dickicht vorzudringen. Die Dornen der Schlehe sind mehrere Zentimeter lang. Echte Dornen sind übrigens keine Auswüchse der Rinde wie etwa die Stacheln der Rose, die man leicht abbrechen kann, sondern umgewandelte Sprossachsen, die direkt dem Holz des Strauchs entwachsen – und deswegen sehr stabil sind. Es gibt allerdings auch Schlehensträucher und -bäumchen ohne Dornenbesatz. Mitunter stehen sogar Schlehenbüsche mit und ohne Dornen direkt nebeneinander.
Die Schlehe verbreitet sich nicht nur über ihre Samen, sondern auch über Wurzeltriebe. So passiert es nicht selten, dass der Schlehdorn dort, wo er wächst, nie lange für sich alleine bleibt, sondern schnell neue Nachbarn bekommt. Damit gehört die Pflanze zu den sogenannten Wurzelkriechpionieren, die dichte Hecken ausbilden können.
Das Holz der Schlehe ist übrigens sehr hart. Es wurde schon immer gern für Drechselarbeiten verwendet. Früher wurde das Holz bevorzugt zur Herstellung von Peitschenstielen herangezogen.
Die Schlehe spielte in Deutschland schon immer eine große Rolle. Sie wird sogar in alten Kinderliedern besungen: “Singt’s ufem Schlehdornhag” heißt es da etwa. Im DDR-Lied “Blumen hab ich mir bestellt” von Erika Engel wird gesungen: “Dotterblume, Knabenkraut, Gänseblümchen, so vertraut, Buschwindröschen, Schlehe, alle, alle sind dabei.” Und in einem alten Volkslied von 1836 wird geträllert: “Drunten im Unterland – Da ist´s halt fein. – Schlehen im Oberland, – Trauben im Unterland, – Drunten im Unterland – Möcht’i wohl sein.”
Interessant wird der Schlehdorn jenseits von allen Sangeskünsten, weil sich seine Früchte auf besonders vielfältige Art und Weise verwenden lassen. Diese kugelrunde Frucht entwickelt sich sehr spät im Jahr – in einer Größe, die man am besten mit einer Kindermurmel vergleichen kann, wobei es am einem Strauch durchaus kleine und große “Murmeln” geben kann.
Die glatten Steinfrüchte weisen eine blauschwarze Haut auf, die stark wasserabweisend ist. Die blaue wie aufgesprühte Färbung lässt sich mit dem Finger wegwischen, sodass ein schwarzer Grundton zutage tritt. Das Fruchtfleisch ist grün und fest. Es ummantelt einen leicht abgeflachten, spitzen Kern.
Carsten Scheibe: “Schlehenbüsche erkennt man im Winter schon aus großer Entfernung. Hunderte blauer Früchte zeigen sich im kahlen Astwerk. Wir wussten damals schon als Kinder, dass man Schlehen essen kann. Sie sind allerdings recht sauer und weisen eine herbe Bitternote auf. Wenn man sie isst, hat man das Gefühl, als würde einem der ganze Mund austrocknen. Da bekommt man leicht den Eindruck, dass die Früchte giftig sind. Das stimmt aber nicht.”
Die Schlehen reifen von Oktober bis November. Schlehen sind reif, sobald die Schale bis zum Stielansatz kräftig blauschwarz eingefärbt ist. Sie verbleiben den ganzen Winter über am Busch, fallen also nicht herunter. Für viele Tiere ist der Schlehenbusch eine wichtige Nahrungsquelle, um über den Winter zu kommen. Viele Vögel fressen dann die Büsche leer.
Im Sommer leben viele Raupen auf dem Schlehdorn, so etwa die vom Grauen Laubholz-Dickleibspanner, vom Gebüsch-Grünspanner, vom Schwalbenwurz-Kleinspanner, vom Hecken-Wollafter und vom größten europäischen Tagfalter, dem Segelfalter. Als Käfer lebt der Schlehen-Blütenstecher sogar ausschließlich nur auf Schlehen-Büschen. Viele Vögel nisten in den Schlehenhecken, gut geschützt von den Dornen. Eben diese Dornen nutzt übrigens auch der Neuntöter gern, um seine Beute aufzuspießen.
Früher wusste es noch jeder im Land: Schlehen erntet man immer erst nach dem ersten Frost. Der Frost zerstört nämlich einen Großteil der bitter schmeckenden Gerbstoffe in den Früchten. Der Gerbstoffgehalt halbiert sich auf diese Weise. Carsten Scheibe: “In unseren modernen Zeiten lässt sich der Frost auch ganz einfach umgehen: Man packt dazu die frisch geernteten Früchte einfach über Nacht in den Tiefkühler. Im Internet ist zu lesen, dass der Frost so wichtig ist, weil sich dann die Gerbstoffe in den Stamm zurückziehen. Das stimmt so nicht. Eine enzymatische Reaktion wandelt sie bei Minustemperaturen um.”
Die Frage ist nur: Was tut man eigentlich mit den frisch geernteten Schlehen? Gern verwendet man die Früchte, um einen Schlehenwein herzustellen. Dazu rührt man die pürierten Früchte in einen bereits vorhandenen Apfelwein ein. Aufgrund der typischen Gerbstoffe der Schlehe bekommt der Apfelwein sofort einen neuen,typischen Schlehen-Geschmack.
Man kann aus den Schlehen aber auch einen leckeren Fruchtsaft aufkochen oder einen Schnaps daraus machen, der als “Schlehenfeuer”, “Schlehengeist” oder “Schlehenbrand” bekannt ist.
Bianca K. verrät auf dem Facebook-Account von “Unser Havelland”, wie das am besten gemacht wird: “Nach dem Pflücken kommen die Schlehen für eine Woche in die Tiefkühlung und werden dann mit braunem Kandis und Gin angesetzt.” Franziska K. verwendet statt Gin lieber Korn. Sie weiß: “Einfach stehen lassen, ab und zu schütteln. Nach ein paar Monaten kann man den Schnaps genießen.” Martin B. hat das perfekte Rezept: “Mit etwa drei Liter Wodka, einem Kilo Zucker und zwei Kilo Frucht kann man in einem Weinballon einen schönen Schlehenlikör ansetzen. Gelegentlich umrühren und im Keller deponieren. Nach zehn Wochen kann man den Ansatz filtern und in kleine Flaschen abfüllen.” Schlehenelixier gilt in der Naturheilkunde übrigens als ein Stärkungsmittel nach Infektionskrankheiten.
Wer ein Schlehengelee ansetzen möchte, gibt 1,5 Kilo Schlehen in einen Topf und kocht sie mit 1,25 Liter Wasser auf. Den Ansatz lässt man einen Tag stehen. Dann fängt man nur die Flüssigkeit ab, kocht sie erneut auf und gibt sie heiß über die Schlehen. Das wiederholt man am nächsten Tag noch einmal. Am vierten Tag nimmt man 750 Milliliter Sud und kocht ihn mit einem Kilo Gelierzucker, einer ausgekratzten Vanillestange und dem Saft einer halben Zitrone auf. Fertig.
Kann man Schlehen eigentlich verwechseln? Im Frühjahr besteht eine Verwechslungsgefahr mit dem Weißdorn, der ebenfalls sehr stachelig ist. Er bildet aber kleine, rote Früchte aus. Eine Verwechslungsgefahr besteht mit der Hofschlehe, die auch Krieche, Krete oder Kriechele genannt wird. Das ist die “Wildpflaume”, auch “Primitivpflaume” genannt. Ihre Früchte sind im September und Oktober reif, sie sind mit zwei bis drei Zentimeter Umfang aber größer als die Schlehe – und ebenfalls essbar. In der Literatur werden keine weiteren Doppelgänger genannt. Aber: Ein Genuss erfolgt immer auf eigenes Risiko. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 226 (1/2025).
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