Kirchengeflüster: Die Literatur-Ladies Falkensee und der Vorleser Dirk Lausch luden in die Seegefelder Kirche ein!
Das gab es schon immer, das hat Tradition. Und weil es für alle Beteiligten so schön ist, wurde auch im Dezember ’24 eine Neuauflage durchgeführt: Am 29. November luden die drei Falkenseer Literatur-Ladies Birgit Brückner, Gertrud Manti und Dagmar von Kleist zusammen mit ihrem Gentleman Dirk Lausch zu einem lauschigen Leseabend in die Seegefelder Kirche ein. Jeder Platz in der Kirche war abends belegt, die Leute wollten nur allzu gern weihnachtliche Geschichten hören. Und zwischendurch sangen die Jettasingers.
Dirk Lausch ist “Der Vorleser”, ein Berliner Literaturfreund mit dem Hang, schöne Texte vor Publikum vorzulesen, gern auch ehrenamtlich. Seit vielen Jahren pflegt eben dieser Vorleser eine innige Beziehung zum Speckgürtelvorort Falkensee. Oft genug hat er seine Geschichten, die er in vielen bekannten und auch unbekannten Büchern findet, in der Havelländer Öffentlichkeit vorgelesen – vor allem im Hexenhaus.
Einmal im Jahr ist er aber auch in der Seegefelder Kirche in der Bahnhofstraße am Brunnenplatz aktiv. Stets vor dem ersten Advent heißt es da nämlich immer: “Die Falkenseer Literatur-Ladies Birgit Brückner, Gertrud Manti und Dagmar von Kleist samt ihrem Gentleman Dirk Lausch laden zu einer besonderen Lesung ein.”
Dirk Lausch: “Das machen wir bereits seit dem Jahr 2009, nur in der Corona-Zeit gab es zwangsweise eine Pause. Wir laden also bereits seit 15 Jahren zu einer Lesung in der Kirche ein. Und das klappt sehr gut, wir verstehen uns noch immer bestens. Seit 15 Jahren sind wir übrigens noch immer preisstabil – mit null Euro Eintritt. Wir wissen auch nie im Vorfeld, wie voll es wird. Es gibt keine Platzreservierungen, jeder kommt, wie er oder sie gern kommen möchte. Bisher waren wir immer bis auf den letzten Platz voll belegt, mussten aber trotzdem noch nie jemanden nach Hause schicken. Zugleich stellen wir immer wieder fest: Wir machen das sehr gern.”
Die Seegefelder Kirche bot natürlich auch die perfekte Kulisse. Zwei zusammengestellte Tische, an denen die Vorleser Platz nehmen konnten, standen direkt vor dem Altar. Von den Kirchenbänken aus hatten die Zuschauer und natürlich auch Zuhörer einen guten Blick auf die Vorlesenden.
Dirk Lausch (https://dirklausch-schausprecher.com) erinnerte sich: “2009 gab es einen Vorlese-Workshop in der Stadtbibliothek Falkensee. Den habe ich selbst mit angestoßen, weil ich großen Spaß daran habe, mit Menschen zu arbeiten und ihnen das Vorlesen beizubringen. Da haben sich gleich mehrere Personen zum Workshop angemeldet. Geblieben sind am Ende vier Damen, das war unser ‘Literarisches Quartett’. Eine der Damen – Christa Pliet – ist leider inzwischen verstorben. So sind es inzwischen nur noch drei Ladies.”
Wie kann man sich so einen Abend in der Kirche vorstellen? Klar war im Vorfeld nur, dass Texte rund um das Thema Weihnachten vorgelesen werden.
Die neugierigen Besucher, zum großen Teil schon jenseits der Lebensmitte angekommen, durften sich einen freien Platz in der Kirche suchen. Eine Gebärdensprachdolmetscherin war gleich für mehrere Besucher mit Höreinschränkungen vor Ort.
Bevor es mit dem Lesen losging, wurde eine weitere Tradition befolgt: Der Gospelchor der Jettasingers (www.jettasingers.de) um Chefin Marietta Kintzel sorgte für Atmosphäre und begrüßte das Publikum um 19 Uhr mit dem vielstimmig vorgetragenen Lied “Mary, did you know?” Auch zwischen den einzelnen Textpassagen kümmerte sich der vielköpfige Chor um die musikalische Unterhaltung der Zuschauer. Gesungen wurden Klassiker wie “Yes”, “Holy Holiday”, “Lullaby” und “Happy Xmas”. Zum Schluss durften alle in der Kirche bei “Süßer die Glocken nie klingen” mitsingen – der Text lag bereits kopiert auf allen Plätzen.
Stille herrschte, als die Literaturexperten zu den Texten griffen, die sie extra für den Abend ausgesucht hatten. Gelesen wurden Rolf Krenzer “Wann fängt Weihnachten an?”, Thomas Gernhardt “Die Predigt”, von Anneliese Böckenhauer “Das Märchen vom Stern zu Bethlehem” und von Berthold Brecht “Das Paket des lieben Gottes”. Von Andrea Wojtynek folgte die “Weihnachtszeit”. In den ersten Texten ging es noch recht religiös zu, das Thema Weihnachten stand aber stets im Vordergrund, so auch im Text von Joachim Ringelnatz “Schenken” oder “Der Weihnachtsmann in Nöten” von Hans Scheibner.
Dirk Lausch: “Von Hans Scheibner hatten wir gleich mehrere Texte im Programm, so auch ‘Was schenkt man Oma Reimer zu Weihnachten?’ oder ‘Immer wieder Werner’. In der Werner-Geschichte flüchtet eben dieser Werner vor der eigenen Familie, um seinen Aufgaben zu entgehen und um lieber bei Freunden dabei zuzusehen, wie diese den Baum schmücken und das Weihnachtsessen vorbereiten. Scheibner hat einen ganz feinen Humor. Er hätte auch unserer verstorbenen Christa Pliet gut gefallen, die wir sehr vermissen.”
Dagmar von Kleist: “Ich habe mir eine Liste aller Texte gemacht, damit wir über die Jahre nichts doppelt lesen. Aber das ist eigentlich egal. Die Leute freuen sich über alles, was wir lesen.”
Dirk Lausch: “Wir fragen uns immer: Wann fängt eigentlich Weihnachten an, wann kommen wir in Stimmung? Ich weiß es: Es ist unsere Lesung. Da ist die Stimmung auf einmal da.”
Zum Ende hin durfte es in der Kirche auch etwas frecher werden. Dirk Lausch las von Horst Evers “Der Weihnachtsmarkt in Spandau”, wo es sinngemäß heißt: “In Nürnberg gibt es den Lebkuchen, in Aachen die Printen, in Dresden den Stollen und in Spandau auf die Fresse.”
Und dann kam die Geschichte, die der Lesung ihren diesjährigen Titel gab. Dirk Lausch und Dagmar von Kleist lasen zusammen das bitterböse Loriot-Gedicht “Es blaut die Nacht.” Sehr schön: So kann die Weihnachtszeit beginnen. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 226 (1/2025).
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